Fleischgenuss sichern - Kontrollmechanismen und Verbraucherinformation optimieren
Der Landtag hält nach den Skandalen um verdorbenes Fleisch Konsequenzen bezüglich der Organisation und der Durchführung der Fleischhygieneüberwachung für erforderlich. Die gewonnenen Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass in das bestehende Kontrollsystem gezielte Maßnahmen integriert werden müssen, damit die Behörden negativen Vorgängen gleicher oder ähnlicher Art schneller auf die Spur kommen.
Der Landtag bittet die Landesregierung deshalb, die nachstehenden Punkte konsequent zu verfolgen und umzusetzen:
1. sie soll sich dafür einsetzen, dass ein Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Information gegenüber Behörden gesetzlich verankert und die entsprechende Regelung bundesweit schnell umgesetzt werden kann,
2. zusätzlich zu der gesetzlichen Initiative soll die Landesregierung Gespräche mit der Fleischwirtschaft über ein freiwilliges Meldesystem für auffälliges geliefertes Fleisch aufnehmen,
3. die amtliche Überwachung ist risikoorientiert auszurichten und der Personaleinsatz so zu organisieren, das die erforderlichen Kontrollen sowohl qualitätsgesichert als auch mit hinreichender Frequenz durchgeführt werden,
4. das Risikomanagement bei zukünftigen Vorgängen gleicher oder ähnlicher Art ist unter Beachtung der rechtlich festgelegten Zuständigkeiten und unter Nutzung moderner Kommunikationsmittel qualitätsgesichert durchzuführen. Es ist darauf zu achten, dass eine schnelle, zielgerichtete Aufgabenerledigung unter sachangemessener Einbindung der im Land vorhandenen fachlichen Ressourcen gewährleistet ist,
5. die Einrichtung der nach EG-Recht vorgegebenen betrieblichen Eigenkontrollen inkl. der Rückverfolgbarkeitssysteme in Produktion und Handel ist konsequent einzufordern und durchzusetzen,
6. die bundesweiten Informationssysteme sind im Ereignisfall sowohl bezüglich der Kommunikation im direkten Risikomanagement als auch hinsichtlich der allgemeinen Information aktuell (noch) nicht betroffener Behörden umfassend zu nutzen,
7. die Öffentlichkeitsinformation auf Landesebene soll bei gleichartigen oder ähnlichen Vorgängen neben der Unterrichtung von Journalisten auch regelmäßig durch entsprechende allgemein zugängliche Informationen für die interessierte Öffentlichkeit, die den jeweiligen Sachstand dokumentieren, gestaltet werden.
Der Landtag ist der Auffassung, dass die Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen das Lebensmittelrecht möglichst in vollem Umfang ausgeschöpft werden sollen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
Antwort der Landesregierung vom 08.11.
Zu 1:
Der Bundesrat hat in seine Sitzung am 22.09.2006 dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation zugestimmt. Das Gesetz ist noch nicht verkündet.
Zu 2: Nach Abstimmung mit dem ML hat sich der Verband Niedersächsischer Fleischwarenfabriken bereits im März 2006 in einem Positionspapier freiwillig bereit erklärt, die zuständigen Behörden über Angebote nicht verkehrsfähiger oder sonst bedenklicher Ware zu informieren. Auch auffällige Niedrigpreisangebote, die auf möglicherweise illegale Vorkommnisse hinweisen, sind Gegenstand dieser Selbstverpflichtung.
Die Anregung, in gleicher Weise zu verfahren, wurde im Oktober 2006 seitens des ML in Verbindung mit den erneuten negativen Vorgängen im Fleischhandel auch an den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, Sektion Niedersachsen, sowie an den Fleischerverband NiedersachsenBremen herangetragen.
Zu 3: Betriebskontrollen und Probenahmen werden künftig auf der Grundlage von Gefahrenanalysen systematisch, d. h. hersteller- und risikoorientiert vorgenommen. Damit wird gewährleistet, dass die für die Kontrollaufgaben vorhandenen Ressourcen besonders dort eingesetzt werden, wo das größte Risiko besteht.
