Schülerbeförderungspflicht des Landkreises Rotenburg (Wümme)

In der Rotenburger Kreiszeitung vom 3. Februar 2006 und der Rotenburger Rundschau vom 5. Februar 2006 wird darüber berichtet, die Samtgemeinde Bothel, Kreis Rotenburg (Wümme), habe in Abstimmung mit der Schulleitung beabsichtigt, im zweiten Schulhalbjahr 2005/06 an zwei Nachmittagen in der Woche an der Wiedau-Schule eine Ganztagsbetreuung anzubieten. Die Zeitungen berichten darüber, dass die Samtgemeindeverwaltung rechtzeitig mit Schreiben vom 28. November 2005 beim Landkreis Rotenburg (Wümme) um die Ausweitung der Schülerbeförderung im Nachmittagsbereich gebeten habe. Am 30. Januar 2006 habe der Landkreis der Samtgemeindeverwaltung seine ablehnende Haltung zur Schülerbeförderung am Nachmittag übermittelt und wesentlich damit begründet, „soweit eine Schule Unterricht oder freiwillige Angebote in den Nachmittag legt, besteht keine Beförderungspflicht". Durch das Nein des Landkreises zur nachmittäglichen Schülerbeförderung werde der Start der Ganztagsbetreuung an der Wiedau-Schule „drastisch verzögert", berichtet die Rotenburger Kreiszeitung.

Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung:

1. Teilt sie die Auffassung des in der Presse zitierten Samtgemeindebürgermeisters, dass die Haltung des Landkreises Rotenburg (Wümme) dem Willen von Bund und Land widerspricht, Ganztagsschulen zu fördern?

2. Teilt sie die Auffassung, dass die in der Rotenburger Rundschau zitierte rechtliche Einschätzung des Landkreises Rotenburg (Wümme), „der in § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes normierte Anspruch auf Schülerbeförderung beschränke sich auf die Beförderung (...) aus Anlass der Teilnahme an stundentafelmäßig erteiltem Unterricht", richtig ist?

3. Oder ist § 114 des genannten Gesetzes nicht auf den lehrplanmäßigen Pflichtunterricht beschränkt? Sieht § 114 überhaupt einen differenzierenden Unterschied zwischen lehrplanmäßigem Unterricht einerseits und Förder- oder Freizeitangeboten andererseits vor?

4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Landkreis Rotenburg (Wümme) im konkreten Fall nicht von der Beförderungspflicht befreit ist und seine Beförderungspflicht zu Unrecht abgelehnt hat?

In der Haupt- und Realschule Bothel (Wiedau-Schule) laufen seit längerem Bestrebungen, an einigen Nachmittagen in der Woche ein Betreuungsangebot für die Schülerinnen und Schüler bereitzustellen. Zurzeit findet an der Wiedau-Schule an einem Nachmittag in der Woche ein Angebot mit Arbeitsgemeinschaften statt; die nachmittägliche Rückfahrt wird seit Jahren vom Landkreis Rotenburg (Wümme) anstandslos im Rahmen der Schülerbeförderung durchgeführt.

Die Samtgemeinde Bothel hat als Schulträger im September 2005 eine Elternbefragung der Jahrgänge 1 bis 5 durchgeführt, um das Interesse an einer Ganztagsschule festzustellen. Das Ergebnis dieser Umfrage war, dass 71 % der Befragten geantwortet haben, davon 37 % Interesse an einem Ganztagsangebot äußerten und 62 % ein Interesse verneinten. Die Wiedau-Schule beabsichtigt daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Schulträger das Interesse der Elternschaft an einem Ganztagsangebot zu steigern, indem der Versuch unternommen werden sollte, zum 2. Schulhalbjahr 2005/06 ein Freizeitbetreuungsangebot für einen weiteren Schultag bereitzustellen.

Die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises Rotenburg vom 07.05.1997 in der Fassung der Änderungsatzung vom 17.12.2003 legt fest, dass „ein Beförderungs- und Erstattungsanspruch nur bei dem Besuch der nach dem Lehr- oder Stundenplan vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen besteht. Stundenplanmäßiger Unterricht ist nur derjenige, der aufgrund der Stundentafel regelmäßig und planmäßig erteilt wird." Ein Beförderungs- und Erstattungsanspruch besteht also für alle in den Richtlinien oder in der Stundentafel vorgesehenen Schulveranstaltungen. Wahlpflichtunterricht, Förderkurse und Arbeitsgemeinschaften sind in der Stundentafel vorgesehen; damit besteht nach der Satzung ein Beförderungs- und Erstattungsanspruch.

Für die Haupt- und Realschule Bothel stellt sich die Situation nicht so problematisch dar wie in der Anfrage der Anschein erweckt wird. Bereits an einem Nachmittag werden Arbeitsgemeinschaften angeboten, und von den Eltern wird überwiegend eine zweite Nachmittagsbetreuung nicht gefordert. Der Landkreis Rotenburg (Wümme) hat nunmehr die nachmittäglichen Wünsche der 13 Samtgemeinden abgefragt und ist zurzeit mit dem ÖPNV-Unternehmen im Gespräch über ein neues Gesamtkonzept der Schülerbeförderung. Aller Voraussicht nach wird die neue Fahrtenstruktur genutzt, um die Wiedau-Schule auch an einem zweiten Nachmittag anfahren zu können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Das Land Niedersachsen ist darum bemüht, die Anzahl der Ganztagsschulen auszuweiten. Bei der Genehmigung zur Errichtung einer Ganztagsschule wird auch die Einverständniserklärung des Trägers der Schülerbeförderung eingefordert. Bei dem Angebot der Wiedau-Schule handelt es sich nicht um eine Ganztagsschule, sondern um eine Nachmittagsbetreuung. Weder die Samtgemeinde Bothel als Schulträger noch die Haupt- und Realschule Bothel haben einen Antrag auf Einrichtung als Ganztagsschule gestellt.

Zu 2 und 3: § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes regelt die Schülerbeförderung der Landkreise und kreisfreien Städte. Danach haben die Träger der Schülerbeförderung die Schülerinnen und Schüler unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Aus dieser Vorschrift lässt sich nicht herleiten, dass zwischen Pflichtunterricht auf der einen Seite und wahlfreiem Unterricht, Förderunterricht, Arbeitsgemeinschaften und anderen Angeboten auf der anderen Seite zu differenzieren ist.

Zu 4: Aus den Vorbemerkungen ergibt sich, dass sich diese Frage nicht stellt.