Föderalismusreform

Föderalismusreform: für ein modernes und handlungsfähiges Zusammenwirken von Bund und Land; Finanzierung des Hochschulbaus weiterhin sicherstellen Beschluss des Landtages vom 21.06.2006 - Drs. 15/2980

Die Föderalismusreform ist ein wichtiger und mutiger Reformschritt für Deutschland. Seit vielen Jahren wurden immer wieder Überlegungen angestellt, wie die Gesetzgebungszuständigkeiten und Mitwirkungsrechte zwischen Bund und Ländern verbessert werden können. Eine durchgreifende Entflechtung fand jedoch bislang nicht statt. Die nunmehr erzielte Einigung ist die umfassendste Reform des Grundgesetzes seit 1949. Sie führt zur Stärkung der Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern, insbesondere auch der Länderparlamente und ihrer Gesetzgebungskompetenz. Die vorliegende Reform des Föderalismus ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wenn diese Reform gelingt, kann in einem zweiten Schritt die ebenso wichtige Neuordnung der Finanzverfassung geregelt werden.

Die Gesetzgebung von Bund und Ländern wird durch eine klarere Zuordnung der Kompetenzen an Profil gewinnen. Die Gefahr der Blockade von Bundesgesetzen im Bundesrat wird durch die Neubestimmung der Zustimmungsbedürftigkeit verringert; die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze wird hierdurch erheblich reduziert. Die Gesetzgebung wird somit künftig bürgerfreundlicher sein und Entscheidungen können schneller getroffen werden. Mit Hilfe der verfassungsrechtlich abgesicherten Abweichungsrechte können Länder im Wettbewerb eigenverantwortlich innovative Lösungen verfolgen. Dieses ist eine hervorragende Chance für Niedersachsen. Die besten Wege werden sich national durchsetzen.

Mit der Aufnahme der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau in das Grundgesetz wurde die Grundlage für den massiven Ausbau der Hochschulen in den siebziger Jahren gelegt. Insgesamt sind so seit 1970 bis zum Jahr 2004 mehr als 56 Mrd. Euro in den Hochschulbau geflossen. Die bisher in Artikel 91 a Abs. 1 Nr.1 GG geregelte Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau soll aufgegeben und die Zuständigkeit auf die Länder übertragen werden. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe finanzieren Bund und Länder bisher den Ausbau und Neubau von Hochschulen und Hochschulkliniken zu jeweils 50 %. Für die Verteilung der Mittel gibt es keine Verteilungsmaßstäbe. Gebaut wird nach dem angemeldeten und vom Wissenschaftsrat bewilligten Bedarf der Länder und ihrer Fähigkeit, ihren fünfzigprozentigen Finanzierungsanteil zu erbringen. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Investitionsmittel für Hochschulbauten zwischen den Ländern sehr ungleich verteilt wurden. Niedersachsen hat beispielsweise (als finanzschwächeres Land) von 1976 bis 2003 600 Mio. Euro weniger - davon von 1990 bis 2003 490 Mio. Euro weniger - investiert als ihm nach dem Königsteiner Schlüssel, der sich aus Steuereinkommen und Bevölkerungszahl errechnet, möglich gewesen wäre. Auch in Zukunft werden erhebliche Investitionen notwendig sein.

Einmal gilt es, den von der KMK prognostizierten Andrang von Studierenden von derzeit knapp zwei Millionen Studierenden auf bis zu 2,7 Mio. im Jahr 2015 durch Schaffung von neuen Studienplätzen zu bewältigen, und zum anderen ist in der Vergangenheit ein Sanierungsstau entstanden.

Im Rahmen der Föderalismusreform sollen die bisherigen Haushaltsmittel des Bundes für den Hochschulbau zu siebzig Prozent (entspricht 695,3 Mio. Euro) auf die Länder übertragen werden.

Der Anspruch der Länder auf die Bundesmittel bezüglich wegfallender Gemeinschaftsaufgaben besteht ab dem 1. Januar bis zum 31. Dezember 2019. Festgeschrieben sind die Beträge nur bis En de 2013. Die jeweiligen Anteile, die der Bund aus der Gesamtsumme bis zum 31. Dezember 2013 an die Länder weiterleitet, errechnen sich aus dem Durchschnitt der Mittel, die die Länder im Zeitraum 2000 bis 2003 erhalten haben. Die nach diesem Verteilungsschlüssel ermittelten Zahlungen bekommen die Länder bis 2013 als zweckgebundene Finanzhilfen. Im Jahr 2013 erfolgt eine gemeinsame Revision von Bund und Ländern, um festzustellen, in welcher Höhe die den Ländern zugewiesenen Finanzierungsmittel für die Aufgabenerfüllung der Länder noch „angemessen und erforderlich" sind. Allerdings soll dann ab dem 1. Januar 2014 die gruppenspezifische Zweckbindung für den Hochschulbau entfallen.

