Demografische Entwicklung - Herausforderung für die Schulpolitik

Die demografische Entwicklung in Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem starken Rückgang der Schülerzahlen und der Schulabsolventinnen und -absolventen führen.

Zugleich werden die Qualifikationsanforderungen an die Schulabsolventen steigen, damit durch eine höhere Arbeitsproduktivität der Rückgang der Erwerbsbevölkerung ausgeglichen werden kann.

Für Niedersachsen prognostiziert die Kultusministerkonferenz einen Rückgang der Schülerzahlen von 2005 bis 2015 um 13,8 % und bis 2020 um 18,1 %. Von diesem Rückgang wird bis 2015 vor allem der Primarbereich mit 18 % betroffen. Bis 2020 wird auch beim Sekundarbereich I der Rückgang auf 17 % ansteigen. Die Entwicklung wird in Niedersachsen jedoch regional unterschiedlich verlaufen, d. h., in einigen Regionen wird der Rückgang noch deutlich stärker ausfallen.

In dünn besiedelten Regionen wird der Schülerrückgang - wie schon heute in den ostdeutschen Bundesländern - erhebliche Probleme bereiten, z. B. flächendeckend ein wohnortnahes Schulangebot aufrechtzuerhalten. Dieses Problem wird um so schwieriger zu bewältigen sein, wenn die Landesregierung bei ihrer Festlegung bleibt, dass in der Sekundarstufe I mindestens vier verschiedene Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Förderschule) nebeneinander angeboten werden müssen. Unter dieser Prämisse wird es nur dadurch zu lösen sein, dass auch sehr kleine Schulen zugelassen werden, was hohe Personalkosten verursachen würde, oder dass den Schülerinnen und Schülern sehr weite Schulwege zugemutet werden.

Die Zahl der Schulabgänger und -abgängerinnen der allgemein bildenden Schulen wird nach den Prognosen der KMK bis zum Jahr 2013 noch ansteigen und dann bis 2015 wieder in etwa auf den heutigen Stand zurückzugehen. Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl dann gegenüber 2005 um 13 % abfallen.

Nach den Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Kultusministerkonferenz wird die Zahl der Arbeitsplätze, die Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern, relativ und absolut ansteigen, während die Zahl der Arbeitsplätze, die keinen Schulabschluss oder einen Hauptschulabschluss erfordern, deutlich sinken wird. Deshalb sind massive Anstrengungen erforderlich, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die keinen oder nur einen Hauptschulabschluss erlangen, massiv zu verringern und den Anteil, der die Fachhochschul- und Hochschulreife erlangt, deutlich zu erhöhen. Insbesondere müssen auch die Begabungsreserven bei den Kindern aus zugewanderten Familien und aus sozial benachteiligten Familien besser ausgeschöpft werden.

Wir fragen die Landesregierung:

A. Entwicklung der Schülerzahlen und der Schullandschaft in Niedersachsen

1. Wie werden sich nach den Prognosen der Landesregierung die Schülerzahlen und die Zahlen der Schulabgänger und -abgängerinnen in Niedersachsen bis 2015 und bis 2020 in absoluten Zahlen und prozentual entwickeln, differenziert nach Schulformen bzw. nach Schulabschlüssen?

2. Wie wird sich nach ihren Prognosen der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler sowie der Schulabgängerinnen und -abgänger bis 2015 und bis 2020 entwickeln?

3. Wie werden sich nach ihren Prognosen die Schülerzahlen in den einzelnen Landkreisen in Niedersachsen bis 2015 und bis 2020 in absoluten Zahlen und prozentual entwickeln, differenziert nach Schulformen?

4. Welche Mindestzügigkeit und welche Mindestjahrgangsbreite sollten nach Auffassung der Landesregierung unter pädagogischen und unter organisatorischen Aspekten auch künftig nicht unterschritten werden?

5. Wie viele und welche Schulen in Niedersachsen unterschreiten bereits heute die nach der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung vorgeschriebene Mindestzahl der Klassenverbände oder Lerngruppen pro Jahrgang (Mindestzügigkeit), differenziert nach Schulformen und nach Landkreisen?

6. Wie viele und welche Schulen der Sekundarstufe I in Niedersachsen unterschreiten heute eine Mindestjahrgangsbreite von 40 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang?

7. Wie viele und welche Schulen würden in Niedersachsen angesichts des prognostizierten Schülerrückgangs vermutlich im Jahr 2015 oder im Jahr 2020 die Mindestzügigkeit unterschreiten, wenn auf Schulschließungen verzichtet würde, differenziert nach Schulformen,

a) wenn die derzeitige Verteilung auf die Schulformen konstant bleiben würde,

b) wenn der Trend der Zunahme bei den Gymnasien und der Abnahme bei den Hauptschulen anhalten würde?

8. Wie viele und welche Schulen der Sekundarstufe I würden in Niedersachsen angesichts des prognostizierten Schülerrückgangs vermutlich im Jahr 2015 oder im Jahr 2020 eine Mindestjahrgangsbreite von 40 Schülerinnen und Schülern bzw. von 30 Schülerinnen und Schülern unterschreiten, wenn auf Schulschließungen verzichtet würde, differenziert nach Schulformen,

a) wenn die derzeitige Verteilung auf die Schulformen konstant bleiben würde,

b) wenn der Trend der Zunahme bei den Gymnasien und der Abnahme bei den Hauptschulen anhalten würde?

