Integrationsbestrebungen

Man wird am Ende sehen, was dabei herauskommt und welche Mehrheiten sich bilden. Es gibt aber für uns keine einleuchtende Begründung dafür als lediglich jene, man will den bisherigen Misserfolg der Maßnahme in einen Erfolg umkehren ­ wenn es denn einer ist! ­, und dies unter anderem unter Herabsetzung der Gebühr. Dabei merke ich an, Herr Güldner hat es auch angesprochen, ich halte allerdings den Betrag von über 200 000 DM schon für erheblich, wenn man die Verwaltungskosten ins Verhältnis setzt, die dafür anfallen, wenn man hier die Einbürgerung in der Weise vornehmen würde, wie Antragsberechtigte vorhanden sind.

Ich kann dem Senat nur empfehlen, sich der erneuten Initiative im Bundesrat zu verweigern. Auch im Zusammenhang mit den Integrationsbestrebungen des Senats halte ich diese Regelung für wenig hilfreich. Wenn Bremen mit 20 Prozent Anträgen der potentiellen Antragsberechtigten bundesweit einen Spitzenplatz einnimmt, rechtfertigt das keine weitere Fristverlängerung und widerspricht im Übrigen dem Vorwurf an den Senat, nur mangelnde Informationspolitik betrieben zu haben.

Meine Damen und Herren, ich will jetzt noch aus der Vorlage der Innendeputation einige Punkte zitieren, die nicht in der Mitteilung des Senats enthalten sind, weil in der Tat die Unterschiedlichkeit der Auffassungen zwischen Sozialdemokraten und uns oder den Grünen und Sozialdemokraten und uns bestanden hat. Ich möchte diese aber wie gesagt nicht vorenthalten, deswegen zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten: Erstens: Das Staatsangehörigkeitsrecht ist eine hoch komplexe und sensible Materie, das die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse der Bürgerinnen und Bürger für einen langen Zeitraum regeln soll. Es bedarf in einem besonderen Maße der Kontinuität und Verlässlichkeit. Es widerspricht dieser notwendigen Kontinuität, wenn eine Regelung nach nur einem Jahr schon wieder geändert werden soll.

Auch die vom Bundesinnenminister jüngst angesetzte Kommission für Zuwanderungsfragen lässt es geboten erscheinen, eine Gesamtregelung anzustreben und auf kurzfristige Teiländerungen zu verzichten.

Zweitens: Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach Paragraph 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz ist mit der Optionspflicht verbunden. Dabei handelt es sich um eine äußerst aufwendige, bürokratische und von den zuständigen Behörden nur schwer vollziehbare Regelung.

Drittens: Die Zahl der Einbürgerungsanträge ist schon immer weit hinter der Zahl der Antragsberechtigten zurückgeblieben. In der Vergangenheit lag die Quote im Mittel bei nur etwa fünf Prozent.

Da Anträge mangels Geschäftsfähigkeit der Kinder aber nur von den Eltern gestellt werden können, kann es nur zu Einbürgerungsanträgen in nennenswertem Umfang kommen, wenn ein Umdenken bei den betroffenen ausländischen Eltern stattfindet.

Viertens: Die Einbürgerung nach Paragraph 40 b ist nicht abschließend. Zwar werden die Kinder vorübergehend unter Beibehaltung der Staatsangehörigkeit der Eltern zu Deutschen, müssen aber mit Volljährigkeit für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit optieren. Die Eltern bürden ihren Kindern also einen möglichen Gewissenskonflikt auf. Hingegen ist der vorübergehende Nutzen des deutschen Passes für die Kinder eher klein.

Kinder, deren Eltern entsprechend den Einbürgerungsvoraussetzungen nach Paragraph 40 b eine Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzen, verfügen über einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Die mit dem deutschen Pass verbundenen Vorteile wie zum Beispiel Teilnahme an Wahlen, freier Zugang zum Arbeitsmarkt, Vorteile beim Reisen wegen meist günstigerer Visabestimmungen für Deutsche spielen für Minderjährige keine oder kaum eine Rolle. Die betroffenen Eltern ziehen es deshalb offenbar vor, es ihren Kindern zu überlassen, ihre eigene Einbürgerung später selbst zu beantragen.

