„Säumige Kunden ruinieren Handwerker" - Schwere Vorwürfe auch gegen Land als öffentlicher Auftraggeber

Unter der Überschrift „Säumige Kunden ruinieren Handwerker" und der Feststellung im Untertitel „Gerade die öffentlichen Auftraggeber begleichen ihre Rechnungen oft viel zu spät" berichtet die HAZ in ihrer Ausgabe vom 1. April 2005 über schwere Vorwürfe gegen private und öffentliche Auftraggeber. Der Bericht bezieht sich auf eine Umfrage der Handwerkskammer Hannover, wonach 40 % der befragten Betriebe gewohnt seien, „30 Tage und mehr auf ihren Verdienst zu warten."

Mehr als ein Viertel der Befragten hat das Verhalten der öffentlichen Hand mit „mangelhaft oder ungenügend" bewertet. 52 % der kommunalen und staatlichen Auftraggeber ließen der Umfrage zufolge die Rechnungen länger als einen Monat liegen, 7 % drei Monate oder mehr. Die präzisen Vorwürfe gegen die öffentliche Hand werden ergänzt durch den Hinweis, dass sich auch die Zahlungsmoral der privaten Kunden „in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert habe".

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover, Jans Paul Ernsting, zeichnet ein Szenario, wonach das „widerwillige Bezahlen" in Kombination mit schlechter Konjunktur, zurückgehenden Aufträgen und Konkurrenz durch Schwarzarbeit zu schweren volkswirtschaftlichen Schäden führe. Er schätzt nach dem Bericht in der HAZ, „dass die Außenstände der Handwerksbetriebe in der Region sicher in die Millionen Euro gehen, wenn nicht in die Milliarden." Ernsting fordert laut HAZ: „Trotz knapper Kassen müsste zumindest die öffentliche Hand pünktlich zahlen."

In einem groß aufgemachten Bericht hat die HAZ das Thema schlechte Zahlungsmoral und Konsequenzen für Handwerksbetriebe unter der Überschrift „Zahlen, bitte!" problematisiert. Adressaten der Handwerkerkritik sind eindeutig auch die öffentlichen - staatlichen und kommunalen - Auftraggeber.

Es muss im Interesse des Landes Niedersachsen liegen, dass vertraglich vereinbarte Zahlungsfristen eingehalten werden. Es kann und darf nicht sein, dass ungerechtfertigte Zahlungsverzögerungen Betriebe und Unternehmen in ihrer Existenz bedrohen. Es kann und darf aber auch nicht sein, dass Regelverletzungen und mangelhafte Zahlungsmoral zu Unrecht der öffentlichen Hand angelastet werden. Deshalb ist nach Auffassung Betroffener dringende und zügige Klärung der von der Handwerkskammer Hannover erhobenen Vorwürfe gegen die säumigen öffentlichen - staatlichen und kommunalen - Auftraggeber geboten. Für den Fall berechtigter Vorwürfe seien diese unverzüglich abzustellen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Umfrageergebnisse der Handwerkskammer Hannover im Zusammenhang mit mangelnder Zahlungsmoral und deren Auswirkung auf Handwerksbetriebe?

2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen ihr über Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Zahlungsfristen für staatliche (Landes-) und kommunale Aufträge im Verhältnis zu den vom Handwerk veröffentlichten Ergebnissen vor?

3. Wie stellen sich die Vergleichzahlen für einzelne Ressorts bei Aufträgen an Handwerksbetriebe dar?

4. Welche Gründe kann die Landesregierung für verzögerte Zahlungen anführen?

5. Wie beurteilt sie die in der Berichterstattung angesprochenen Probleme im Handwerk durch zurückgehende Aufträge auch der öffentlichen Hände angesichts der historisch tiefsten Investitionsquote von 7,2 % beim Land Niedersachsen und der Streichung von 150 Mio. Euro kommunaler Mittel im niedersächsischen Finanzausgleich?

6. Wie wird sie sich zu den Maßnahmen der Bundesregierung verhalten, die, flankiert durch das von der SPD in Niedersachsen vorgeschlagene Investitionsprogramm, gezielt Aufträge und Arbeit für das Handwerk initiieren würden?

Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über vertragswidrige Nichteinhaltung von Zahlungsfristen durch Landesdienststellen vor. Vielmehr werden Rechnungen umgehend bearbeitet und bezahlt, allein schon um eingeräumte Skontoabzüge nutzen zu können. Insoweit hat die Erklärung, die der Fragesteller in seiner damaligen Funktion als niedersächsischer Finanzminister in einer Presseinformation vom 19.10.2001 abgegeben hat, dass nämlich „die gelegentlich gemeldete Kritik an schlechter Zahlungsmoral ausdrücklich nicht für das Staatliche Baumanagement gelte und das Land seiner Verantwortung als öffentlicher Bauherr nachkommt und seine Aufgaben vorbildlich erfüllt", weiterhin Gültigkeit.