Die übrigen 30 % der bisherigen Haushaltsmittel des Bundes (entspricht ca. 298 Mio. Euro) sollen bei der Förderung von „Vorhaben des wissenschaftlichen Forschung an Hochschulen sowie von Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten" (Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 neu) Verwendung finden, und zwar „auf Grund von Vereinbarungen", die noch zu schließen sein werden.

Hier bestehen für die Länder - und damit auch für Niedersachsen - noch Verhandlungsmöglichkeiten.

Bund und Länder sowie alle politischen Seiten sind einander in einzelnen Punkten entgegengekommen, um eine Einigung im Ganzen herbeizuführen. Wie jeder Kompromiss bringt auch die Föderalismusreform für jedes Bundesland Vor- und Nachteile mit sich. Jedoch können bei diesem großen Reformvorhaben nicht nur Partikularinteressen betrachtet werden. Vielmehr müssen diese hinter dem Gesamtinteresse der Neugestaltung der bundesstaatlichen Ordnung zurückstehen, um den lange ausgehandelten Kompromiss nicht zu gefährden. Bei den Gegenständen, die aber noch Ausgestaltungsmöglichkeiten offenlassen, wie zum Beispiel die Verteilung der Bundesmittel für die wissenschaftliche Großgeräteförderung, kann das Land Niedersachsen seine Chancen nutzen.

Der Landtag bittet deshalb die Landesregierung sich dafür einzusetzen,

1. Grundsätze der Förderung nach Art. 91 b Abs. 1 Nr. 2 GG neu so zu gestalten, dass für Niedersachsen die Möglichkeit besteht, an den dafür vorgesehenen 298 Millionen Euro der bisherigen Hochschulbaumittel in größerem Umfang zu partizipieren als es bei der Verteilung der verbleibenden Hochschulbaumittel nach Art. 143 c GG neu der Fall ist,

2. dass bei der Aufstellung des Landeshaushalts die Eigenmittel für den Hochschulbau möglichst in Höhe der Bundesmittel aufgebracht werden, damit die Gesamtsumme für den Hochschulbau nicht weiter fällt,

3. dass auch in Zukunft der Wissenschaftsrat an der fachlichen Begutachtung größerer Bauvorhaben beteiligt wird, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.

4. dass auch nach 2013 für den Hochschulbau jährlich mindestens Bundesmittel in der gleichen Höhe zur Verfügung stehen.

Mit der im Sommer 2006 beschlossenen Föderalismusreform ist auch die Finanzierung des Hochschulbaus auf neue Grundlagen gestellt worden (vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006 [BGBl. I S. 2034] und Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 05.09.2006 [BGBl. I S. 2 098], dort insbesondere Artikel 13 Entflechtungsgesetz).

Die wesentliche Änderung besteht darin, dass mit Ablauf des 31.12.2006 die bisherige Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken" nach Artikel 91 a GG und damit auch das bisherige Hochschulbauförderungsgesetz (HBFG) entfallen.

Zur Kompensation für die entfallende GA stellt der Bund bis 2019 weiterhin Mittel zur Verfügung, die bis 2013 jährlich 993,3 Mio. Euro betragen und zweckgebunden für den Hochschulbau sind:

1. 695,3 Mio. Euro gehen nach dem Verteilerschlüssel gemäß Artikel 143 c GG i. V. m. § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Entflechtungsgesetz direkt an die Länder. Für die Fortführung des Aus- und Neubaus von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken als Länderaufgabe wird

Niedersachsen jährlich davon rund 6,9 % bzw. rund 48,2 Mio. Euro vom Bund als Kompensation erhalten.

2. 298 Mio. Euro stellt der Bund für die neue GA „Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten" gemäß Artikel 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG zur Verfügung.

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) hat sich frühzeitig mit der neuen GA befasst und u. a. eine Bund-Länder-AG „Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung nach Artikel 91 b Abs. 1 GG neu" eingesetzt, mit der Aufgabe, die inhaltliche Definition der neuen GA sowie die Strukturen und das Verfahren des künftigen Zusammenwirkens der Länder mit dem Bund, dem Wissenschaftsrat (WR) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu präzisieren.

