Zu Frage 9 Anhand der Bewährungshilfestatistik lassen sich die gestellten Fragen nicht beantworten

In einer bundesweiten Untersuchung aus dem Jahr 2001 wird ausgeführt, dass im Zeitrum von 1987 bis 1996 bundesweit lediglich in 65 Fällen die höchstmögliche Jugendstrafe von zehn Jahren verhängt worden ist. Betroffen waren davon 74 Personen. Dies entspricht einem Anteil der Höchststrafe an den insgesamt zu einer Jugendstrafe verurteilten Personen von weniger als 0,1 %. Die Verurteilung erfolgte dabei in 97 % aller Fälle wegen eines Tötungsdelikts. Bei den so Verurteilten handelte es sich nahezu ausschließlich um männliche Heranwachsende. Lediglich in zwei Fällen wurden weibliche Angeklagte zu dieser Höchststrafe verurteilt. Sie hatten in beiden Fällen zusammen mit männlichen Mittätern gehandelt. Die weitaus meisten dieser verurteilten Personen, nämlich 52, hatten zuvor bereits strafrechtliche Vorbelastungen. 36,5 % der später zu der Höchststrafe verurteilten Täter waren zuvor bereits zu Jugendstrafe verurteilt.

Zu Frage 8: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.

Zu Frage 9: Anhand der Bewährungshilfestatistik lassen sich die gestellten Fragen nicht beantworten. Die dort erhobenen Daten sind zur verlässlichen Ermittlung von Rückfall- und Erlassquoten ungeeignet.

Zur Beantwortung der Frage kann jedoch die Zählkartenstatistik des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik herangezogen werden. Dieser Statistik ist die Erlassquote für nicht- und teilvollstreckte Jugendstrafen des Jahres 200317 wie folgt zu entnehmen:

Im Jahr 2003 sind in Niedersachsen insgesamt 1.888 Bewährungsaufsichten nach dem Jugendstrafrecht beendet worden. Dieses geschah durch einen Erlass der Jugendstrafe in 629 Fällen.

Dieses entspricht insgesamt einer Quote von 33,31 %.

Von den 629 Fällen, in denen ein Erlass der Jugendstrafe erfolgt ist, ist in 141 Fällen (= 22,4 %) zuvor eine Teil-Vollstreckung durchgeführt worden (bei 130 männlichen und 11 weiblichen Verurteilten), so dass die dem Erlass vorangegangene Strafaussetzung zur Bewährung nach § 88 JGG (130 Fälle), im Gnadenwege (4 Fälle), nach den §§ 35, 36 BtMG (5 Fälle) oder aus sonstigen Gründen (2 Fälle) erfolgt ist. Bezogen auf die insgesamt erfolgte Beendigung der Bewährungsaufsicht nach Jugendrecht in 1888 Fällen ergibt sich daraus eine Quote des Erlasses nach einer TeilVollstreckung in Höhe von 7,5 %.

In 488 Fällen (= 77,6 % der insgesamt mit einem Erlass beendeten Bewährungen nach Jugendrecht, davon 453 männliche und 35 weibliche Verurteilte) ist vor dem Erlass keine Vollstreckung erfolgt, weil die Strafaussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung von vornherein nach § 21 JGG (485 Fälle) bzw. nach § 30 JGG (3 Fälle) erfolgt ist. Bezogen auf die insgesamt erfolgte Beendigung der Bewährungsaufsicht nach Jugendrecht in 1 888 Fällen ergibt sich daraus eine Quote des Erlasses ohne Teil-Vollstreckung in Höhe von 25,8 %.

Bei der Würdigung der Erlassquoten ist zu beachten, dass geringe Erlassquoten nicht zwangsläufig auf eine hohe Widerrufsquote hinweisen. Ein Widerruf ist „nur" in 358 Fällen erfolgt (= 19 %) und zwar in 277 Fällen wegen einer neuen Straftat und in 81 Fällen aus sonstigen Gründen.

Neben dem Erlass und dem Widerruf gibt es weitere Beendigungsgründe, wie z. B. den Ablauf der Unterstellungszeit nach § 24 Abs. 1 JGG (189 Fälle), die Aufhebung der Unterstellung nach § 24 Abs. 2 JGG (36 Fälle), die Tilgung des Schuldspruchs nach § 30 Abs. 2 JGG (97 Fälle) und die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 30 JGG (68 Fälle). In 511 Fällen wurde die Verurteilung in ein neues Urteil einbezogen.

Schulz, Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht (zehn Jahre) - eine Urteilsanalyse, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (MSchrKrim) 2001, S. 310 bis 325

Die Zahlen für 2004 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Zu Frage 10:

Die „Wiederinhaftierung" ergibt sich aus den statistischen Quellen nicht direkt. Am nächsten kommt man der Zahl der „Wiederinhaftierten", wenn man statistisch die Zahl derer auswertet, die nach der Verbüßung einer Jugendstrafe erneut zu einer Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden sind.

