Großwohnanlagen

Ferner beschäftigte sich der Ausschuss mit dem neuen Meldegesetz. Während unser Koalitionspartner und auch wir, die CDU, bei der Weitergabe von Daten aus dem Melderegister an politische Parteien an der Widerspruchslösung festgehalten haben, sprach sich die Opposition für die Einwilligungslösung aus. Vom Ausschuss wurde auch festgestellt, dass die Weitergabe von Daten aller Wahlberechtigten an eine Partei, so, wie es in Bremerhaven geschehen ist, ein Verstoß gegen das Bremische Meldegesetz ist. Der Ausschuss sprach sich dafür aus, dass eine Gewährleistung bestehen muss, dass Sperrvermerke bei der Erstellung des Wählerverzeichnisses berücksichtigt werden.

Bei dem elektronischen Einbürgerungsverfahren geht der Ausschuss davon aus, dass demnächst ein Datenschutzkonzept vorgelegt wird. Dies fehlt bei Judit, in der Justizvollzugsanstalt und beim Ärztlichen Dienst. Wie mir aber signalisiert worden ist, soll das auch im nächsten Monat behoben werden.

Lange hat sich der Ausschuss auch mit den Anforderungen von Sozial- und Ausländerakten durch das Rechnungsprüfungsamt in Bremerhaven befasst.

In einer nichtöffentlichen Sitzung in Bremerhaven gab der Magistratsdirektor eine Stellungnahme dazu ab. Es werden Richtlinien für die Aktenherausgabe erstellt. Der ganze Vorgang ist noch nicht abgeschlossen, und wir werden hier noch weiter tätig sein müssen.

Ferner beschäftigte sich der Ausschuss mit der Videoüberwachung bei der stationären Pflege und in Großwohnanlagen sowie mit der Novellierung des neuen Polizeigesetzes. Einen breiten Raum nahm auch der Bericht der Verwaltung über die Möglichkeiten der Kontrolle missbräuchlicher Arzneimittelverrechnungen ein. Dies ist aber, das kann ich hier sagen, nicht nur ein Bremer, sondern ein bundesweites Problem. In vielen Fällen wird vermutet, dass eine sehr enge Kooperation zwischen dem verordnenden Arzt und der abrechnenden Apotheke besteht. Auch in Bremen wurden die Organisationen aufgefordert, entsprechende Daten an die Apotheken- oder Ärztekammern zu leiten. Die Krankenkassen leiten die entsprechenden Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht weiter.

Allen Beteiligten ist klar, dass Rezeptmanipulationen ohne die Verwendung der entsprechenden Abrechnungsdaten nicht aufgedeckt werden können, da sich weder der Arzt noch die betreffende Apotheke freiwillig bereit erklären, ihre Abrechnungsdaten den entsprechenden Stellen anonymisiert zuzuleiten. Auch hier ist Handlungsbedarf angesagt, und wir hoffen alle, dass im neuen Bundesdatenschutzgesetz in dieser Richtung Änderungen eingearbeitet werden.

Wir haben uns, und ich möchte mich jetzt auch kurz fassen, beschäftigt mit dem am Zentralkrankenhaus. Wir haben uns mit der Datensammlung der Telefonanbieter über Kunden befasst. Wir haben über Nebenbeschäftigungsanzeigen diskutiert und auch über Kinderpornographie auf Internetseiten. Wunschkennzeichen über Internet war ein Thema, Konsequenzen einer Melderechtsänderung für die in Bremerhaven bestehenden DV-Verfahren und Zugriff der GEZ auf Meldedaten. Dies alles wurde im Ausschuss behandelt. Dazu kamen aktuelle Datenschutzprobleme, Beschwerden von Einzelpersonen, und auch die Wiederbesetzung der Stelle des Datenschutzbeauftragten wurde mehrmals energisch, das möchte ich hier betonen, im Ausschuss angesprochen.

Wir haben bei der letzten Bürgerschaftssitzung endlich nach zähem Ringen einen neuen Datenschutzbeauftragten gewählt. An dieser Stelle, er sitzt ja heute hier, möchte ich als Vorsitzender des Ausschusses nicht versäumen, dem neuen Datenschutzbeauftragten bei seiner Arbeit alles Gute zu wünschen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte die Bürgerschaft (Landtag), den Bemerkungen des Datenschutzausschusses beizutreten. ­ Danke schön!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Vizepräsident Dr. Kuhn: Bevor ich Ihnen das Wort gebe, verehrte Kollegin, möchte ich ganz herzlich zwei Gruppen begrüßen. Hier auf meiner rechten Seite, damit das nicht verwechselt wird, die diesjährigen Schafferinnen, und auf der linken Seite des Hauses von mir aus gesehen, Mitglieder der CDU aus Bremen-Nord! Herzlich willkommen in unserem Haus!

(Beifall)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Schwarz.

