Frauenhandel bekämpfen - Opferschutz verbessern

Frauenhandel im Sinne einer Vermarktung von Frauen in der Prostitution, in Ehen und in illegale ausbeuterische Arbeitsverhältnisse ist ein weltweites Phänomen von dramatisch steigendem Ausmaß. Seit vielen Jahren wird in Niedersachsen Prostitutionstourismus sowie Menschen- insbesondere Frauenhandel bekämpft. Es gibt Erfolge, deshalb muss das bestehende Konzept zur Kooperation zwischen Polizei und Fachberatungsstellen weitergeführt werden. Eine erfolgreiche Strafverfolgung und Bekämpfung von Menschenhandel hängt wesentlich vom Aussage- und Anzeigeverhalten der Opfer ab. Die nachhaltige Bekämpfung von Menschen- insbesondere Frauenhandel in Niedersachsen muss ein zentrales Anliegen bleiben. Die bestehenden niedersächsischen Konzepte müssen weitergeführt und fortentwickelt werden, damit auch zukünftig erfolgreich gegen Menschenhandel vorgegangen werden kann.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

1. eine Arbeitshilfe „Bearbeitung von Fällen des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung" als Ermittlungshilfe und Unterstützung bei der Verdachtsgewinnung für die Polizeibehörden zu erarbeiten,

2. die derzeitigen Fortbildungsmöglichkeiten für Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafrichter zu erhalten und nach Maßgabe des Haushalts bedarfsorientiert und zielgruppenspezifisch Fortbildungsmöglichkeiten für Angehörige der Ermittlungsbehörden zu intensivieren,

3. im Rahmen der bestehenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Partnerregionen Niedersachsens in Polen und der Russischen Föderation das Thema Menschenhandel aufzugreifen und die Fachberatungsstellen in diese Arbeit einzubinden, soweit dies organisatorisch und finanziell möglich ist.

Der Landtag begrüßt

1. die Initiative der Landesregierung, ein ressort- und bereichsübergreifendes Präventionskonzept zu erarbeiten, um Menschenhandel bereits frühzeitig verhindern zu können, das insbesondere strukturierte Maßnahmen zum Informationsaustausch und zur Öffentlichkeitsarbeit enthalten sollte,

2. dass sich die niedersächsische Landesregierung im Bundesrat für die Einführung einer Kronzeugenregelung für Menschenhandelsdelikte, die Wiedereinführung der Strafvorschrift gegen die Förderung der Prostitution sowie die Bestrafung von vorsätzlich handelnden Freiern von Zwangsprostituierten eingesetzt hat.

Bereits seit Jahren ist die präventive und repressive Bekämpfung des Menschen- und im Besonderen des Frauenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ein wichtiges Anliegen der niedersächsischen Landesregierung.

Die in diesem Zusammenhang entwickelten Konzepte erweisen sich im Kampf gegen diese besonders menschenverachtende Kriminalitätsform als effektiv. Beispielhaft sei hier die bestehende

Grundlage zur Kooperation zwischen der niedersächsischen Polizei und den Fachberatungsstellen erwähnt. Diese trägt nachhaltig dazu bei, dass den Opfern der notwendige Schutz und die erforderliche Unterstützung zukommen und gleichzeitig die Interessen der Strafverfolgungsbehörden berücksichtigt werden. Neben der kontinuierlichen und zielgerichteten Anwendung bereits erfolgreich praktizierter Konzepte ist es erforderlich, dass diese in einem ständigen Prozess auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, Anpassungen an gegebenenfalls veränderte Rahmenbedingungen vorgenommen und darüber hinausgehend neue Bekämpfungsansätze entwickelt werden.

Im MI wird zurzeit über die bereits bestehenden effektiven repressiven und kooperativen Konzepte hinausgehend ein ressort- und bereichsübergreifendes Konzept zur Prävention des Menschenhandels erarbeitet. Das Ziel des Konzeptes besteht darin, den Menschenhandel bzw. die Zwangsprostitution schon im Vorfeld zu verhindern und optimierten Opferschutz und Opferhilfe zu gewährleisten.

Da die effektive Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels ein koordiniertes Vorgehen in einem ganzheitlichen Ansatz aller betroffenen Ressorts, Stellen und Organisationen erfordert, ist deren unmittelbare Einbeziehung bei der Umsetzung der entwickelten Präventionsmaßnahmen vorgesehen.

Die Landesregierung wird den eingeschlagenen Weg zur weiteren Intensivierung und Optimierung von Bekämpfungsinstrumenten in diesem Deliktsbereich fortsetzen und in ihrem Bemühen keinesfalls nachlassen.

Zu 1 - Erarbeitung einer Arbeitshilfe:

Das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) wurde um Erarbeitung einer Arbeitshilfe zur Bearbeitung von Fällen des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gebeten. Dieses Mittel soll in den Polizeibehörden sowohl zur Unterstützung bei der Durchführung von Ermittlungen als auch zur Verdachtsgewinnung in diesem Phänomenbereich beitragen. Vor diesem Hintergrund hat das LKA NI unter Beteiligung von Fachleuten weiterer Polizeibehörden ein Konzept erstellt, das in Kürze als „Arbeitshilfe Menschenhandel" den sachbearbeitenden Polizeidienststellen als Ermittlungsunterstützung zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus wird auf dieser Grundlage ein zusammenfassender Flyer entwickelt, der den im polizeilichen Streifen- und Kriminaldienst tätigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten als Unterstützung bei der Verdachtsgewinnung dienen soll.

Zu 2 - Intensivierung der Fortbildungsmöglichkeiten:

In den Polizei- und Justizbehörden bestehen seit Jahren umfangreiche Fortbildungsmöglichkeiten im Deliktsbereich Menschenhandel.