Fünftens: Die Einbürgerung nach Paragraph 40 b wendet sich vollends von dem Grundsatz der staatsangehörigkeitsrechtlichen Familieneinheit ab.

Sie trennt das staatsangehörigkeitsrechtliche Schicksal sowohl von dem der Eltern als auch von dem der Geschwister. Die in Bremen insgesamt, das heißt auch ohne die Einbürgerungsanträge nach Paragraph 40 b gegenüber dem Vorjahr gestiegenen Antragszahlen bestätigen, dass viele Eltern verschiedene Staatsangehörigkeiten innerhalb der Familie ablehnen und deshalb die Einbürgerung nicht allein nur für ihre Kinder, sondern gemeinsam, zumindest zusammen mit einem Elternteil, betreiben.

Sechstens: Die Einbürgerungsgebühr kann nicht als wesentliches Hemmnis bei der Inanspruchnahme der Regelung nach Paragraph 40 b betrachtet werden. So hat Hamburg generell bei der Einbürgerung von mehreren Kindern einer Familie ab dem zweiten Kind die Gebühr auf 100 DM ermäßigt, desgleichen bei Kindern aus sozial schwachen Familien. Eine signifikante Steigerung der Antragszahlen blieb jedoch dennoch aus.

Ich glaube, diese Gründe sprechen eindeutig dafür, den Antrag der Grünen abzulehnen, und dabei bleiben wir!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Nächster Redner ist der Abgeordnete Tittmann. Abg. Tittmann (DVU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Sicht von Multikulti-Propagandisten lassen Einbürgerung und Eindeutschung nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts ausländischer Kinder zu wünschen übrig. Beklagt wird nun eine eher zögerliche Inanspruchnahme des Einbürgerungsanspruchs.

Meine Damen und Herren, im Lande Bremen wurden nach Mitteilung des Senats im vergangenen Jahr 3011 Einbürgerungsanträge gestellt, und 1999 wurden 1845 Anträge gestellt. Das macht eine Zunahme von sage und schreibe 63 Prozent aus.

Aber das langt Ihnen ja noch immer nicht. Nun heißt es, es müssten noch mehr, noch größere Anreize geschaffen werden.

Meine Damen und Herren, während die Zahl der Geburten deutscher Kinder ständig abnimmt, kommen hierzulande immer mehr Kinder ausländischer Eltern zur Welt. In der Zeit von 1990 bis 1999 wurden allein im kleinsten Bundesland Bremen über 11 700 Ausländerkinder geboren. Darüber sollten Sie sich vorrangig Gedanken machen. Der Grund liegt nämlich klar auf der Hand: Es ist Ihre deutschfeindliche Familienpolitik und Kinderpolitik und sonst gar nichts!

Der Mitteilung des Senats kann entnommen werden, davon dürften in etwa 30 Prozent der Fälle ein Elternteil die erforderlichen aufenthaltsrechtlichen Genehmigungen und Voraussetzungen für die Einbürgerung des Kindes erfüllen. Das bedeutet, dass zirka 3511 Kinder für eine entsprechende Einbürgerung in Betracht gekommen wären. Weiter heißt es: Die Zahl der Anträge liegt mit 699 vollständigen Anträgen immerhin bei rund 20 Prozent. Bremen übertrifft also insoweit den bundesdeutschen Trend. Es bleibt festzustellen, dass das Interesse der betroffenen ausländischen Eltern an einer Einbürgerung ihrer Kinder äußerst gering ist.

Meine Damen und Herren, wenn aber ausländische Eltern ihre Kinder nicht eindeutschen lassen wollen, so sollten wir das respektieren, statt gewissermaßen Druck für eine Germanisierungswelle auszuüben. Sie sind doch sonst auch immer so tolerant, also akzeptieren Sie den Willen der Eltern! Der mangelnde Nachschub soll durch die Verlängerung der Antragsfrist und gesetzliche Gebührenfreiheit für Einbürgerungsverfahren, bisher 500 DM, nun gewissermaßen durch einen zu erwartenden Ansturm von Einbürgerungen ausgeglichen werden.