Abg. Frau Schwarz (SPD): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich bei unserem Präsidenten für die technische Unterstützung! 1983 hat das Bundesverfassungsgericht das berühmte und so genannte Volkszählungsurteil verkündet und hat zum ersten Mal in einer Rechtsprechung den Begriff des informationellen Selbstbestimmungsrechtes geprägt und benutzt. Diese Rechtsprechung und die Medienreaktion, im Vorlauf und auch hinterher, hat im großen Umfang dazu beigetragen, dass dieser Begriff, dass die Bedeutung des Datenschutzes in der Gesellschaft erkannt und diskutiert worden sind. Es war ein Bewusstsein um diese Begriffe, wie es vorher nicht gewesen ist, und ich denke, es hat sehr geprägt, was auch in der Folgezeit an Diskussionen gelaufen ist. Bei dem Datenschutz geht es nicht um Schutz von Daten. Es geht hier um den Schutz von Menschen, um den Schutz der Würde des Menschen, um den Schutz der Persönlichkeitsrechte.

Ich gehöre einer Generation an, für die das Buch von George Orwell 1984, so der Titel, eine Art Kultbuch geworden war. In diesem Buch wird die beklemmende Vision einer beklemmenden Utopie dargestellt. Hier ist es ein diktatorischer Unrechtsstaat, der eine totale Überwachung über seine Bürger und Bürgerinnen ausübt. The big brother is watching you, Der große Bruder beobachtet dich, so war der Slogan dieses Buches in einer sehr beklemmenden Form.

Dieses Buch ist 1949 erstmalig herausgegeben worden. Zu dieser Zeit gab es keine technischen Möglichkeiten, diese erschreckende Vision in die Realität des Alltags umzusetzen. Heute wäre es von der technischen Gestaltung kein Problem mehr.

Ohne die Diskussion, ohne das Wissen über das informationelle Selbstbestimmungsrecht, ohne die Rechtsvorschriften des Datenschutzes und ohne die technischen Möglichkeiten des Datenschutzes, wäre es so utopisch, wenn ein solcher Überwachungsstaat à la Orwell heute vorhanden wäre? Ich bin sehr froh, dass in unserer Landesverfassung der Begriff des Datenschutzes verankert ist. Es ist für mich auch kein Zufall, dass in der EU-Charta als Grundrecht der Datenschutz, das informationelle Selbstbestimmungsrecht, verankert ist.

Gönnen Sie mir einmal einen Scherz im Zusammenhang mit einem Satz, den Burkhard Hirsch bei einer Vortragsveranstaltung gehört hat! Da rief ihm ein Zuhörer zu, als Burkhard Hirsch die Sinnhaftigkeit des Datenschutzes erläutern wollte: Ich habe nichts zu verbergen! Darauf soll Burkhard Hirsch geantwortet haben: Sie armer Teufel!, und soll nachher, in einem persönlichen Gespräch noch eine Illustration vorgetragen haben ­ sie ist nicht verbürgt, sie ist mir als Gerücht genannt worden ­: Beate Uhse, ich bin sicher, keiner von Ihnen hier kennt dieses Unternehmen!

(Abg. Die Bremse ist wichtig. Sie bremst ab, wenn etwas zu gefährlich wird und etwas zu schnell wird.

Datenschutz darf natürlich Sinnvolles nicht blockieren. Datenschutz muss aber Gefährdung der Persönlichkeitsrechte verhindern. Das ist wichtig!

Wenn neue Datenverarbeitungssysteme eingeführt werden, kann es sogar häufig auftauchen, dass Datenschutz nicht eine Bremse ist, sondern ein Beschleunigungsinstrument ist, um eine Akzeptanz dieser neuen Bereiche zu erreichen. Herr Knäpper hat zum Beispiel E-Government dafür angeführt.

Hier haben wir auch das Beispiel von Elster, wo der Datenschutz nicht ausreichend verankert ist. Wir haben Media@Komm mit dem Stichwort digitale Signatur. Ohne entsprechenden Datenschutz hätten diese Bereiche keinen Chance auf Akzeptanz der Bevölkerung. Im wirtschaftlichen Bereich haben wir hier E-Business und E-Commerce, und es gibt Untersuchungen im In- und Ausland, Meinungsumfragen, die klar bestätigen, das ist keine Behauptung, sondern bewiesen, dass hier eine vernünftige Datenschutzgestaltung zum Marketingerfolg beiträgt.

Bei der Einführung neuer Datenverarbeitungssysteme ist es sehr wichtig, dass von Beginn an der Datenschutz ausreichend berücksichtigt wird. Datenschutz verhindert nicht die Technikeinführung.

Wichtig ist nur, dass beides zeitgleich passiert, dann ist immer möglich. Jede datenschutzgerechte Technikgestaltung, so lehrt die Erfahrung, ist vorhanden, bitte ­ ein Appell an alle, die damit beruflich zu tun haben ­, nur rechtzeitig den Datenschutz beteiligen! Datenschutz wendet sich nicht gegen Technik, Datenschutz ist mit Hilfe von Technik möglich.

