Steigende Anzahl von HIV-Neuinfektionen - auch im niedersächsischen Justizvollzug?

Die seit Jahren erstmals wieder ansteigenden Zahlen der HIV-Neuinfektionen erfordern zielgruppenorientierte Prävention. Das fordert auch die niedersächsische Aidshilfe. Nach den Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts lebten in Niedersachsen Ende 2004 ca. 3 000 Menschen mit HIVInfektion. Neu infiziert haben sich 2004 in unserem Land 150 Personen. Bei der Infizierung hat der intravenöse Drogengebrauch mit mehrfach benutzten Spritzen einen Anteil von fast 15 %. Die Abgabe sauberer Einmalspritzen ist eine sinnvolle Präventionsmaßnahme, die in der Öffentlichkeit inzwischen als Selbstverständlichkeit gilt.

In zwei niedersächsischen Jugendvollzugsanstalten hat es bis 2003 eine solche Spritzenvergabe aus gesundheitlichen Gründen und unter bestimmten Voraussetzungen gegeben. Das waren die JVA Lingen, Abteilung Groß Hesepe (geschlossener Männervollzug), und die JVA für Frauen in Vechta.

Die amtierende CDU-Justizministerin hat mit Unterstützung der derzeitigen CDU/FDP-Landtagsmehrheit diese gesundheitlich sinnvolle Maßnahme 2003 beendet.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Ist ihr bekannt, wie viele Gefangene im niedersächsischen Justizvollzug HIV infiziert sind an Aids leiden?

a) Wenn ja, die Zahlen bitte nach Anstalten getrennt aufführen!

b) Wenn nein, warum nicht?

2. Wie haben sich die Zahlen der HIV-Positiven und Aidskranken in den Anstalten Groß Hesepe und Vechta/Frauen in der Zeit von 2000 bis 2005 entwickelt (nach Jahren und Anstalten getrennt)?

3. Wie viele HIV-Infizierte und Aidskranke wurden in der Zeit von 2000 bis 2005 im JVA-Krankenhaus in Lingen behandelt?

4. Ist die relativ teure, medikamentöse Behandlung der entsprechend infizierten oder kranken Gefangenen in allen Anstalten des Landes sichergestellt?

5. Welche Kosten sind dadurch in den Jahren 2000 bis 2005 entstanden?

Das Spritzenaustauschprogramm in der JVA für Frauen in Vechta und in der Abteilung GroßHesepe der JVA Lingen wurde im Sommer 2003 eingestellt, weil seinerzeit und bis heute die vom Spritzentausch im Justizvollzug erwartete Reduzierung des Risikos von HIV- und Hepatitis-C Infektionen nicht nachweisbar war, wohl aber eine Reihe von nachteiligen Nebenwirkungen, die selbst von Befürwortern des Spritzentausches eingeräumt werden. Insbesondere wurde durch den Spritzentausch für manche Gefangene die Schwelle zum intravenösen Drogenmissbrauch gesenkt. Ein weiteres wesentliches Argument für die Beendigung des Spritzenaustausches war das widersprüchliche Signal an Gefangene und Bedienstete, dass Drogenbesitz zwar verfolgt wird, zugleich aber Instrumente zum Drogenkonsum bereitgestellt werden.

Diese Gründe sind anlässlich der Beratung des Entschließungsantrages der Fraktion der SPD „Gesundheitsfürsorge ernst nehmen - das Spritzenaustauschprogramm fortsetzen" im Plenum und in mehreren Ausschüssen des Niedersächsischen Landtages im Herbst 2003 ausführlich erörtert worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Zahl der mit HIV infizierten Gefangenen ist nicht bekannt. Die Untersuchungen auf HIVInfektionen sind freiwillig; ihre Ergebnisse haben keine Aussagekraft hinsichtlich der Gesamtzahl der Infizierten. Die in den Ländern geführten Statistiken sind darum im Jahr 2003 bundesweit eingestellt worden.

Bekannt ist dagegen die Zahl akuter AIDS-Erkrankungen: Sie belief sich bei der letzten durchgeführten Erhebung zum 31.03.2003 auf insgesamt acht, davon entfielen je eine auf die Anstalten Burgdorf, Hameln und Uelzen, zwei auf Wolfenbüttel und drei auf Lingen (einschließlich des Justizvollzugskrankenhauses).

Zu 2: Die Zahl der bekannt gewordenen HIV-Positiven und AIDS-Kranken in der Abteilung Groß-Hesepe der JVA Lingen sowie in der JVA für Frauen in Vechta hat sich in den Jahren 2000 bis 2005 wie folgt entwickelt (angegeben ist die Zahl der betroffenen Gefangenen jeweils am 31.03.

Zu 4: Ja.

Zu 5: Aus einer Erfassung der Ausgaben für antiretrovirale Substanzen in den letzten beiden Jahren ergibt sich, dass in den ersten drei Quartalen des Jahres 2004 dafür 84 873 Euro ausgegeben wurden, im gleichen Zeitraum des Jahres 2005 114 753 Euro. Eine Auswertung für das vierte Quartal 2005 ist noch nicht möglich. Eine nachträgliche Erfassung der Ausgaben in den Jahren 2000 bis 2003 würde einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand erfordern.