Wann und wie ändert die Landesregierung die Arbeitszeitverordnung für die Berufsfeuerwehren in Niedersachsen?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2005 entschieden, dass die Tätigkeiten der Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehren grundsätzlich der EU-Arbeitszeitrichtlinie entsprechen müssen. Daher dürfen auch die Feuerwehreinsatzkräfte in der Regel nicht mehr als 48 Stunden pro Woche im Durchschnitt arbeiten. Darin enthalten ist der Bereitschaftsdienst. Der EuGH hat mit dieser Entscheidung eine vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Dezember 2003 vorgelegte Frage beantwortet. Grund ist ein anhängiges Verfahren vor dem BVerwG, in dem der Personalrat der Feuerwehr Hamburg die Feststellung fordert, dass es unzulässig ist, für den Feuerwehreinsatzdienst eine Dienstzeitgestaltung zu treffen, die eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit unter Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes von 48 Stunden übersteigt.

Die derzeitige Arbeitszeitverordnung des Landes Niedersachsen für Berufsfeuerwehren sieht vor, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten, die in der Woche mehr als 30 Stunden Bereitschaftsdienst leisten oder denen im Anschluss an den Bereitschaftsdienst eine Freizeit von gleicher Dauer gewährt wird, im Durchschnitt 56 Stunden beträgt (§ 1 Abs. 1 ArbZVO-Feu Nds.).

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wann wird sie die ArbZVO-Feu Nds. ändern?

2. Wird die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit - unter Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes - dann auf 48 Stunden in der Woche festgelegt?

3. Welcher Stellenmehrbedarf ergäbe sich aus der Arbeitszeitanpassung jeweils für die Berufsfeuerwehren Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück, Göttingen, Hildesheim, Salzgitter, Wilhelmshaven und Wolfsburg?

4. Welche Auswirkungen hätte diese Arbeitszeitanpassung für die anerkannten hauptberuflichen Werkfeuerwehren und die ständigen Wachbereitschaften von Freiwilligen Feuerwehren in Niedersachsen?

5. Was wird die Landesregierung veranlassen, damit es bei einer entsprechenden Anpassung der ArbZVO-Feu Nds. nicht dazu kommt, dass die Zahl der hauptamtlichen Einsatzkräfte einfach „heruntergefahren" wird und damit eine deutliche Verringerung der Stärke der Wachabteilungen (Quantitäts- und Qualitätsverlust) oder eine Mehrbelastung der Kräfte freiwilliger Feuerwehren einhergeht?

6. Wie will sie sicherstellen, dass bei einem erkennbaren Mehrbedarf von Feuerwehrdienstkräften aller Laufbahnen (mittlerer, gehobener und höherer Dienst) bei Umsetzung des EuGHUrteils und der EU-Arbeitszeitrichtlinie auch genügend Laufbahnbewerberinnen und -bewerber zur Verfügung stehen?

7. Schließt die Landesregierung aus, dass dieser personelle Mehrbedarf durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit (besondere Altersgrenze 60 Jahre) kompensiert wird?

Die Arbeitszeit für die niedersächsischen Beamten ist in § 80 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) geregelt. Sie darf grundsätzlich im Jahresdurchschnitt 40 Stunden in der Woche nicht überschreiten (§ 80 Abs. 1 NBG). Das Nähere hat die Landesregierung in der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten (Nds.ArbZVO) vom 6. Dezember 1996 (Nds. GVBl. S. 476), geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Januar 1999 (Nds. GVBl. S. 18), geregelt.

Soweit der Dienst in Bereitschaft besteht, kann die Arbeitszeit gemäß § 80 Abs. 3 NBG entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden. Im Zeitraum einer Woche dürfen 54 Stunden nur überschritten werden, wenn die Bereitschaft in diesem Zeitraum mehr als 30 Stunden beträgt oder im Anschluss an den Bereitschaftsdienst eine Freizeit von gleicher Dauer gewährt wird.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat hierzu ergänzend aufgrund des § 80 Abs. 9 NBG in Verbindung mit § 11 Nds. ArbZVO die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Feuerwehrdienstes der Gemeinden und Landkreise (ArbZVO-Feu) vom 13. Februar 1997 (Nds. GVBl. S. 60) erlassen. Durch § 1 ArbZVO-Feu ist die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Feuerwehrdienstes, die in der Woche mehr als 30 Stunden Bereitschaftsdienst leisten oder denen im Anschluss an den Bereitschaftsdienst eine Freizeit von gleicher Dauer gewährt wird, auf 56 Stunden festgelegt worden.

