Warum verweigert die Landesregierung einer niedersächsischen Beamtin eine Verlängerung der Dienstzeit über die gesetzliche Pensionsgrenze?

An der Grundschule Etzhorn unterrichtet eine Lehrkraft mit einem außergewöhnlich guten pädagogischen Konzept. Elternschaft und Schulleitung sind gleichermaßen begeistert von der hohen Unterrichtsqualität der Beamtin. Gegenwärtig unterrichtet die Beamtin eine 3. Klasse der Grundschule.

Sie hat allerdings in diesem Jahr das Pensionsalter erreicht. Die Beamtin hat angeboten, ein weiteres Schuljahr zu unterrichten, damit die Beurteilung für die weitere Schullaufbahn nach Klasse 4 von einer Pädagogin mit intensiven Kenntnissen in Bezug auf die Schülerschaft getroffen werden kann. Die Elternschaft und die Schulleitung unterstützen die Weiterbeschäftigung der Lehrerin nachdrücklich. Neben ihrem guten pädagogischen Konzept ist sie wohl die einzige Lehrkraft, die auch Schwimmunterricht erteilen kann. Zudem ist eine Lehrkraft an der Schule gegenwärtig orthopädisch erkrankt, und es ist nicht absehbar, wie lange die Rekonvaleszenz dauern wird. Desweiteren sind die Anmeldezahlen an der Grundschule hoch, sodass im nächsten Schuljahr ein weiterer Klassenzug eingerichtet werden soll.

Die Lehrerin hat angeboten, das zusätzliche Jahr zu ihren gesetzlichen Pensionsbezügen zu absolvieren, sodass dem Land keine Mehrkosten entstehen würden. Einen entsprechenden Antrag auf Weiterbeschäftigung an die Landesschulbehörde in Osnabrück hat sie gestellt. Das Niedersächsische Beamtengesetz (NBG) lässt nach § 52 eine Weiterbeschäftigung zu, wenn dienstliche Belange dafür sprechen. Dennoch hat die Landesschulbehörde eine Dienstzeitverlängerung der Lehrerin abgelehnt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum schickt die Landesregierung eine hoch motivierte Lehrerin, die weiter arbeiten möchte, gegen ihren Willen in den Ruhestand?

2. Hält die Landesregierung einen Klassenlehrerwechsel nach der 3. Klasse angesichts der besonderen Bedeutung der 4. Klasse für die weitere Schullaufbahn der Schülerinnen und Schüler für pädagogisch sinnvoll?

3. Wann liegt ein dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung einer Lehrkraft über das vollendete 65. Lebensjahr nach § 52 Abs. 1 NBG vor?

4. Fallen auch pädagogische Beweggründe unter dienstliches Interesse nach § 52 Abs. 1 NBG? Falls nein, warum nicht?

5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, eine hoch qualifizierte und motivierte Lehrkraft anderweitig zu beschäftigen?

6. Beabsichtigt die Landesregierung, gesetzliche Änderungen im Niedersächsischen Beamtengesetz vorzunehmen, damit zukünftig motivierte und qualifizierte Landesbedienstete über ihre gesetzliche Lebensarbeitszeit hinaus beschäftigt werden können?

7. Warum sieht die Landesregierung keinen Wertungswiderspruch in der Tatsache, dass einerseits das Pensionsalter von Polizisten heraufgesetzt wird und es Forderungen nach einer generellen Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit gibt und andererseits einer Beamtin eine Beschäftigung über die Pensionsgrenze hinaus verwehrt wird?

Nach § 51 Abs. 2 NBG tritt eine im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehende Lehrkraft mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, in dem das Schulhalbjahr endet, in welchem sie die Altersgrenze (65. Lebensjahr) erreicht. Der Eintritt in den Ruhestand durch Erreichen der Altersgrenze erfolgt kraft Gesetzes.