Herr Knäpper hat einige Beispiele angeführt, in denen sorgfältig abgewogen werden muss. Das sehe ich genauso, Herr Kollege. Beim Datenschutz ist es nicht immer einfach, die Grenze zu ziehen zwischen dem Schutz des Einzelnen und den Interessen des Staates und den Interessen des Gemeinwohls. Im Inland zumindest haben wir eine ausreichende Regelungsdichte. Es müssen Einzelfallentscheidungen getroffen werden, bei denen sorgfältig abgewogen werden muss, nicht nur im Strafrechtsbereich oder bei der Strafverfolgung. Hier ist ein ausreichender Ermessensspielraum geboten, und ich bin sicher, die hier Entscheidungsberechtigten sind in der Lage, die Sorgfalt, die geboten ist, auch auszuüben.

Herr Knäpper hat bereits das Polizeigesetz angeführt. Hier sind im großen Umfang datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen gewesen. Ich bin sehr froh, dass so viele Bereiche hier in der Novellierung Eingang gefunden haben. Herr Knäpper hat schon auf diese Datenschutz hingewiesen. Ich halte sie für eine sehr sinnvolle Sache. Wichtig ist nur, das haben wir im Datenschutzausschuss gerade von der SPD-Fraktion auch sehr energisch betont, dass zwischen der die gegründet werden soll, und der Dienststelle des Datenschutzbeauftragten eine ganz klare Trennung erfolgt. Die Dienststelle hat die hoheitliche Aufgabe wahrzunehmen. Die neu zu gründende hat ein Beratungszentrum. Sinnvoll ist dies deswegen schon, weil zu dem Datenschutz sehr viele neue Aufgaben gekommen sind. Aber ich wiederhole noch einmal: Wichtig ist die klare Kompetenztrennung, denn sonst, denke ich einmal, ist der hoheitliche Aspekt nicht zu gewährleisten.

Ich wünsche allen Bediensteten der Dienststelle des Datenschutzbeauftragten und neuen Mitarbeitern der neu zu gründenden dass sie durchaus auf getrennten Wegen, aber partnerschaftlich sich der Aufgaben des Datenschutzes annehmen, und ich wünsche allen viel Erfolg! ­ Bei Ihnen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU) Vizepräsident Dr. Kuhn: Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Abg. Frau Stahmann (Bündnis 90/Die Grünen) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch heute habe ich wieder ein Bild des Bürgermeisters dabei, der sich gestern geoutet hat, dass er nicht ein PC-Freak ist, und zwar steht darunter, das ist der 22. Bericht des Datenschutzbeauftragten: Hurra und Glück für den Datenschutz! Kein Milleniumcrash in der Bremer Verwaltung! Da habe ich mir überlegt, wem er das entspannte Lächeln eigentlich zu verdanken hat. Vielleicht nicht auch ein wenig dem Datenschutzbeauftragten oder der Datenschutzbehörde hier im Land Bremen? Ich glaube schon, der Datenschutz hat damit ein bisschen zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Befragt zur Wichtigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz: Herr Scherf, ich sage das noch einmal ganz offen, da haben Sie mich ein bisschen entsetzt und auch betrübt. Mein Kollege Schramm hat Sie hier ja ganz offensiv gefragt, warum die Stelle denn so lange unbesetzt gewesen ist, und Sie haben hier gesagt, das hätte keiner gemerkt. Ich glaube, das Haus hat Ihnen ganz deutlich gezeigt, dass wir das sehr wohl gemerkt haben, dass eine so wichtige Stelle hier im Amt so lange unbesetzt geblieben ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) Aber vielleicht waren Sie auch nicht sonderlich überzeugt, denn es gab ja fachlich überzeugende Stellungnahmen der Datenschutzbehörde, die sich ganz kritisch mit den neuen Gesetzesvorhaben wie dem Polizeigesetz oder der jahrelang vertrödelten Reform des Melderechts auseinander gesetzt haben.

Die fünfundvierzigseitige Stellungnahme zum Polizeigesetz war gewiss nichts für die sonnigen Gemüter der Kuschelkoalition. Das lasse ich einmal hier hingestellt.

Heute debattieren wir diesen Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Er ist so dick wie nie zuvor, meine Damen und Herren. Ich denke, das ist auch noch einmal hier zu würdigen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen ­ Abg. Eckhoff [CDU]: In der letzten Ausgabe der Grünen ist noch von Rosenkrieg die Rede! Jetzt ist es wieder die Kuschelkoalition!)

Ich halte fest, Herr Eckhoff: Datenschutz ist kein Schwerpunkt der großen Koalition gewesen, vielmehr war es ein Sparstrumpf, und das trotz oben genannter Gesetzesvorhaben, die eigentlich Mammutprojekte sind!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Datenschutz, Datensicherheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das haben meine Vorredner hier auch erwähnt, sind kein unmodernes Recht und auch kein angestaubtes Recht. Sie sind sehr modern. Es sind elementare Rechte, die in der Informationsgesellschaft eine wichtige Rolle spielen.