Im Hinblick auf die Betriebskontrollen wird mittels eines Punktesystems für jeden Betrieb ein individuelles Betriebsprofil erstellt, das das Produktrisiko, die Verlässlichkeit des Unternehmers, die Sicherung der Rückverfolgbarkeit sowie die betrieblichen Eigenkontrollen bewertet. Je nach Punktzahl erreicht der Betrieb eine von neun Risikokategorien. Jeder Risikokategorie ist eine bestimmte Betriebskontrollfrequenz zugeordnet. Mit diesem System wird eine einheitliche Risikobewertung erreicht und sichergestellt, dass in Niedersachsen Betriebe gleicher Kategorie gleich häufig überwacht werden.
Auch die Probenprogramme werden auf der Grundlage eines Risikokonzepts festgelegt, das sich an dem Produktrisiko, der Hersteller-, Erzeuger- und Verzehrmenge in Niedersachsen, an bekannten Risiken und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.
Alle Daten, die im Rahmen von Betriebskontrollen und Probenahmen gewonnen werden, fließen in das Gemeinsame Verbraucherschutzinformationssystem in Niedersachsen (GeViN) ein. Auf diese Weise entsteht eine elektronische Betriebsakte, die den aktuellen Kenntnisstand aller Kontrollbereiche enthält. Die Daten aller Überwachungsbehörden sind auf einem zentralen Server verfügbar und damit, bei Wahrung datenschutzrechtlicher Belange, gemeinsamen Auswertungen zugänglich.
Zu 4: In Fällen mit besonderer aktueller Bedeutung für den Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit ist die anlassbezogene Bildung eines Aktionsstabes unter Einbeziehung aller beteiligten Behörden vorgesehen. Durch den so gewährleisteten schnellen Austausch aller relevanten Informationen und die unmittelbare gezielte Ableitung des jeweiligen Managements kann ein zügiges und einheitliches Vorgehen gesichert werden. Als Informationsgrundlage kann auch das einheitliche Softwaresystem von GeViN genutzt werden.
Zu 5: Die Verbraucherschutzministerkonferenz hat am 07.09.2006 ihre Erwartung bekräftigt, dass alle Lebensmittelunternehmen sich ihrer Verpflichtung zur Eigenkontrolle stellen und zügig die Anforderungen nach dem EU-Hygienepaket umsetzen. Sie wird in regelmäßigen Abständen Gespräche mit den Verantwortlichen der Wirtschaft führen, um die Umsetzung zu erörtern. Private Zertifizierungssysteme der Wirtschaft sind dabei ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit und Qualität bei Lebensmitteln und spielen bei der Risikoeinstufung der Betriebe eine wichtige Rolle.
Zu 6: Mit dem EDV-gestützten Fachinformationssystem Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (FIS-VL) ist mittlerweile eine Plattform geschaffen worden, die einen schnellen Informationsaustausch zwischen Landes- und Bundesbehörden sicherstellt. Den niedersächsischen Überwachungsbehörden ist Zugang zu diesem System eingeräumt. Daneben ist beabsichtigt, ein nationales Frühwarnsystem zum Zweck des Informationsaustausches über außergewöhnliche Ereignisse unterhalb der EU-relevanten Schwelle als Grundlage für die länderübergreifende Warenrück- und Weiterverfolgung einzurichten.
Zu 7: Im Falle besonderen öffentlichen Interesses wird die notwendige Information über das Internet ergänzt.
Die Ausschöpfung des Strafmaßes ist einzelfallabhängig und Sache der Gerichte. Eine entsprechende Sensibilisierung der Justizbehörden durch Fortbildungsveranstaltungen sowie eine regelmäßige Kommunikation zwischen den Justiz- und den Lebensmittelüberwachungsbehörden wird in Niedersachsen bereits seit langem praktiziert.