Warum hat die Spielbankenaufsicht so lange versagt?

In einer Pressemitteilung vom 28. August 2005 zum Betrug in der Spielbank Hannover hat das Niedersächsische Finanzministerium behauptet: „Staatliche Aufsicht im Spielbankenbereich erfolgreich". Das Finanzministerium erklärte: „Im Rahmen einer routinemäßigen Spielbankenkontrolle haben am 25. Mai Mitarbeiter der Spielbankenaufsicht des Niedersächsischen Finanzministeriums erste Unregelmäßigkeiten im Automatensaal der Spielbank Hannover festgestellt." Am 27. Juni 2005 wurde eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover gestellt. In der BILD vom 6. September 2005 wird Finanzminister Möllring mit der Aussage vom Morgen nach der Razzia (28. August 2005) zitiert: „Am 25. Mai wurden erste Unregelmäßigkeiten entdeckt. Wir gehen davon aus, dass die Manipulationen noch nicht lange liefen. Der Schaden beträgt 41 000 Euro. Die Aufsicht funktioniert exzellent." Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft offensichtlich davon aus, dass die Spielbankaffäre in Hannover schon seit langem läuft. Bereits Ende 2003 wurden offensichtlich die „einarmigen Banditen" betrügerisch manipuliert, wie jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt hat.

Die Neue Presse vom 6. September schreibt: „Die Betrugstaten waren Ende August aufgeflogen, weil die Spielbankenaufsicht des Finanzministeriums Videobänder ausgewertet hatte. Das häufige Öffnen der Automaten zu Betrugszwecken sei zwar schon auf älteren Bändern zu sehen; dies sei aber so geschickt gemacht worden, dass das System des Betruges erst spät klar wurde, so eine Sprecherin des Ministeriums." Offensichtlich hat es einen lang andauernden unentdeckten Betrug gegeben, dessen finanzielles Ausmaß weitaus größer ist als bisher angenommen. Daher muss dringend aufgeklärt werden, warum der Betrug erst sehr spät im seit Beginn dieses Jahres für die Gesamtaufsicht der Spielbanken zuständigen Finanzministerium aufgefallen ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum hat die Spielbankenaufsicht im Innen- bzw. Finanzministerium trotz vorhandener Videoaufzeichnungen, auf denen offensichtlich schon seit längerem das häufige Öffnen der Automaten zu Betrugszwecken zu erkennen war, und vorhandener Automatenprotokolle, die „Unregelmäßigkeiten" erst im Mai dieses Jahres entdeckt?

2. Hat es von irgendeiner Fachebene im Finanz- bzw. Innenministerium oder einer nachgeordneten Behörde bereits vor dem 25. Mai 2005 ein irgendwie geartetes Verdachtsmoment bezüglich eines möglichen Betrugs in der Spielbank Hannover gegeben?

3. Wann sind die „Unregelmäßigkeiten" dem Finanz- und/oder Innenminister zur Kenntnis gebracht worden?

4. Warum wurde erst am 27. Juni 2005, über einem Monat nachdem nach bisherigen Äußerungen des Finanzministers die „Unregelmäßigkeiten" entdeckt wurden, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover gestellt?

5. Seit wann fanden die betrügerischen Manipulationen in der Spielbank Hannover nach jetziger Kenntnis der Landesregierung statt?

6. Wie hoch ist nach derzeitigem Kenntnisstand der Landesregierung der durch die Manipulationen im Automatenspiel der Spielbank Hannover verursachte Schaden?

7. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter welcher Ministerien bzw. nachgeordneter Behörden waren vor bzw. sind jetzt nach der Neuordnung der Spielbankenaufsicht im Bereich der Spielbankenkontrolle tätig?

8. Welche personellen Veränderungen hat es im Bereich der Kontrolle der Spielbanken mit der Änderung der Spielbankenaufsicht gegeben?

9. Warum prüft das Finanzministerium erst jetzt ein Rotationsverfahren für Finanzbeamte, die als Aufsicht in Casinos arbeiten?