So werden die niedersächsischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Richterinnen und Richter bezüglich der Probleme, die in Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandel auftreten, regelmäßig geschult und fortgebildet. Das Fortbildungsreferat des MJ führt regelmäßig unter Einbindung der Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel (KOBRA) überregionale Informationsveranstaltungen zum Menschenhandel durch. Die bei diesen Tagungen behandelten Themen beziehen sich im Wesentlichen auf die Darstellung der polizeilichen Arbeit sowie die Problembereiche im Ermittlungsverfahren, Menschenhandelsverfahren aus Sicht der Staatsanwaltschaft, rechtliche und tatsächliche Probleme bei der Betreuung von Zeuginnen sowie Auswirkungen auf die Hauptverhandlung. An den Veranstaltungen nehmen Strafrichterinnen und Strafrichter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus ganz Niedersachsen teil.

Parallel hierzu finden zum Themenkomplex Menschenhandel auch von der Deutschen Richterakademie regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen statt, die sich an Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richterinnen und Richter im gesamten Bundesgebiet wenden.

Da der organisierte Menschenhandel ein der Organisierten Kriminalität zuzurechnender Kriminalitätsbereich ist und einen Schwerpunkt in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität darstellt, behandelt auch die Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle auf ihren turnusmäßigen Erfahrungsaustauschen dieses Thema sowie den hierzu im engen Zusammenhang stehenden Bereich der Schleusungskriminalität. Zudem werden Veranstaltungen der Europäischen Rechtsakademie in Trier zum Thema Menschenhandel von Angehörigen der niedersächsischen Justiz besucht.

Im Bereich der Polizei bestehen umfassende Fortbildungsangebote, in denen Inhalte aus den Bereichen Rechtskunde, deliktsspezifisches Grundwissen, Kriminologie und Kriminalistik zum Thema Menschenhandel und Opferschutz vermittelt werden.

Dieser Kriminalitätsbereich wird durch den zentralen Bildungsträger der Polizei aktuell als Schwerpunkthema behandelt.

Neben dem Ausbau des eigenen, spezifischen Fortbildungsangebots im Bereich Menschenhandel und Opferschutz soll durch die modulartige Integration in bereits bestehende, themenverwandte Fortbildungsmaßnahmen, z. B. zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, eine weitere Intensivierung erfolgen.

Zu 3 - Zusammenarbeit mit Partnerregionen: Justizpartnerschaften zwischen Oberlandesgericht bzw. Generalstaatsanwaltschaft einerseits und Appellationsgericht und Appellationsstaatsanwaltschaft andererseits bestehen seit vielen Jahren sowohl zwischen Braunschweig und Breslau als auch zwischen Celle und Posen. Im Rahmen dieser Justizpartnerschaften spielt auch der Komplex Menschenhandel eine Rolle. So wurde auf der diesjährigen Arbeitstagung vom 24. bis 26.10.2005 in Posen das Thema Menschenhandel behandelt. Abschließend wurde vereinbart, diese Erörterungen auf der Arbeitstagung im Jahr 2006 in Celle gezielt fortzuführen und insbesondere durch Einbindung von KOBRA zu vertiefen.

In Ausgestaltung der Hospitationsvereinbarung zwischen der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig und der Appellationsstaatsanwaltschaft in Breslau hielten sich im August 2005 zwei polnische Staatsanwältinnen in Braunschweig auf, die u. a. im Beisein eines Beamten des LKA NI über die Arbeit von KOBRA informiert haben.

Bei der Strafrechtsexpertentagung vom 27. bis 30.09.2005 in Braunschweig wurde das Thema mit polnischen Kolleginnen und Kollegen nach entsprechenden Einführungsreferaten von KOBRA, des LKA NI, eines Staatsanwalts zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sowie eines Vorsitzenden Richters am Landgericht angeregt und zielführend diskutiert.

Seit mehreren Jahren unterhält die niedersächsische Polizei u. a. zu den polnischen Wojewodschaften Niederschlesien und Großpolen sowie zu den Regionen Tjumen und Perm in der Russischen Föderation partnerschaftliche Beziehungen.

Im Rahmen einer polizeilichen Zusammenarbeit mit Niederschlesien wurde im Juni 2005 eine Gemeinsame Erklärung zur Kooperation unterzeichnet, die als einen Schwerpunkt auch die Zusammenarbeit im Deliktsfeld Menschenhandel vorsieht. Als eine konkrete Maßnahme zur Ausgestaltung dieses Aspekts haben in der Zeit vom 04. bis 09.12.2005 drei niederschlesische Experten aus dem Bereich Menschenhandel in Niedersachsen an einer Hospitation teilgenommen, für deren Durchführung das LKA NI verantwortlich war. Hinsichtlich der Einbindung von Fachberatungsstellen nahm im Hospitationsablauf die Thematik „Zeugenschutz, Opferschutz, Betreuungsmaßnahmen" breiten Raum ein. Im Zuge dessen fand auch ein direkter Informationsaustausch mit Vertreterinnen von KOBRA aus Hannover statt.

Darüber hinaus ist in den Vereinbarungen zur polizeilichen Zusammenarbeit mit den Partnerregionen Perm und Großpolen das Thema Menschenhandel ebenfalls als Schwerpunkt enthalten vorgesehen. Die Gemeinsame Absichtserklärung dazu mit der Partnerregion Perm ist am 07.12.2005 unterzeichnet worden. Mit Großpolen befindet sich eine entsprechende Vereinbarung in der Phase der Vorbereitung bzw. Abstimmung.