Dennoch hat die Landesregierung auf die erhobenen Vorwürfe hin eine exemplarische Erhebung im Staatlichen Baumanagement durchgeführt. Eine Auswertung auf der Grundlage der 2004 gezahlten 42 412 Rechnungen hat ergeben, dass in 91 % der Fälle fristgerecht gezahlt wurde. Als Gründe für die nicht fristgerechte Zahlung in den restlichen Fällen sind anzuführen:

­ Der Auftragnehmer hat eine nicht nachprüfbare Rechnung vorgelegt.

­ Es besteht Streit über den Umfang der erbrachten Leistung und die Höhe des Rechnungsbetrages.

­ Das Land macht ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängelansprüchen geltend.

Die mit der Bearbeitung von Rechnungen befassten Beschäftigten werden darüber hinaus laufend in Schulungsveranstaltungen nachdrücklich auf die vereinbarten und daher einzuhaltenden Zahlungsfristen hingewiesen, um eine gleichbleibend hohe Bearbeitungsqualität zu gewährleisten. Außerdem sind die Dienststellen nach Änderung der Zahlungsfristen durch die neu gefasste VOB/B 2002 ausdrücklich auf die neuen Regelungen aufmerksam gemacht worden.

Die Auftragnehmer sind aufgefordert, die Landesregierung bei den Bemühungen um vertragskonformes Verwaltungshandeln zu unterstützen und sich mit konkreten Angaben an die Aufsicht führenden Dienststellen zu wenden, damit Vorwürfen ggf. nachgegangen werden kann.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich im Namen der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die zitierte Umfrage stellt auf den Anteil der angeblich säumigen öffentlichen Auftraggeber ab. Ihr lässt sich nicht entnehmen, ob Dienststellen des Landes zu den 59 % der Auftraggeber, die Zahlungen nicht fristgerecht entrichten, oder zu den 41 % der von der Kritik nicht betroffenen Auftraggeber gehören. Außerdem lassen die Beanstandungen außer Acht, dass bei Bauleistungen gemäß § 16 Nr.3 VOB/B die Zahlungsfrist bei Schlussrechnungen 60 Tage beträgt und daher eine nach 30 Tagen geleistete Zahlung nicht in jedem Fall eine Säumnis darstellt. Für Vorwürfe gegen das Land bietet die Umfrage daher keine ausreichende Grundlage. Ohne eine Spezifizierung der Angaben kann die Landesregierung keine fundierte Einschätzung der Situation vornehmen.

Zu 2: Zu den Landesaufträgen s. o.

Über die Einhaltung von Zahlungsfristen bei kommunalen Aufträgen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Derartige Überprüfungen sind nicht Aufgabe der Kommunalaufsicht und waren in der Vergangenheit auch nicht Gegenstand der überörtlichen Kommunalprüfung.

Zu 3: Zahlen liegen der Landesregierung nicht vor und sind angesichts der Datenmenge und der dezentralen Aufgabenerledigung auch nicht mit vertretbarem Aufwand zu erheben.

Zu 4: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

Zu 5: Angesichts der Finanzlage des Landes ist es erforderlich, alle Aufgabenbereiche kritisch auf Einsparpotenziale zu überprüfen, um den notwendigen Abbau der Nettokreditaufnahme realisieren zu können. Hierzu gehört es u. a. auch, die Investitionsausgaben - allerdings mit Ausnahme bestimmter Schwerpunktsetzungen, wie den Bau des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven - auf ihr unabweisbares Erfordernis zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Neben anderen einschneidenden Ausgabenkürzungen war aus diesem Grunde auch eine mit der Verteilungssymmetrie in Einklang stehende Absenkung der Steuerverbundquote erforderlich, die durch die jüngste Steuerschätzung bestätigt wurde.

Bei der Betrachtung der Investitionsquote 2005 ist zu berücksichtigen, dass investitionswirksame Aufgaben in erheblichem Umfang außerhalb des Landeshaushalts getätigt werden. Würde das entsprechende Investitionsvolumen in die Berechnung der Investitionsquote einbezogen, ergäbe sich für 2005 eine Quote, die sich auf dem Niveau der Vorjahre bewegt. Insoweit wird auf die Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der 60. Sitzung des niedersächsischen Landtages am 22. April 2005 verwiesen.

Zu 6: Maßnahmen der Bundesregierung zur Initiierung gezielter Aufträge und Arbeit für das Handwerk sind der Landesregierung nicht bekannt.