In Artikel 6 Abs. 3 der Richtlinie 93/104 EG des Rates, inzwischen abgelöst durch Artikel 6

Buchst. b) der Richtlinie 2003/88 EG des Europäischen Parlaments und des Rates, sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet worden, Maßnahmen zu treffen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro 7-Tageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Der Europäische Gerichtshof hat danach in mehreren, den ärztlichen Bereitschaftsdienst betreffenden Verfahren festgestellt, dass Bereitschaftsdienst grundsätzlich im vollen Umfang als Arbeitszeit anzusehen ist. In dem aktuellen Beschluss vom 14. Juli 2005 - C-52/04 - hat der Europäische Gerichtshof nunmehr entschieden, dass die Tätigkeiten, die von den Einsatzkräften einer staatlichen Feuerwehr ausgeübt werden, in der Regel in den Anwendungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie fallen, sodass die dortige Obergrenze von 48 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit grundsätzlich nicht überschritten werden darf.

Zurzeit läuft eine Initiative der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie 2003/88 EG, deren Beratung im Rat Ende 2005/Anfang 2006 erwartet wird. Der Änderungsvorschlag beinhaltet u. a. die Differenzierung zwischen aktiven und passiven Bereitschaftszeiten. Dazu hatte die Kommission vorgeschlagen, die inaktiven Bereitschaftszeiten, in denen ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht zur Ausübung seiner Tätigkeit aufgefordert wird, grundsätzlich nicht als Arbeitszeit anzurechnen. Das Europäische Parlament hat diesen Vorschlag abgelehnt. Es hat aber am 10. Mai 2005 zugestanden, dass inaktive Zeiten während des Bereitschaftsdienstes durch Tarifverträge oder Vereinbarungen zwischen den Tarifpartnern oder Gesetze und Verordnungen bei der Berechnung der vorgesehenen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit besonders gewichtet werden können. Die Kommission hat am 21. Mai 2005 an ihrer Position in modifizierter Fassung festgehalten. Die zunächst vorgesehene Behandlung des Themas im Rat, der nun über die Kontroverse im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 251 EG-Vertrag zu beschließen hat, ist im Juni 2005 vertagt worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Eine Anpassung der Niedersächsischen Vorschriften über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten ist erst dann sinnvoll und notwendig, wenn die in absehbarer Zeit geänderte Fassung der Richtlinie 2003/88 EG vorliegt. Sowohl die von der Kommission vorgeschlagene Nichtanrechnung von inaktiven Zeiten des Bereitschaftsdienstes als auch die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Gewichtung von inaktiven Zeiten bei der Anrechnung auf die Arbeitszeit würden Spielräume eröffnen, die ein völliges Abweichen von der bisherigen Arbeitszeitgestaltung entbehrlich machten.

In der Zwischenzeit können die Kommunen vor Ort auf Grundlage des so genannten Opt-out mit den Beschäftigten Vereinbarungen schließen und durch rechtskonforme Auslegung der geltenden landesrechtlichen Arbeitszeitvorschriften die Arbeitszeit der Berufsfeuerwehren gestalten. Nach Artikel 22 Abs. 1 der Richtlinie 2033/88 EG ist es einem Mitgliedstaat freigestellt, die Bestimmungen über die wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, durchschnittlich mehr als 48 Wochenstunden zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer hat sich in einer Vereinbarung über den Verzicht auf die Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit dazu bereit erklärt (so genanntes Opt-out).

Zu 2: Die Regelung in Artikel 6 der Richtlinie 2003/88 EG, wonach die durchschnittliche Arbeitszeit pro 7-Tageszeitraum 48 Stunden einschließlich Überstunden nicht überschreiten darf, wird die Landesregierung bei einer Neuregelung der Arbeitszeit für den Feuerwehrdienst berücksichtigen. Es wird auch in Betracht gezogen, das nach der EU-Richtlinie zulässige Opt-out-Verfahren in die landesrechtlichen Vorschriften zur Arbeitszeit zu übernehmen.