Für Niedersachsen sind keine speziellen statistischen Daten vorhanden. Die Landesregierung setzt sich daher für die Einführung einer periodischen Rückfallstatistik aus dem Datenbestand des Bundeszentralregisters ein, die auch Aussagen auf Landesebene erlaubt. Die Justizministerkonferenz hat auf Initiative der niedersächsischen Justizministerin auf der 75. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 17. bis 18 Juni 2004 in Bremerhaven beschlossen, die Bundesministerin der Justiz zu bitten, eine periodische Statistik erstmalig für das Bezugsjahr 1999 und danach alle drei Jahre erstellen zu lassen.

Es existiert jedoch eine vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene Rückfalluntersuchung aus dem Jahr 2003 vor, die Aussagen zu Rückfallraten abhängig von Sanktion, Delikt, Vorstrafen, Alter und Geschlecht der Sanktionierten anhand der Daten des Bundeszentralregisters und bezogen auf einen festen Zeitraum trifft. Dazu wurden die Registerdaten aller im Jahr 1994 strafrechtlich Sanktionierten oder aus der Haft entlassenen Personen (insgesamt ca. 950.000 Personen) während eines vierjährigen Rückfallzeitraumes ausgewertet, um zu erkennen, ob und wie sie erneut straffällig geworden sind.

Zur Beantwortung der Frage wurde auf der Basis dieser Untersuchung die Gruppe derer, die in dem genannten Zeitraum nach der Vollverbüßung einer Jugendstrafe erneut in einer Folgeentscheidung verurteilt worden sind, mit der Gruppe der Vollverbüßer verglichen, die zu einer unbedingten Jugend- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden sind:

Nach Vollverbüßung einer Jugendstrafe ohne Bewährung wurden 78,31 % in dem Zeitraum von 1994-1998 erneut verurteilt; 52,15 % wurden erneut zu einer Jugendstrafe/ Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt .

Die Rückfallquote nach der Verbüßung von Jugendstrafe ist damit zwar höher als z. B. die Rückfallquote nach sonstigen (ambulanten) jugendrichterlichen Maßnahmen, die bei etwa 55% liegt .

Es wäre jedoch verfehlt, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Jugendstrafe ein weniger geeignetes Sanktionsmittel ist, weil die betroffenen Tätergruppen mit ganz unterschiedlichen kriminogenen Faktoren belastet und daher nicht zu vergleichen sind. In den Fällen, in denen die gesetzlichen Voraussetzungen von Jugendstrafe vorliegen, handelt es sich um kriminell erheblich auffällige Täter. In den meisten Fällen haben sich bereits kriminelle „Karrieren" verfestigt. Es überrascht daher nicht, dass die Rückfallquoten höher sind als bei Jugendlichen und Heranwachsenden, deren Taten eher episodenhaften Charakter haben und bei denen keine freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet worden ist.

Jehle/Heinz/ Sutterer, Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen, herausgegeben vom BMJ, Berlin 2003

Jehle/Heinz/ Sutterer, a.a.O., S. 62, Übersichtstabelle 4.5.1.

Jehle/Heinz/ Sutterer, a.a.O., S. 57, Übersichtstabelle 4.3.

Rückfallquote nach der Vollverbüßung von Jugendstrafe Erneute Verurteilung 78,31 % Erneute Verurteilung zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung 6,06 % Erneute Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung 46,09 %

Zu Frage 11:

In Niedersachsen wurden im Jahr 2004 insgesamt 3 57 Jugendliche und Heranwachsende zu einem Jugendarrest verurteilt. Davon waren in 1 18 Fällen vorherige Verurteilungen, 531 davon zu Jugendstrafe oder Jugendarrest, bekannt.

Wie hoch die Rückfallquote in Niedersachsen nach der Verbüßung eines Jugendarrestes ist, lässt sich der Strafverfolgungsstatistik nicht entnehmen.

Ausweislich der vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Rückfallstatistik auf der Grundlage der Bundeszentralregistereintragungen wurden jedoch auf Bundesebene von 9 608 im Jahr 1994 aus dem Jugendarrest Entlassenen ca. 70,0 % bis zum Jahr 1998 erneut verurteilt. Insgesamt 17,7 % der Verurteilten wurden nach einem Jugendarrest zu einer unbedingten Jugendoder Freiheitsstrafe verurteilt .

Die relativ hohe Rückfallquote nach der Verhängung von Jugendarrest ist jedoch nicht auf die Ungeeignetheit dieses Sanktionsmittels zurückzuführen. In den Fällen, in denen Jugendarrest angeordnet wird, werden ambulante sozialpädagogische Maßnahmen von der Rechtspraxis nicht mehr für ausreichend zur Einwirkung auf die Täter gehalten. Es handelt sich daher um Täter, die erheblich kriminell in Erscheinung getreten sind und bei denen ein Rückfall bereits prognostisch wahrscheinlicher ist.

Der Warnschussarrest ist eine neuartige Kombinationsmöglichkeit, die noch nicht wissenschaftlich untersucht werden konnte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Arrestvollzug soll keine „Schockwirkung" haben.