GIAZ - hilft die Vernetzung gegen Terror und Verbrechen?

Am 26. Juni hat der Innenminister das gemeinsame Informations- und Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen (GIAZ) im Landeskriminalamt Niedersachsen der Presse präsentiert. Die spezielle Datenbank wurde durch anonymisierte, große Grafiken mit zahlreichen Kästchen und Verbindungslinien dargestellt, um dadurch zu verdeutlichen, welche Möglichkeiten das Land hinsichtlich der Bekämpfung des Terrorismus, der Rechts- und Linksextremisten und der Gewalttäter „Sport" seit dem Beginn des Projekts im Januar 2005 hat. Unterstützend erläuterte Innenminister Schünemann, dass „ein Schlüssel zum Erfolg in der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung in dem intelligent organisierten Miteinander der unterschiedlichen polizeilichen und nachrichtendienstlichen Akteure" liege und die Analyseprodukte des GIAZ den niedersächsischen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt würden, „um weitere Maßnahmen in eigener Zuständigkeit in die Wege leiten zu können." Der Präsident des Niedersächsischen Landesamts für Verfassungsschutz betonte, dass die Arbeit „einfacher geworden sei, weil nicht mehr jeder für sich ein Lagebild erstellt". Eine solche Vernetzung hielt der Innenminister auch für den Bund für sinnvoll, denn beim dortigen Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) sei die Arbeit von VS und Polizei stärker getrennt. Der Innenminister beschrieb die Trennung als „Berührungsängste", ohne auf die rechtliche Notwendigkeit durch das Trennungsgebot hinzuweisen. Die Fragen der Journalisten, bezogen auf messbare Erfolge des GIAZ und eine gesetzlichen Grundlage für die gemeinsame Datenbank, wurden nur ausweichend beantwortet und die Notwendigkeit des gemeinsam erstellten Lagebilds mit „schneller und viel effektiver" bezeichnet, ohne das tatsächliche Erfolge zu verzeichnen sind.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf welche Dateien der niedersächsischen Polizei und des Verfassungsschutzes können die Mitarbeiter des GIAZ zugreifen?

2. Die spezielle Datenbank GIAZ wird gespeist durch Dateien der Polizei und des Verfassungsschutz, die jeweils durch die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt sind.

Aufgrund welcher genauen gesetzlichen Grundlagen wird die spezielle Datenbank, die die Grundlage der Arbeit des GIAZ ist, erstellt, und können Daten gesammelt werden?

3. Handelt es sich bei der Datenbank des GIAZ um eine Indexdatei, eine Projektdatei oder um eine Volltextdatei?

4. Können die Mitarbeiter grundsätzlich auf den gesamten Inhalt der jeweiligen Dateien bei Polizei und Verfassungsschutz zugreifen?

5. Wie viele Personen sind jeweils aus rechtsextremistischen, terroristischen, islamistischen Strukturen oder aus dem Bereich der Gewalttäter Sport in der Datei gespeichert?

6. Welche datenschutzrechtlichen Mindeststandards gelten für die spezielle Datenbank des GIAZ?

7. Wer entscheidet, zu welchem Zeitpunkt Daten aus der Datenbank gelöscht werden?

8. Gibt es für die Mitarbeiter des GIAZ Anweisungen, wann Daten zu löschen sind? Wenn ja, wie sehen diese aus?

9. Werden die Daten aus der speziellen Datenbank des GIAZ außer an die niedersächsische Polizei und/oder den Verfassungsschutz auch an andere Bundes- oder Länderbehörden weitergegeben? Wenn ja, zu welchem Zweck?

10. Findet eine parlamentarische Kontrolle der durch GIAZ ausgelösten Datenverarbeitung statt?

11. Worin liegt der tatsächliche und konkrete Gewinn durch das GIA?

12. Wodurch sieht die Landesregierung die rechtsstaatlich unabdingbare Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz bei der Arbeit des GIAZ gewährleistet?

13. Reicht es nach der rechtlichen Bewertung der Landesregierung für die Einhaltung des Trennungsgebots aus, wenn die Analyse im GIAZ und die Maßnahmen getrennt durch Polizei und Verfassungsschutz durchgeführt werden?

14. Ist die Landesregierung tatsächlich der Auffassung, dass im GTAZ die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz wegen „Berührungsängsten" stärker getrennt ist?

15. Welche tatsächlichen Erfolge konnten durch die bisher 16-monatige Arbeit des GIAZ erzielt werden?

16. Wieso hat die Arbeit des GIAZ dazu geführt, dass die Rechtsextremisten um den Hamburger Rechtsanwalt Rieger bislang in Dörverden trotz eigener Einrichtung es nicht geschafft haben, dort Fuß zu fassen?