In der Bund-Länder-AG haben Ländervertreter aus Berlin, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Sachsen mitgewirkt sowie Vertreter des Bundes, des WR und der DFG. Ergebnis dieser Arbeit ist eine Ausführungsvereinbarung über die gemeinsame Förderung von Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten (AV-FuG), die am 23.10. von der BLK beschlossen, und am 13.12.2006 von den Regierungschefs des Bundes und der Länder unterzeichnet werden soll.

Ansatz für diese neue GA ist es, Investitionsvorhaben für eine Hochschulforschung zu fördern, die sich durch herausragende wissenschaftliche Qualität und nationale Bedeutung auszeichnet. Die Mittel werden im Wettbewerb nach Qualitätskriterien verteilt.

Folgende Kernpunkte sind hervorzuheben:

­ Die Fördermittel für Forschungsbauten und Großgeräte werden je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen.

­ Forschungsbauten sind nur dann förderungsfähig, wenn die Baumaßnahme weit überwiegend der Forschung von überregionaler Bedeutung dient, die sich in der Regel durch ein innovatives, interdisziplinäres Forschungskonzept auszeichnet. Die Investitionskosten müssen 5 Mio. Euro übersteigen.

Investitionsvorhaben in diesem Sinne werden von den Ländern dem Bund und dem WR vorgelegt. Der WR bewertet alle Anmeldungen der Länder nach ihrer Qualität und nimmt eine Reihung der Projekte vor. Auf dieser Grundlage gibt er eine Empfehlung darüber ab, welche Vorhaben in die gemeinschaftliche Förderung aufgenommen werden sollen. Hierüber entscheidet die neu zu schaffende Gemeinsame Wissenschaftskonferenz.

­ Für die Jahre 2007 und 2008 wird es bei den Forschungsbauten eine Übergangsregelung geben. Laufende Bauvorhaben nach dem HBFG werden in die neue gemeinschaftliche Förderung nach Artikel 91 b GG für Forschungsbauten übergeleitet, wenn sie den neuen Kriterien entsprechen. Für die Länder werden im Jahr 2007 Kontingente nach dem Königsteiner Schlüssel gebildet. Eine Weiterförderung ab 2009 ist nur unter Anwendung der neuen Kriterien und nach dem Ergebnis einer Reihung der Projekte durch den WR möglich.

­ Auch Großgeräte sind nur dann förderfähig, wenn sie weit überwiegend der Forschung dienen und wenn die Kosten für die Beschaffung 100 000 Euro an Fachhochschulen 200 000 Euro an anderen Hochschulen übersteigen. Die Großgeräteanträge werden der DFG vorgelegt. Diese begutachtet die Anträge nach den üblichen Qualitätskriterien und stellt nach positiver Begutachtung die anteiligen Bundesmittel zur Verfügung.

Von den 298 Mio. Euro Bundesmittel werden im Jahr 2007 85 Mio. Euro für die Förderung von Großgeräten eingesetzt.

Um einen gleitenden Übergang in die neue Förderung zu ermöglichen, wird es bei den Bauvorhaben eine Überleitungsphase geben, in deren Rahmen im Jahr 2007 Länderkontingente nach dem Königsteiner Schlüssel (Niedersachsen rund 9,2 %) gebildet werden. Für diese Regelung hat sich Niedersachsen in der Bund-Länder-AG nachhaltig eingesetzt.

Im Haushaltsplan 2007 sind im Einzelplan 06 Kap. 06 04 für die jetzt hier gebündelten Investitionen in den Hochschulbau (Bauvorhaben und Großgeräte - Investitionen nach Artikel 143 c GG und Artikel 91 b GG), rund 132 Mio. Euro veranschlagt. Das sind per Saldo rund 13 Mio. Euro mehr als noch im Haushalt 2006 (Einzelplan 06 und Einzelplan 20 zusammen) zur Verfügung standen. Die Mipla sieht ab 2008 eine Steigerung um weitere 15 Mio. Euro vor. Die Gesamtinvestitionen im Bereich des Hochschulbaus steigen damit wieder.

Dem WR wird eine entscheidende Rolle im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung gemäß Artikel 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG zukommen. Durch das Begutachtungs- und Rankingverfahren wird sichergestellt, dass nur Vorhaben von herausragender wissenschaftlicher Qualität und nationaler Bedeutung gefördert werden.

Das Land wird sich selbstverständlich dafür einsetzen, dass die Bundesmittel für den Hochschulbau auch nach 2013 noch zweckgebunden und in mindestens der gleichen Höhe zur Verfügung stehen werden.