Nach § 52 Abs. 1 NBG kann - wenn es im dienstlichen Interesse liegt - der Eintritt in den Ruhestand mit Zustimmung der Beamtinnen und Beamten über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, hinausgeschoben werden, jedoch nicht länger als bis zum vollendeten 68. Lebensjahr.

Der Sinne und Zweck der in § 52 NBG getroffenen Regelung liegt in der Schaffung eines gewissen Bewegungsspielraumes hinsichtlich des Eintritts in den Ruhestand; die Vorschrift soll die Möglichkeit erweitern, Beamtinnen und Beamte (mit ihrem Einverständnis) auch noch über die Altersgrenze hinaus beschäftigen zu können, wenn es dienstlich geboten ist.

Wie sich aus der Formulierung des Gesetzestextes ergibt, regelt § 52 Abs. 1 NBG nur ein Hinausschieben der Altersgrenze von Amts wegen, ein freiwilliges längeres Verbleiben im Dienst räumt die Regelung im Gegensatz zur bundesbeamtenrechtlichen Regelung in § 41 Abs. 2 BBG, die auch ein Antragsrecht für Bedienstete vorsieht, nicht ein. Die Regelung dient somit allein den Belangen der Verwaltung, die Beamtinnen oder Beamten selbst haben weder einen Anspruch noch ein Antragsrecht auf ein Hinausschieben der Altersgrenze.

Das Hinausschieben der Altersgrenze muss im dienstlichen Interesse liegen. Es muss im Einzelfall erforderlich sein, die Dienstgeschäfte durch eine bestimmte Beamtin oder einen bestimmten Beamten fortführen zu lassen. Ein eine Ausnahme rechtfertigendes besonderes dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung muss bestehen, das über die Bewältigung der Schwierigkeiten, die mit dem Ausscheiden eines oder einer bestimmten Bediensteten üblicherweise verbunden sind, hinausgeht. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben müsste schwer beeinträchtigt sein, falls die bestimmte Beamtin oder der bestimmte Beamte die Dienstgeschäfte nicht fortführte.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Lehrkraft hat im April 2005 das 65. Lebensjahr vollendet, so dass der Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes mit Wirkung vom 01.08.2005 erfolgt ist. Ein besonderes dienstliches Interesse an der Weiterbeschäftigung der Lehrkraft liegt nicht vor. Die Unterrichtsversorgung an der Grundschule Etzhorn ist auch nach dem Weggang der Lehrkraft gesichert, Ausfälle in der Unterrichtsversorgung können durch Abordnungen kompensiert werden.

Zu 2: Ein Wechsel der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers nach dem dritten Schuljahr sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Da jedoch die Langfächer in der Regel nicht nur durch die Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer unterrichtet werden, sondern auch noch durch eine zusätzliche Lehrkraft, ist noch mindestens eine andere Lehrkraft in der Lage, eine fundierte Aussage zum Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler abzugeben.

Zu 3: Im Schulbereich könnte ein dienstliches Interesse im Sinne des § 52 Abs. 1 NBG an der Weiterbeschäftigung einer Lehrkraft über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus bestehen, wenn nach dem Personalabgang die Unterrichtsversorgung der Schule nicht über Abordnungen, Versetzungen, Neueinstellungen oder andere personalwirtschaftliche Maßnahmen ausgeglichen werden kann und dadurch eine besondere Ausnahmesituation eintreten würde. Denkbar ist auch, dass die Schulleitung vor einer nicht vorhersehbaren Situation (außerordentlich viele Personalabgänge, nicht vorhersehbare Aufgaben) steht, so dass die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben ohne das Hinausschieben der Altersgrenze außergewöhnlich schwer beeinträchtigt sein würde.

Ein „normaler" Personalabgang, d. h. ohne besondere Umstände im Einzelfall und für den Dienstbetrieb genügt allerdings nicht den Anforderungen des § 52 NBG. Ein Lehrerwechsel, wie er zum Schulhalbjahresbeginn an den öffentlichen Schulen regelmäßig eintritt, vermag eine Ausnahme nicht zu rechtfertigen.