9. Wie viele und welche Schulen der Sekundarstufe I müssten vermutlich bis 2015 bzw. bis 2020 in Niedersachsen geschlossen werden, wenn die Mindestzügigkeit von zwei Klassenverbänden pro Jahrgang eingehalten werden sollte, differenziert nach Schulformen,

a) wenn die derzeitige Verteilung auf die Schulformen konstant bleiben würde,

b) wenn der Trend der Zunahme bei den Gymnasien und der Abnahme bei den Hauptschulen anhalten würde?

10. Wie viele und welche Schulen der Sekundarstufe I müssten vermutlich bis 2015 bzw. bis 2020 in Niedersachsen geschlossen werden, wenn eine Mindestjahrgangsbreite von 40 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang eingehalten werden sollte, differenziert nach Schulformen,

a) wenn die derzeitige Verteilung auf die Schulformen konstant bleiben würde,

b) wenn der Trend der Zunahme bei den Gymnasien und der Abnahme bei den Hauptschulen anhalten würde?

11. Welcher Schulweg (Strecke bzw. Dauer) sollte nach Auffassung der Landesregierung den Schülerinnen und Schülern in der Primarstufe, in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II künftig maximal zugemutet werden?

12. Für welche Schulen in welchen Landkreisen in Niedersachsen beträgt heute der Einzugsbereich mehr als 300 km² bzw. mehr als 500 km², differenziert nach Schulformen?

13. In welchen Landkreisen in Niedersachsen müssen die Schülerinnen und Schüler, die in den Randbereichen der Schuleinzugsbereiche wohnen, heute einen Schulweg von mehr als 45 Minuten zurücklegen, um ihre Schule zu erreichen, differenziert nach Schulformen?

14. In welchen Landkreisen in Niedersachsen müssten die Schülerinnen und Schüler, die in den Randbereichen der Schuleinzugsbereiche wohnen, einen Schulweg von mehr als 45 Minuten zurücklegen, um in der Sekundarstufe I ihre Schule zu erreichen, wenn Schulen der Sekundarstufe I geschlossen würden, die bis zum Jahr 2015 bzw. bis zum Jahr 2020 voraussichtlich

a) die Mindestzügigkeit von zwei Klassen pro Jahrgang unterschreiten,

b) eine Mindestjahrgangsbreite von 30 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang unterschreiten, differenziert nach Schulformen?

15. Welches Konzept hat die Landesregierung, um bei den absehbar zurückgehenden Schülerzahlen auch im Jahr 2015 und darüber hinaus auch in der Fläche ein vollständiges wohnortnahes Schulangebot aufrechterhalten zu können?

16. Welchen zusätzliche Bedarf an Lehrerstellen mit welchen Mehrkosten für das Land Niedersachsen errechnet die Landesregierung für das Jahr 2015 und für das Jahr 2020 nach den heutigen Schülerzahlenprognosen, wenn auch Schulen der Sekundarstufe I mit einer Jahrgangsbreite von

a) weniger als 40 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang b) weniger als 30 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang weiter bestehen würden?

B. Entwicklung des Qualifikationsbedarfs der Arbeitskräfte in Niedersachsen

1. Wie werden sich nach den Prognosen der Landesregierung die Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes an die Abschlüsse der Schulabgänger und -abgängerinnen bis zum Jahr 2015 und darüber hinaus entwickeln?

2. Welche Konsequenzen zieht sie aus der Prognose, dass der Anteil der Arbeitsplätze, für die kein Schulabschluss oder ein Hauptschulabschluss erforderlich ist, weiter deutlich absinken wird?

3. Welche Konsequenzen zieht sie aus der Prognose der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung, dass der Bedarf an Hochschulabsolventen weiter steigen wird und schon ab 2010 zu einer Knappheitssituation führen könnte?

4. Mit welchen Konzepten und Maßnahmen will sie erreichen, dass die Begabungsreserven bei Kindern aus Migrantenfamilien und aus sozial benachteiligten Familien besser ausgeschöpft werden?

Niedersachsen steht vor tief greifenden Veränderungen in der Bevölkerungsentwicklung. Der demografische Wandel hat nachhaltige Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche der Gesellschaft und der Politik. Die sich abzeichnende Entwicklung ist eine Herausforderung, der von allen Seiten aus begegnet werden muss.

Junge Menschen sind die Zukunft einer Gesellschaft, sie bilden die Grundlage für den Fortbestand und die Weiterentwicklung eines Landes. Um jungen Menschen heute und morgen Perspektiven und optimale Möglichkeiten zu eröffnen, kommt der Erziehung, Bildung und Ausbildung eine herausragende Bedeutung zu. Die Landesregierung hat sich sofort nach dem Regierungswechsel mit dem Gesetz zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten sowie durch eine Vielzahl weiterer Aktivitäten auf den Weg gemacht, ein modernisiertes und zukunftsfähiges Schulwesen für Niedersachsen zu gestalten, das begabungsgerecht, durchlässig und wohnortnah ist und dessen Qualität ständig und systematisch verbessert wird.

Viele Schulträger haben die vielfältigen Möglichkeiten, die ihnen die Schulstrukturreform eröffnet hat, zur Optimierung ihrer jeweiligen örtlichen Schullandschaft genutzt, sie haben ihre Schullandschaft neu geordnet oder das Schulangebot erweitert.