In erster Linie ist das Spielbankunternehmen für die Organisation und Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes verantwortlich. Die Spielbankaufsicht hat die Aufgabe, durch geeignete Maßnahmen zu kontrollieren, ob das Spielbankunternehmen einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb gewährleistet. Insoweit hat stets das Spielbankunternehmen die Hauptverantwortung, um Unregelmäßigkeiten im Spielbetrieb zu verhindern. Die Hauptverantwortung hat nicht die Spielbankaufsicht.

Mit dem In-Kraft-Treten des neuen Niedersächsischen Spielbankengesetzes zum 01.01.2005 ist die Aufsicht über die Spielbanken insgesamt im Niedersächsischen Finanzministerium und dessen nachgeordneten Geschäftsbereich gebündelt worden. Das Finanzministerium ist mit dieser Bündelung jetzt auch für die ordnungsrechtliche Kontrolle über die Spielbanken zuständig. Bereits vor InKraft-Treten des neuen Spielbankengesetzes waren die Finanzämter und damit der nachgeordnete Geschäftsbereich des Finanzministeriums für die Erhebung der Spielbank-, Zusatz- und Troncabgabe zuständig. Im Zusammenhang mit der Abgabenerhebung wurden und werden auch nach InKraft-Treten des neuen Spielbankengesetzes der Spielbetrieb und die Ermittlung des Bruttospielertrags und der Tronceinnahmen am Spielort laufend überwacht (Finanzaufsicht). Mit dem In-KraftTreten des neuen Spielbankengesetzes hat es im Zusammenhang mit der Organisation der Finanzaufsicht keine Veränderung gegeben. Bei der ordnungsrechtlichen Kontrolle der Spielbanken werden - wie in der Vergangenheit auch - insbesondere anlassbezogen Schwerpunkte gebildet.

Dies hat zur Folge, dass der Prüfungsumfang und die Prüfungsintensität in den einzelnen Spielbanken in Abhängigkeit von den jeweiligen temporären Schwerpunkten unterschiedlich sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Es lagen vor dem Mai 2005 keine Videoaufzeichnungen vor, auf denen schon seit längerem das häufige Öffnen der Automaten zu Betrugszwecken zu erkennen war.

Das Öffnen von Automaten während des Spielbetriebes gehört zum normalen Betriebsablauf in einer Spielbank - es stellt für sich betrachtet keinen auffälligen Vorgang dar, zumal Öffnungen der Geräte aufgrund des „Vier-Augen-Prinzips" nur in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Finanzaufsicht durchgeführt werden dürfen.

Über die Videoüberwachung sind zwar die handelnden Personen am Automaten zu identifizieren, die konkreten Handlungen im Geräteinneren sind jedoch überwiegend nicht zu erkennen, da die Mitarbeiter der Spielbank bzw. der Finanzaufsicht notwendigerweise vor dem Gerät stehen und somit mit ihren Körpern die Handlungen am und im Gerät verdecken.

Im Rahmen von Spielbankkontrollen durch die operative Spielbankaufsicht des Finanzministeriums werden u. a. auch verschiedene Protokolle des elektronischen Überwachungssystems der Automaten (Slot-Data-System) kontrolliert. Die bei den Manipulationen erzeugten Meldungen in den Protokollen beinhalten für sich betrachtet nicht zwangsläufig Hinweise auf mögliche Manipulationen, sondern spiegeln übliche betriebliche Abläufe wider (z. B. Öffnen der Geräte usw.). Erst das Zusammenfügen verschiedener Sequenzen aus dem Bereich der Videoüberwachung in Verbin dung mit der Auswertung der Automatenprotokolle ermöglichte einen Verdacht auf mögliche Manipulationen in der Spielbank Hannover.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass insgesamt ca. 75 000 DIN A 4 Seiten Automatenprotokolle und Videomaterial mit einer Datenmenge von 8 000 Gigabyte ausgewertet werden mussten, um die Manipulationen nachweisen zu können.

Zu 2: Zur Beantwortung wird auf die Antwort zu Frage 2 der Dringlichen Anfrage der Fraktion der SPD (Drs. 15/2196) verwiesen. Die Antwort ist dem Stenografischen Bericht über die 68. Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. September 2005 (S. 7730 f.) zu entnehmen. Darüber hinaus sind keine Verdachtsmomente bekannt.