Zu 3: Ob und inwieweit ein dauerhafter Stellenmehrbedarf bei den Niedersächsischen Berufsfeuerwehren eintritt, lässt sich vor dem Hintergrund der eingangs dargelegten Vorschläge zur Änderung der Richtlinie 2003/88 EG und der zwischenzeitlich vor Ort praktizierten Lösungen nicht berechnen.

Zu 4: Hinsichtlich der hauptberuflichen Wachbereitschaften gilt das für die Berufsfeuerwehren Gesagte entsprechend. Die Werkfeuerwehren unterliegen nicht den dienstrechtlichen Vorschriften des Landes, sondern tarifvertraglichen Regelungen.

Zu 5: Gemäß § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes (NBrandSchG) müssen Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern - andere Gemeinden können - eine Berufsfeuerwehr aufstellen. Sie fallen hinsichtlich der ihnen nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben in den Verantwortungsbereich der Polizeidirektionen. Zu den Aufgaben des Landes gehört gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 NBrandSchG u. a. die Überprüfung der Feuerwehren auf ihre Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Darüber hinaus wird mit § 37 Abs. 1 NBrandSchG der Minister für Inneres und Sport ermächtigt, durch Verordnung Vorschriften zu erlassen, die die Mindeststärke, die Gliederung und die Mindestausrüstung der Feuerwehren einschließlich der Bereitschaften regeln. Diese Verordnungsermächtigung wurde bisher nur für die Freiwilligen Feuerwehren im Lande Niedersachsen umgesetzt.

Zu 6: Das Land Niedersachsen wäre mit der Niedersächsischen Landesfeuerwehrschule Celle (LFS Celle) im Zusammenhang mit der erforderlichen Laufbahnausbildung sowohl für den mittleren als auch den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst unmittelbar von einem personellen Mehrbedarf in den hauptberuflichen Feuerwehren in Niedersachsen betroffen. Mit Neuregelung der Laufbahnund Prüfungsverordnung für den feuerwehrtechnischen Dienst im Jahr 2001 finden hier die Laufbahnlehrgänge mit anschließender Laufbahnprüfung statt. Hierbei stellt der Laufbahnlehrgang mit Prüfung des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes eine Zwischenprüfung für die Ausbildung im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst dar. Die Terminierung der Lehrgänge erfolgt in enger Abstimmung mit den Ausbildungs- und Beschäftigungsstellen. Immer zur Jahresmitte (vor den Sommerferien) eines Kalenderjahres führte bisher die LFS Celle eine Konferenz der hauptberuflichen Ausbildungsleiter durch, um u. a. die Bedarfe der nächsten Jahre in Erfahrung zu bringen und diese in die Lehrgangsplanung einfließen zu lassen. Auf diese Weise konnte in den zurückliegenden Jahren eine 100%-ige Bedarfsabdeckung erreicht werden. Da eventuelle Auswirkungen einer veränderten Arbeitszeitregelung in Bezug auf die Inanspruchnahme der LFS Celle frühestens im Jahr 2007 zu erwarten sind, kann davon ausgegangen werden, dass mit der Lehrgangsplanung 2007 der dann aufgezeigte Bedarf auch gedeckt werden kann.

Die Ausbildungsabschnitte für die Laufbahnausbildung des höheren feuerwehrtechnischen Dienstes werden bundesweit organisiert. Die schulischen Abschnitte sind über mehrere Bildungseinrichtungen gestreut, die abschließende Laufbahnprüfung findet am Institut der Feuerwehr Nordrhein Westfalen (IdF NRW) in Münster statt, sodass kaum Auswirkungen für Niedersachsen zu erwarten sind.

Zu 7: In Artikel 1 (Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes) des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (Drs. 15/2170), das sich im Gesetzgebungsverfahren befindet, ist vorgesehen, dass die Beamten des Feuerwehreinsatzdienstes die Altersgrenze wie bisher mit der Vollendung des 60. Lebensjahres erreichen.