Der Aufbau der Jobcenter gemäß den Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB II ist noch nicht abgeschlossen

Antwort auf eine Große Anfrage

- Drucksache 15/1780 Wortlaut der Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 10.05.

Jugendarbeitslosigkeit und Jugendberufshilfe in Niedersachsen

Die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz, wie auch die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren, ist weiterhin steigend. Wirtschaft, Handwerk, Kommunen und die Politik sind gefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, um für diese Zielgruppen Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen.

Viele Jugendliche befinden sich in berufsvorbereitenden Maßnahmen (BVB) oder in Maßnahmen der Einstiegsqualifizierung (EQJ), nach deren Beendigung sie den Start in eine reguläre Ausbildung oder Arbeit erhoffen.

Der Aufbau der Jobcenter gemäß den Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) ist noch nicht abgeschlossen. Die bisherige Umorganisation der Arbeitsverwaltung und der kommunalen Sozialverwaltungen war darauf konzentriert, rechtzeitig und zügig die Auszahlung der passiven Leistungen (Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft [KdU]) zu gewährleisten. Mit der umfassenden Förderung der Arbeitsaufnahme, der Integration in den Arbeitsmarkt und der Einrichtung der dafür notwendigen Maßnahmepakete kann aller Voraussicht nach frühestens ab Mitte des Jahres gerechnet werden.

Für die Einrichtung der personellen und sächlichen Infrastruktur bei den Beratungsleistungen, Integrationsleistungen und Fördermaßnahmen sollten bewährte Hilfestrukturen genutzt werden. Die Beendigung der Landesförderung für die unabhängigen Beratungsstellen der Arbeitslosenzentren und Sozialhilfeinitiativen erschwert den Neustart. Bei anderen Beratungsinstitutionen wie den „ProAktiv-Centern" (PACE) hat die Landesregierung einen sukzessiven Rückzug ihrer Finanzierung im Jahr 2005 angekündigt.

Ungeklärt ist nach wie vor die Bilanz wie auch die zukünftige Struktur und das zukünftige Ausmaß der Förderung arbeitsmarktbezogener Maßnahmen durch die Europäische Union und die daraus abzuleitenden Folgen für das Land Niedersachsen. Vorstellungen der Landesregierung zur Gestaltung des Europäischen Sozialfonds (ESF), der Gemeinschaftsinitiativen und anderen bisher als sinnvoll und nützlich erlebten Maßnahmen sind bisher nicht deutlich geworden.

Benachteiligte Jugendliche zeichnen sich durch z. T. erhebliche erzieherische, bildungs- und entwicklungsbezogene Defizite aus. Die nachweisbaren Integrationsleistungen der Jugendhilfe drohen durch das mit der Hartz-Gesetzgebung intendierte vorrangige Ziel der schnellen Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt verdrängt zu werden. Somit besteht die Gefahr, dass bestimmte Bedarfslagen junger Menschen nicht erkannt werden und dass eine pädagogische Entwicklungsstrategie mit einzelnen Jugendlichen zur Bewältigung sozialer Benachteiligung, individueller Beeinträchtigung und daraus resultierendem erhöhten sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf nicht verfolgt werden kann.

Es erscheint dringend notwendig, dass der Auftrag der Jugendhilfe weiterhin als eigenständiges Angebot wahrgenommen und ausgefüllt wird. Dazu gehört auch die präventive Arbeit in Schulen und die Kooperation mit Schulen. Die konzeptionellen Prinzipien der Jugendhilfe wie Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit und Lebensweltorientierung haben sich als Grundlage der praktischen Arbeit bewährt. Diese Prinzipien könnten durch die Vernetzung mit anderen Einrichtungs- und Maßnahmeträgern sowie mit Jobcentern, Arbeitsgemeinschaften und Optionsträgern bewahrt und weiter professionell ausgebaut werden.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Maßnahmen und Vergabebedingungen, Finanzierungsstrukturen

Wie viele Jugendliche sind derzeit (Stand April 2005) in Niedersachsen ohne Ausbildungsplatz?

Wie viele Jugendliche haben sich bei den Berufsberatungen als Ausbildungsplatz suchend gemeldet?

Welche Schulabschlüsse bringen die Ausbildungsplatz suchenden Jugendlichen mit?

Wie viele junge Menschen bis 25 Jahre sind zurzeit erwerbslos (Stand April 2005)?

a) Welche berufsvorbereitenden Maßnahmen gibt es zurzeit in Niedersachsen?

b) Wie ist die konkrete Spezifizierung/Zielgruppenausrichtung der berufsvorbereitenden Maßnahmen?

Wie viele arbeitslose und ausbildungsplatzlose Jugendliche sind derzeit in temporären Maßnahmen schulischer, außerschulischer und berufsvorbereitender Art (z. B. in Langzeitpraktika, BVJ, EQJ, sonstigen Betriebspraktika, Rehamaßnahmen) untergebracht?