In Berlin hat man sich deshalb einfallen lassen, den Anspruch von in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Herkunft auf die deutsche Staatsangehörigkeit um sogar zwei Jahre zunächst zu verlängern. Eine entsprechende Ergänzung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts fand im Bundestag bereits in der ersten Lesung eine Mehrheit. Die bisherige Regelung ist zum Jahresende 2000 ausgelaufen. Bundesweit war die Regelung im vergangenen Jahr von nur zehn Prozent der Berechtigten in Anspruch genommen worden. Das, meine Damen und Herren, sagt doch schon alles!

SPD-Bundesinnenminister Schily rechnete 1999 mit rund 200.000 Einbürgerungen plus 100 000 Kinder ausländischer Eltern, die hier geboren wurden und jetzt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen. Die so genannte Ausländerbeauftragte und Ex-Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft vom Bündnis 90/Die Grünen, Frau Beck, fieberte ja sogar einer Million Einbürgerungen entgegen. Ginge es also nach den Grünen, dann soll die offene Republik weitgehend nicht mehr deutsch sein.

Frau Beck und ihre inländerfeindliche Fraktion setzen dabei vor allem auf türkischen Beistand, wohl nicht zuletzt auch aus der Hoffnung auf kommende Wählerstimmen heraus, weil sie auf der Grundlage ihrer Politik, Castor-Transporte, Kriegseinsätze und so weiter, nicht einmal mehr von der eigenen Basis gewählt werden.

Doch was sagen anerkannte Bevölkerungswissenschaftler zur mit Nachdruck gewollten Masseninvasion und Eindeutschung von Multikulti-Propagandisten? Herr Präsident, ich darf zitieren. Da sagt zum Beispiel Professor Dr. Schmidt von der Universität Bamberg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 1. November 1999, und nun hören Sie genau zu, meine Damen und Herren von den Grünen und von der SPD: Würde man die Alterung der deutschen Bevölkerung mit Einbürgerung aufhalten wollen, dann erfordert das bis zu einer Million jüngerer Menschen jährlich. Ein solcher Vorgang wäre weder zu administrieren noch zu finanzieren, geschweige denn kulturell zu integrieren. Weiter heißt es: Der implosive Sog abwärts hat eine Dimension, die keine Multikultur und kein durch westliche Verfassung domestiziertes Babylon in ihrer Wirkung aufhebt. Schließlich: Ethnische Konflikte, Säuberungen und Seperatismen werden an der Tagesordnung sein. (Unruhe)

Das müssen Sie einmal richtig nachlesen! Nur einer, meine Damen und Herren, von vielen verantwortungsbewussten Wissenschaftlern, die gegen Überfremdungswahn warnend die Stimme erheben!

Anstatt Ihren Überfremdungswahn mit aller Gewalt durchsetzen zu wollen, sollten Sie lieber im Sinne einer familien- und kinderfreundlichen Politik großzügige staatliche Hilfe zugunsten deutscher Familien und Mütter durchsetzen. Statt etwa Einbürgerungsgebühren für Ausländerkinder zu streichen, sollten Sie lieber 1000 DM monatlich pro Kind deutschen Familien zur Verfügung stellen! Das, meine Damen und Herren, wäre eine zwingend erforderliche Investition zur Sicherung der Zukunft unseres deutschen Volkes. ­ Ich bedanke mich!

Vizepräsident Ravens: Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Möbius.

Abg. Frau Möbius (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Herrn Tittmann von der DVU möchte ich sagen: Ihre Äußerungen zu diesem Thema sind für das gesamte Haus einfach nur beschämend, (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen ­ Zuruf des Abg. Tittmann [DVU]) und es erübrigt sich jeglicher Kommentar zu Ihrer Hetze!

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es wird Sie kaum überraschen, dass wir als SPD-Fraktion in der Sache der Position der Grünen sehr nahe sind.

Gegen den zum Teil leider auch bitteren Widerstand der CDU haben wir, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der Bundesregierung 1999 endlich ein modernes, offenes Staatsangehörigkeitsrecht vorlegen können. Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das bis dahin übrigens immer noch Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz hieß, haben wir den seit vielen Jahren hier lebenden, zu einem beträchtlichen Teil auch hier geborenen Ausländern das Angebot gemacht, sich einbürgern zu lassen, also Deutsche zu werden. Damit sollte das in Sonntagsreden ebenso beliebte wie falsche Wort von den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern endlich auch eingelöst werden, denn erst mit der Einbürgerung können auch Migrantinnen und Migranten wirklich die Bürgerrechte, darunter das wichtigste, das Wahlrecht, wahrnehmen.

