Polizeivollzugsbeamte in den Vollzug, Verwaltungsbeamte in die Verwaltung

1. Der Landtag begrüßt die Absicht der Landesregierung, im Jahr 2005 zunächst 200 von der Verwaltungsreform betroffene Landesbedienstete in den Bereichen Verwaltung und Technik der niedersächsischen Landespolizei einzusetzen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, bisher mit Verwaltungstätigkeiten betraute Polizeivollzugsbeamte ihrer Ausbildung entsprechend auf Dienstposten im Exekutivbereich zu verwenden.

2. Die Landesregierung wird gebeten zu prüfen, ob die für alle Polizeivollzugsbeamten bisher geltende allgemeine Altersgrenze von 60 Lebensjahren zukünftig weiterhin auch für die Beamtinnen und Beamten im höheren Polizeivollzugsdienst Anwendung finden soll.

3. Der Landtag bittet die Landesregierung zu prüfen, ob durch Kooperation mit Dritten ein weiterer Aufgabenabbau im Polizeivollzugsbereich möglich ist.

Antwort der Landesregierung vom 07.04.

Zu 2: Die Beamtin oder der Beamte auf Lebenszeit tritt nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand.

§ 25 Abs. 1 Satz 2 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) legt die Altersgrenze auf das vollendete 65. Lebensjahr fest. Diese Rahmenvorgabe findet sich in § 51 Abs. 1 NBG wieder. Für einzelne Beamtengruppen kann durch den Landesgesetzgeber eine andere Altersgrenze bestimmt werden.

Gemäß § 228 (§§ 230, 230 a) NBG ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für Polizeivollzugbeamte, Beamte des Feuerwehrdienstes und Beamte der Justizverwaltung die gesetzliche Altersgrenze.

Für die im Jahre 1954 festgelegte Altersgrenze war die Annahme ursächlich, Polizeivollzugsbeamte (PVB) seien mit Vollendung des 60. Lebensjahres im Allgemeinen den erhöhten Anforderungen des Polizeidienstes - insbesondere aber des Wechselschichtdienstes - nicht mehr gewachsen (Vermutung der Polizeidienstunfähigkeit). Dieser aus der Fürsorgepflicht abgeleitete frühere Ruhestand unterstellte konkrete besondere Belastungen, insbesondere für Beamte im mittleren Dienst (damals mittlerer Dienst mehr als 80 %). Bei den Laufbahngruppen des gehobenen und höheren Dienstes wurden entsprechende Belastungen unterstellt.

Mit dem Entwurf des Versorgungsreformgesetzes (VReformG), Stand: Oktober 1997, war vorgesehen, § 25 Abs. 1 Satz 3 BRRG dahingehend zu ändern, dass die durch Gesetz festzulegende (besondere) Altersgrenze das vollendete 61. Lebensjahr nicht unterschreiten darf. Damit wären die besonderen Altersgrenzen für den Vollzugsdienst generell um ein Jahr angehoben worden. Diese im Entwurf vorgesehene Änderung war allerdings nicht mehrheitsfähig und ist mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 03.04.1998 zum VReformG entfallen.

Niedersachsen hatte sich seinerzeit der Diskussion über die Anhebung der Altersgrenzen für den Vollzugsdienst auf das 61. Lebensjahr nicht verschlossen, weil sich die Annahme, dass PVB mit

Vollendung des 60. Lebensjahres den besonderen Anforderungen, die an die Einsatzfähigkeit gestellt werden, nicht mehr gewachsen sind, in dieser allgemeinen Form, insbesondere aufgrund der eingetretenen Änderungen in den Organisationsstrukturen und in den Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch den technischen Wandel nicht zwingend aufrechterhalten ließ und insofern über eine Neubewertung nachzudenken war. Diese Überlegungen wurden auch vor dem Hintergrund angestellt, dass im übrigen öffentlichen Dienst die Anhebung der Antragsaltersgrenze auf das 63. Lebensjahr erfolgt ist und vorzeitiges Ausscheiden grundsätzlich zu Versorgungsabschlägen führt. Zudem sind mit der Wahrnehmung einer Vielzahl von Funktionen und Aufgaben im Polizeibereich keine gegenüber anderen Berufsgruppen ohne besondere Altersgrenze höheren Anforderungen an die physische und psychische Leistungsfähigkeit verbunden.

Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben ihre Altersgrenzen inzwischen mit unterschiedlichen Varianten angehoben. In Rheinland-Pfalz wird die bisherige besondere Altersgrenze von 60 Jahren beibehalten, wenn mindestens 25 Jahre Wechselschichtdienst geleistet worden sind. Bei kürzerer Wechselschichtdiensttätigkeit ist für den mittleren Dienst das 62. Lebensjahr, für den gehobenen Dienst das 63. Lebensjahr und für den höheren Dienst das 65. Lebensjahr die Altersgrenze. Nordrhein-Westfalen hat für den gesamten Polizeivollzugsdienst die besondere Altergrenze auf das 62. Lebensjahr angehoben.

In Berlin sollen die besonderen Altersgrenzen - auch für Justizvollzug und Feuerwehr - den unterschiedlichen Belastungen entsprechend neu festgesetzt werden (Direkteinsteiger mittlerer Dienst 61. Lebensjahr, gehobener Dienst 62. Lebensjahr und höherer Dienst 65. Lebensjahr; Aufsteiger gehobener Dienst 61. Lebensjahr und höherer Dienst 63. Lebensjahr). In anderen Ländern wie Schleswig-Holstein, Saarland, Hamburg und Bayern sind Überlegungen angestellt worden, eine konkrete Umsetzung ist aber bisher nicht erfolgt.

Die Niedersächsische Landesregierung beabsichtigt gegenwärtig keine Erhöhung der besonderen Altersgrenze für den höheren Polizeivollzugsdienst, dies nicht zuletzt wegen der Gesamtbelastung, die die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den Haushaltsaufstellungen hinzunehmen hatten. Allerdings kann eine solche Erhöhung für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Zunächst bleibt die weitere Entwicklung in den anderen Bundesländern abzuwarten.

Auch wird eine Anhebung (generell oder gestaffelt) nur vermittelt werden können, wenn die Mehrheit aller PVB von ihr erfasst wird. Lediglich für die rund 300 Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes (1,73 % aller PVB) die Altersgrenze anzuheben, dies nur an der Laufbahngruppenzugehörigkeit festzumachen, die tatsächlichen Belastungen (z. B. Funktionen im operativen Bereich) aber unberücksichtigt zu lassen, könnte von den betroffenen Führungskräften als „Sonderopfer" missverstanden werden.

Wenn es im dienstlichen Interesse liegt, kann der Eintritt in den Ruhestand mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten bereits jetzt über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, hinausgeschoben werden, jedoch nicht länger als bis zum vollendeten 63. Lebensjahr (§ 52 Abs. 1 Satz 2 NBG). Von dieser Möglichkeit wurde in der Vergangenheit in Niedersachsen - von Einzelfällen abgesehen - kein Gebrauch gemacht. Die jetzige Praxis ist zugunsten einer solchen Verlängerung geändert worden, sodass in der Zwischenzeit gerade für den höheren Dienst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden könnte. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es aber noch Probleme mit vorzuhaltenden Planstellen und Beschäftigungsvolumina gibt und ein Hinausschieben der Altergrenze zunächst auf wenige Fälle beschränkt bleiben wird, zumal auch die Zahl der Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes, die die Altersgrenze des 60. Lebensjahres erreichen, eher klein ist.

Vor dem Hintergrund der bereits oben erwähnten Belastungen der Beamtenschaft wird eine Anhebung nur für einen Teil des Polizeivollzugdienstes für nicht sachgerecht gehalten.

Zu 3: Die Landesregierung erachtet es als einen permanenten Auftrag, die Tätigkeitsfelder der Polizei mit dem Ziel der Konzentration auf so genannte Kernaufgaben zu überprüfen. In diesem ständigen Prozess sind in der zurückliegenden Zeit eine Vielzahl positiver Veränderungen herbeigeführt wor den. Sich bietende Ansatzpunkte für eine weitere Entlastung der Polizei wurden bisher und werden auch künftig aufgegriffen. Hierzu einige Beispiele:

Die Polizei sucht, sofern sie Kenntnis von einem Verkehrsunfall erhält, zur Sicherstellung eines Straf- und Bußgeldverfahrens, zur Gefahrenabwehr sowie aus Gründen der Unfallprävention die Unfallstelle auf. Die Verkehrsunfälle werden grundsätzlich aufgenommen. Durch die Schaffung eines Verfahrens zur vereinfachten Unfallaufnahme ist es dabei möglich geworden, dass etwa 50 % der Verkehrsunfälle noch an der Unfallstelle mit geringstem Aufwand abschließend polizeilich bearbeitet werden können. Weitergehende Arbeitsbelastungen (Vernehmungen, Gerichtstermine) ergeben sich in diesen Fällen grundsätzlich nicht. Die Polizei kann so alle für die örtliche Unfalluntersuchung erforderlichen Erkenntnisse gewinnen und dabei wirksam und wirtschaftlich im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit handeln. Ein völliger Verzicht auf die polizeiliche Unfallaufnahme bei Bagatellschäden widerspräche allerdings der Grundphilosophie in der Verkehrssicherheitsarbeit.