Wie viele Jugendliche befinden sich in außer- und überbetrieblichen Ausbildungsplätzen?

a Welche berufsvorbereitenden Maßnahmen für Menschen bis 25 Jahre enthalten Qualifizierungsanteile, und mit welchem Zeitkontingent sind diese Qualifizierungsanteile ausgestattet?

b) Wie werden diese Qualifizierungsanteile für den Träger finanziert?

Wie viele ausgebildete junge Menschen bis 25 Jahre haben keinen Arbeitsplatz?

1.10. Welche Ausbildungswege werden für behinderte Jugendliche (geistig-, seelisch-, körper-, lern- und mehrfachbehinderte Jugendliche) bereitgehalten? Welche sind geplant?

1.11. a) Wie ist die Beantragung und Bewilligung von Rehabilitationsmaßnahmen für diese Zielgruppen nach In-Kraft-Treten des SGB II geregelt?

b) Wie viele Rehamaßnahmen wurden für die Zeit ab 01.01.2005 beantragt?

c) Wie viele sind bisher bewilligt worden?

d) Wie viele sind noch unbearbeitet?

1.12. a) Welche weiteren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmeprogramme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gibt es in Niedersachsen?

b) Welche Kriterien liegen den jeweiligen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zugrunde?

c) Wie hoch ist der Qualifizierungsanteil in diesen Maßnahmen?

1.13. a) In welcher Quantität und Qualität wird es so genannte Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten oder auch Mehraufwandsentschädigungen (MAE) für Jugendliche und junge Menschen bis 25 Jahre geben?

b) Wie viele Anträge liegen bisher bei den zuständigen Stellen auf Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten vor?

c) Wer sind die Träger dieser Arbeitsgelegenheiten?

d) Wie soll das Kriterium der Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit bei solchen Arbeitsgelegenheiten beachtet und kontrolliert werden?

e) Wie hoch werden die Regiekosten, wie hoch die Qualifizierungskosten pro Person angesetzt?

f) Welche Perspektive wird den Menschen nach Beendigung der MAE zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt gegeben?

1.14. Wie werden berufsvorbereitende, qualifizierende und sonstige, auf Integration in Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zielende Maßnahmen in Niedersachsen im Einzelnen mit welchen Laufzeiten finanziert?

a) Welchen Anteil an der Finanzierung hat das Land?

b) Welchen Anteil an der Finanzierung hat die EU?

c) Welchen Anteil haben die Kommunen?

d) Welchen Anteil hat der Bund?

e) Welchen Anteil haben die durchführenden Träger?

1.15. Welche Änderungen in den Finanzierungszuständigkeiten zu den in den Fragen 1.12 und genannten Maßnahmeprogrammen ergeben sich zwingend durch das ab dem 01.01.2005 geltende SGB II? 1.16. a) Bei welchen der genannten Maßnahmen wird sich das Land 2005 oder 2006 zu welchem Zeitpunkt zulasten welcher Leistungsträger zurückziehen?

b) Welchen Anteil müssen welche Leistungszuständigen für die unter den Fragen 1. und 1.14 genannten Maßnahmen ab wann aufbringen?

c) In welcher Höhe kommt es dadurch zu Einsparungen beim Land?

d) Wird dies Auswirkungen auf die bisherigen Kofinanzierungen durch die EU haben, und ist deshalb mit Rückforderungen der EU zu rechnen?

1.17. In welcher Höhe wird das Land die ersparten Mittel an die Kommunen weitergeben? Auf welcher gesetzlichen Basis wird dies geschehen (AGSGB II, FAG u. a.)? Wird es eine Zweckbindung der an die Kommunen weitergegebenen Mittel geben?

2. Vergabebedingungen und Trägerpraxis

a) Welche berufsvorbereitenden, berufsqualifizierenden und sonstigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen unterliegen dem Gebot der Ausschreibung in Losen?

b) Wie werden die Lose für den Raum Niedersachsen bei welchen Programmen und Angeboten inhaltlich und regional konzipiert?

Wie werden bei den Maßnahmen, die ausgeschrieben werden (müssen), die vorhandenen regionalen Angebotsstrukturen angemessen berücksichtigt?

Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es bei der Beauftragung neuer Träger bei den Berufsvorbereitungsmaßnahmen oftmals an Erfahrungen in den Kriterien Leistungsfähigkeit, regionale Verankerung und Kenntnisse der örtlichen Arbeitsmarkt- und Vernetzungsstrukturen fehlt?

Wie viele Träger mussten bisher aufgrund der Ausschreibungspraxis der BA Insolvenz anmelden?

Bei welchen Trägern hat die Ausschreibungspraxis der BA Ausgründungen nach sich gezogen?

Welche Auswirkungen hat die Vergabepraxis auf die benachteiligten Jugendlichen gehabt?