Aber heute reden wir über den Antrag der Grünen mit dem unsere Zustimmung verdienenden Titel Einbürgerung von Kindern fördern. Natürlich findet die SPD-Bürgerschaftsfraktion die Verlängerung der Antragsfrist für die Einbürgerung von Kindern richtig. Natürlich wünschen wir uns auch eine Senkung oder gar eine Befreiung der Einbürgerungsgebühr, wie von der Bundesregierung gewollt.

Die Bundesregierung plant, und das wurde letzte Woche auch entsprechend von der SPD-Bundestagsfraktion eingebracht und im Plenum diskutiert, eine Fristverlängerung der Einbürgerung der Kinder unter zehn Jahren, und zwar bis zum Ende 2002.

Meine persönliche Meinung: Obwohl natürlich das Abstimmungsverhalten dem völlig konträr ging, und Sie wissen, wir sind in einer großen Koalition, kann ich nur dem Senat auch empfehlen, sich dieser Initiative anzuschließen. Hierzu ist eine Gesetzesänderung mit einem entsprechenden förmlichen Gesetzgebungsverfahren nötig, so dass mit dem einer Veränderungsregelung frühestens Ende des Jahres, wahrscheinlich 2001, zu rechnen ist.

Die Behauptung des Antrags der Grünen, die vergleichsweise geringe Antragstellung von Kindern habe mit der mangelhaften Informationspolitik des Senats zu tun, sehen wir nicht so. In Bremen haben immerhin zirka 20 Prozent der antragsberechtigten Kinder einen Antrag gestellt beziehungsweise deren Eltern, im Bundesdurchschnitt nur etwa zehn Prozent. Insofern stehen wir im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr gut da. Im Übrigen weist der Bericht der Innendeputation völlig zu Recht darauf hin, dass es über kaum eine andere Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts eine so ausführliche Diskussion und Berichterstattung in den Medien gegeben hat wie bei dieser. Dies immerhin haben wir der ansonsten unsäglichen Kampagne der CDU damals zu verdanken, Kinder statt Inder und so etwas.

(Widerspruch bei der CDU)

Darüber hinaus hat es aber auch zahlreiche Informationen des Senats gegeben. Auf sozialdemokratische Initiative hin ­ übrigens auch gegen die Häme des Koalitionspartners, diese Diskussion habe ich noch sehr gut im Ohr ­ hat es mehrsprachige Informationsbriefe der Ausländerbeauftragten an die ausländischen Eltern der berechtigten Kinder gegeben.

Aber man kann natürlich nie genug tun, wie mein Kollege Hermann Kleen schon bei der letzten Debatte sagte. Die Information ist eigentlich erst dann ausreichend, wenn sie alle Betroffenen auch wirklich erreicht hat. Wir Sozialdemokraten unterstützen die Pläne der Bundesregierung, denn Bürgerinnen und Bürger für Bremen gewinnen und für Bremen begeistern, Herr Bürgermeister, bedeutet, dass man sie erst einmal zu Bürgerinnen und Bürgern macht.

Den Antrag der Grünen lehnen wir naturgemäß ab. Vizepräsident Ravens: Nächster Redner ist der Abgeordnete Herderhorst.

Abg. Herderhorst (CDU) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann das relativ kurz machen, will aber doch nicht versäumen, zwei Punkte aufzugreifen, die Frau Möbius hier eben angesprochen hat. Das Eine ist: Frau Möbius, mit Verlaub, wenn die Deputation, der Sie ja auch angehören, der Bürgerschaft empfiehlt, den Antrag der Fraktion nicht zu unterstützen, dann, denke ich, ist das eindeutig. Wenn Sie sich dann hier hinstellen und sagen, aber wir fordern trotzdem auf, dann finde ich das etwas unglücklich.

(Beifall bei der CDU)

Das Zweite ist: Was man für unsäglich halten kann, darüber kann man in der Tat geteilter Meinung sein.

Ich sage Ihnen jedenfalls, das, was die Bundesregierung vorhatte mit der doppelten Staatsangehörigkeit, nämlich eine doppelte Staatsangehörigkeit ohne Wenn und Aber zu verleihen, haben wir glücklicherweise durch eine Kampagne verhindert.