Die Tätigkeiten der Polizei anlässlich von Großveranstaltungen sind bereits jetzt auf die polizeilichen Kernaufgaben begrenzt. Aufgaben im Rahmen des Ordnungs- und Sicherungsdienstes obliegen dabei im unmittelbaren Veranstaltungsraum grundsätzlich dem Veranstalter.

Sofern nicht konkrete Gefährdungserkenntnisse vorliegen, erhalten Geld- und Werttransporte keine polizeiliche Begleitung mehr.

Auch aktuell werden Ansatzpunkte für einen weitergehenden Aufgabenabbau durch Kooperation mit Dritten aufgegriffen.

Im Bereich der Begleitung von Großraum- und Schwertransporten wird gegenwärtig die Möglichkeit einer weiteren Entlastung der Polizei geprüft. Zwar lässt die derzeitige Rechtslage einen noch stärkeren Einsatz von Dritten zur Entlastung der Polizei nicht zu, eine Änderung der Regelungen mit dieser Zielrichtung wird jedoch für erforderlich gehalten. Das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen ist daher im vergangenen Jahr auf Initiative der Innen-Staatssekretäre und -räte der norddeutschen Bundesländer um Anpassung der Rechtslage gebeten worden. Zurzeit befasst sich der zuständige Bund/Länder-Fachausschuss mit der Thematik. Dabei wird auch die Möglichkeit einer Übertragung von Begleitaufgaben auf Dritte geprüft.

Eine weitere Entlastung wird mit der in Niedersachsen in Vorbereitung befindlichen Bildung einer Abschleppzentrale erfolgen. Anlässlich von Verkehrsunfällen wird die Polizei sehr häufig im Wege der Hilfeleistung für Kraftfahrzeugführer tätig, indem sie in deren Namen Abschleppaufträge übermittelt. Um dabei das Gleichheitsprinzip gewährleisten zu können, nehmen die Polizeidienststellen das Leistungsangebot der Abschleppunternehmen in Verzeichnisse auf und führen daraus nach genau bestimmten Kriterien die Auswahl von Unternehmen durch. Seit Jahren besteht hier die Forderung, dass die Abschleppunternehmer bei der Vergabe von Abschleppaufträgen die Auswahl unter geeigneten Unternehmen nach fest bestimmten Kriterien selbst gestalten. In Niedersachsen haben sich zwischenzeitlich Verbände von Abschleppunternehmern, Hilfsdienste und Automobilclubs zusammengefunden und einen Verein „Verkehrsservice Niedersachsen" (VSN) gegründet, um die Rahmenbedingungen für ein leistungsfähiges, faires, transparentes und kostengünstiges Vermittlungsverfahren zu bestimmen. Auf Basis der vom VSN erarbeiteten Rahmenbedingungen soll das Vermittlungsverfahren in Niedersachsen künftig von einer Abschleppzentrale durchgeführt werden. Einhergehend damit wird die Polizei von derartigen vollzugsfremden Tätigkeiten entlastet.

Auch im polizeilichen Binnenbereich erfolgt zurzeit eine aufgabenkritische Überprüfung. Im Rahmen der Optimierung der polizeilichen Servicedienste soll durch betriebswirtschaftliche Überprüfung und fachliche Integration bzw. Zusammenführung und Schließung von Servicedienststellen Einsparpotenzial erreicht werden. Unter Berücksichtigung des bereits erfolgten Einstiegs in ein Leasingmodell für Dienstkraftfahrzeuge werden Vorarbeiten zur Umsetzung eines zukunftsfähigen Werkstattmodells geleistet.

Die Landesregierung sieht die aufgabenkritische Überprüfung der polizeilichen Tätigkeiten auch weiterhin als eine Daueraufgabe an und wird im Rahmen ihrer sicherheitspolitischen Grundphilosophie sich bietende Möglichkeiten zur Entlastung der Polizei aufgreifen.

(Ausgegeben am 13.04.2005)