Zu 3: Minister Möllring ist Anfang Juni dieses Jahres zunächst mündlich und ergänzend durch einen Vermerk vom 10.06.2005 schriftlich von seinen Mitarbeitern über den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten in der Spielbank Hannover informiert worden.

Zu 4: Zur Beantwortung wird auf die Antwort auf die Zusatzfrage des Fragestellers in der 68. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages am 15.09.2005 verwiesen. Die Antwort ist dem Stenografischen Bericht über die 68. Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 15.09.2005 (S. 7735) zu entnehmen.

Zu 5: Nach derzeitigem Ermittlungsstand ist es erstmals Anfang des Jahres 2003 zu Manipulationen im Automatensaal der Spielbank Hannover gekommen.

Zu 6: Zur Beantwortung wird auf die Antwort zu Frage 1 der Dringlichen Anfrage der Fraktion der SPD (Drs. 15/2196) in der 68. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages am 15.09.2005 verwiesen. Die Antwort ist dem Stenografischen Bericht über die 68. Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15.09.2005 (S. 7730) zu entnehmen.

Zu 7: Davon ausgehend, dass der Fragesteller mit „Spielbankenkontrolle" die Mitarbeiter der so genannten operativen Spielbankaufsicht, die vor Ort in den Spielbanken Kontrollen vornehmen, meint, waren im Jahr 2004 bei der Bezirksregierung Hannover ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes (100 %) und ein Mitarbeiter des mittleren Dienstes (ca. 50 %) mit den Aufgaben der operativen Spielbankaufsicht befasst.

Nach der Neuordnung der Spielbankaufsicht sind diese Mitarbeiter der Bezirksregierung Hannover in das Finanzministerium gewechselt. Der Mitarbeiter des gehobenen Dienstes (100 %) und der Mitarbeiter des mittleren Dienstes (100 %) nehmen jetzt im Finanzministerium die Aufgaben der ordnungsrechtlichen Kontrolle vor Ort in den Spielbanken wahr. Der Personaleinsatz ist insoweit um eine 0,5 Stelle im mittleren Dienst erhöht worden.

Zu 8: Siehe Antwort zu 7.

Zu. 9: Das Finanzministerium hat bereits im Jahr 2002 die Einführung eines Rotationsverfahrens für Mitarbeiter der Finanzämter, die mit den Aufgaben der Finanzaufsicht in den Spielbanken befasst sind, geprüft. Letztlich wurde Ende 2002 auf die Einführung einer Rotation aus personalwirtschaftlichen Gründen - wie in anderen Bundesländern auch - verzichtet. Stattdessen wurde die Dienst- und Fachaufsicht durch die Oberfinanzdirektion Hannover durch turnusmäßige, auch unangekündigte Dienstbesuche und regelmäßige Dienstbesprechungen mit den Leitenden Aufsichtsbeamten ver stärkt. Darüber hinaus wurden durch entsprechende Ausgestaltung der Dienstpläne regelmäßig interne Wechsel (interne Rotation) des in der Finanzaufsicht eingesetzten Personals vorgesehen, um eine dauerhafte Zusammenarbeit mit denselben Angestellten der jeweiligen Spielbank zu vermeiden.

Die Landesregierung hat die Einführung einer generellen Rotation in der Finanzaufsicht veranlasst.

Zukünftig wird es einen regelmäßigen Personalaustausch bei der Finanzaufsicht geben. Darüber hinaus sind die Finanzämter angehalten, bei der Erstellung der Dienstpläne für die Finanzaufsicht dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsichtsfunktion durch Rotation verbessert wird. Der Einsatz der Finanzaufsicht wird künftig ortsübergreifend im regelmäßigen Wechsel zwischen den Spielstätten des zuständigen Finanzamts, ggf. auch eines benachbarten Finanzamtsbezirks erfolgen. Im Interesse einer wirksamen Aufsicht wird eine Rotation zwischen den Spielstätten ggf. auch finanzamtsübergreifend eingeführt.