Zu 4: Ein ausschließlich pädagogisches Interesse reicht für eine Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus grundsätzlich nicht aus, da bei einem altersbedingten Ausscheiden ausreichend junge und hoch qualifizierte Lehrkräfte für eine Wiederbesetzung der Stelle zur Verfügung stehen.

Deshalb stimmt in solchen Fällen auch die Personalvertretung einer Weiterbeschäftigung in der Regel nicht zu.

Nur wenn die Fachkenntnisse einer bestimmten Lehrkraft für eine gewisse Zeit unverzichtbar sind, z. B. eine Lehrkraft in einem Mangelfach einen Abiturjahrgang zum Abitur führen muss, käme eine Weiterbeschäftigung über das 65. Lebensjahr hinaus in Betracht.

Zu 5: Angesichts der Arbeitslosigkeit jüngerer Nachwuchskräfte ist die Weiterbeschäftigung über das 65. Lebensjahr hinaus auch bei qualifizierten und motivierten Lehrkräften, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben, arbeitsmarktpolitisch nur in den oben aufgezeigten Ausnahmefällen zu vertreten. Zum letzten Einstellungstermin 22.08.2005 konnten in Niedersachsen an allgemein bildenden Schulen ca. 1 500 niedersächsische Bewerberinnen und Bewerber mit der Befähigung für Grund-, Haupt- und Realschulen nicht in den Schuldienst eingestellt werden. Die Blockierung von Stellen durch ältere, wirtschaftlich durch den Bezug einer Versorgung gesicherte Lehrkräfte ist daher in Anbetracht der schwierigen Arbeitsmarktsituation und der Arbeitslosigkeit, vor allem auch jüngerer Lehrerinnen und Lehrer, möglichst zu vermeiden.

Zu 6: Motivierte und qualifizierte Beamtinnen und Beamte können auch bereits heute über ihre gesetzliche Lebensarbeitszeit hinaus beschäftigt werden, dies allerdings nur bei Vorliegen eines dienstlichen Interesses. Diese Regelung entspricht einer bundesrechtlichen Vorgabe des Beamtenrechtsrahmengesetzes. Im Rahmen der anstehenden Novellierung dieses Gesetzes soll zusätzlich die Möglichkeit geschaffen werden, den Eintritt in den Ruhestand auf Antrag des Beamten oder der Beamtin um bis zu drei Jahre hinauszuschieben, wenn dienstliche Belange nicht entgegen stehen.

Diese Anspruchsgrundlage soll die Möglichkeit der Nutzung des Potenzials und des Engagements lebensälterer Beschäftigten weiter öffnen. Die niedersächsische Landesregierung wird diese auch durch die demografische Entwicklung gebotene Regelung übernehmen.

Zu 7: Aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte vermag die Landesregierung einen Wertungswiderspruch nicht zu erkennen.

Für die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten galt bisher und gilt auch weiterhin eine besondere Altersgrenze, die auf ihre spezifischen physischen und psychischen Belastungen Rücksicht nimmt.

Diese besondere Altersgrenze soll von 60 auf zukünftig 62 Lebensjahre heraufgesetzt werden. Die Heraufsetzung der Altersgrenze rechtfertigt sich insbesondere aufgrund der zwischenzeitlich erheblich geänderten Bedingungen im Polizeibereich vor allem aufgrund der eingetretenen Änderungen in den polizeilichen Organisationsstrukturen und Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den technischen Wandel.

Damit ist die Situation von Lehrkräften an allgemein bildenden Schulen nicht vergleichbar, die in Erfüllung des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrages bei der eigenverantwortlichen Gestaltung des Unterrichts von einer hohen pädagogischen Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler gekennzeichnet ist. Bei diesen Lehrkräften ist aufgrund unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung davon auszugehen, dass das Ende der Dienstfähigkeit regelmäßig mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht wird, so dass es nur in besonderen Fällen ermöglicht werden soll, den Eintritt in den Ruhestand hinauszuschieben.