17. In was für Fällen konnte durch die Arbeit des GIAZ ein tatsächlicher Sicherheitsgewinn erzielt werden?

Mit Einrichtung der Projektorganisation „Gemeinsames Informations- und Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen", kurz „GIAZ-Niedersachsen", als bundesweit erstem Zentrum dieser Art sind das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) und das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz (NLfV) am 10.12.2004 auf Landesebene eine noch engere Kooperation eingegangen. Mit dem „GIAZ-Niedersachsen" wird die behördenübergreifende Zusammenarbeit im Bereich Auswertung und Analyse in den wichtigsten Bereichen der Extremismus- und Terrorismusbekämpfung weiter projektbezogen optimiert. Die Verbesserung der Erkenntnis- und Verdachtsgewinnung im Bereich der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der Beobachtung des islamistischen Extremismus war Hauptanlass zum Aufbau dieser Projektorganisation. In einem ganzheitlichen Ansatz, der hier vor allem das effektive Zusammenwirken von Polizei und Verfassungsschutz umfasst, sind der schnelle Austausch und die umfassende Analyse aller verfügbaren Informationen entscheidende Voraussetzungen für eine effektive Bearbeitung dieses Phänomenbereichs.

Nur mit einem intensiven und reibungslosen, vor allem auch zügigen Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden kann der Planung und Vorbereitung von terroristischen Gewalttaten wirksam und rechtzeitig entgegengetreten werden. Folgerichtig und unabdingbar war, dass Landespolizei und Verfassungsschutz, die sich ohnehin in der Vergangenheit in Niedersachsen eng ausgetauscht haben, ihre Erkenntnisse noch enger vernetzen.

Darüber hinaus befasst sich das „GIAZ-Niedersachsen" auch mit der Informationsbündelung in ausgewählten Bereichen des militanten Rechtsextremismus sowie des gewaltbereiten Linksextremismus. Dabei nimmt das „GIAZ-Niedersachsen" konkrete, in Abstimmung mit dem LKA NI und dem NLfV festgelegte extremistische und terroristische Phänomene in den Fokus.

So ist es möglich, vorliegende Erkenntnisse und Verdachtsmomente zu vertiefen, um personelle sowie organisatorische Strukturen im Extremismus- und Terrorismusbereich aufzuhellen.

Dazu werden die Informationen in einer gemeinsamen Datei gespeichert.

Neben der Zusammenführung und Auswertung der Erkenntnisse sind weitere Aufgaben des „GIAZNiedersachsen" die Erstellung aussagekräftiger Lagebilder, zum Beispiel im Vorfeld angemeldeter NPD-Demonstrationen, die Initiierung gemeinsamer Analyseprojekte und die Koordinierung operativer Maßnahmen, die von Polizei und Verfassungsschutz in jeweils eigener Zuständigkeit durchgeführt werden. Die bilaterale Kommunikation und der gegenseitige Informationsaustausch sind deutlich schneller geworden, ohne dabei das Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz zu verletzen.

Im „GIAZ-Niedersachsen" werden polizeiliche und nachrichtendienstliche Informationen, die den Behörden bereits vorliegen und zwischen diesen auf der Grundlage bestehender rechtlicher Bestimmungen ausgetauscht werden dürfen beziehungsweise sogar müssen, gebündelt und einer umfassenden zielgerichteten Analyse und Bewertung unterzogen. Eine organisatorische Zusammenlegung von Polizei und Verfassungsschutz oder ein Unterstellungsverhältnis erfolgte mit der Schaffung des gemeinsamen Zentrums nicht.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die im „GIAZ-Niedersachsen" eingesetzten Beschäftigten haben über den Zugriff auf die gemeinsame Projektdatei hinaus ausschließlich Zugriff auf die Dateien ihrer jeweiligen „Heimatbehörde", d. h. die Polizeibeamtinnen und -beamten des LKA NI haben Zugriff auf polizeiliche Dateien und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NLfV Zugriff auf Dateien des NLfV.

Zu 2: Die gemeinsame Projektdatei des „GIAZ-Niedersachsen", für die ein eigenes IT-Netzwerk aufgebaut worden ist und auf die ausschließlich die Beschäftigten des „GIAZ-Niedersachsen" Zugriff haben, wurde auf der Grundlage des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes (NVerfSchG) errichtet. Es dürfen nur die Daten in die Datei eingestellt werden, die nach den geltenden Vorschriften von der Polizei an das NLfV oder vom NLfV an die Polizei übermittelt werden dürfen. Für die Übermittlungen gelten die §§ 14 ff. NVerfSchG.

Zu 3: Es handelt sich um eine Projektdatei.

Zu 4: Nein.

Siehe Beantwortung zu Frage 1 und 2.

Zu 5: Mit Stand vom 31.07.2006 sind ca. 3 200 Personendatensätze in die gemeinsame Projektdatei eingestellt worden. Eine Darstellung der zu den einzelnen Bereichen gespeicherten Datensätze könnte Rückschlüsse auf Inhalte, Umfang und Intensität durchgeführter Projekte zulassen. Hier stehen Geheimhaltungserfordernisse einer öffentlichen Erörterung entgegen.

Zu 6: Es gelten die gegenüber dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) restriktiveren datenschutzrechtlichen Regelungen des NVerfSchG.