Stand und Zukunft der außergerichtlichen Streitschlichtung in Niedersachsen

Nach Aussage der Landesregierung ist die Stärkung alternativer außergerichtlicher Streitschlichtungsformen ein wichtiges Ziel ihrer Justizpolitik. Eine außergerichtliche Verständigung bietet viele Vorteile - sie kann einen Streit häufig schneller und kostengünstiger als ein Prozess vor staatlichen Gerichten beenden.

Als Schlichtungsformen kommen die Schlichtung durch gemeindliche Schlichtungseinrichtungen, Handwerksorganisationen, IHK, Bauschlichtungsstellen, Kammern der freien Berufe oder Banken und Sparkassen, die Mediation oder das schiedsrichterliche Verfahren nach der ZPO in Betracht.

Die Mediation hat sich in den letzten Jahren einen ausgezeichneten Ruf als alternatives Konfliktschlichtungsinstrument erworben. Im Gegensatz zur kontradiktorischen Streitschlichtung mit einem Gewinner und einem Verlierer setzt die Mediation auf einen vermittelnden Diskurs der streitenden Parteien, um somit zu einer gütlichen und befriedigenden Einigung auf beiden Seiten zu kommen.

Ein gelungenes Mediationsverfahren - egal, ob gerichtsnah oder außergerichtlich - kann daher zur Justizentlastung und zu einer konfliktfreieren Gesellschaft führen.

Seit dem 01.03.2002 wird an einigen niedersächsischen Gerichten das Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen" durchgeführt. Die auf zweieinhalb Jahre angelegte Projektphase, in der an sechs Modellgerichten mit unterschiedlichen Rechtsgebieten in geeigneten Fällen Mediation als Alternative zum gerichtlichen Verfahren angeboten wird, hat im September 2002 begonnen und ist im Februar 2005 ausgelaufen. Der bisher vorliegende Abschlussbericht hat gezeigt, dass nicht nur die Zahl der Mediationseinwilligungen, sondern auch die Anzahl der durchgeführten und auch erfolgreich abgeschlossenen Mediationen stetig zugenommen hat. Die Mediationsverfahren dauerten im Schnitt nur zwei bis zweieinhalb Stunden, es konnten eine hohe Einigungsquote (ca. 81 %) erzielt und eine hohe Zufriedenheit der Medianten festgestellt werden.

Weniger Informationen liegen über die gemeindliche Streitschlichtung, die Schlichtungsverfahren durch verschiedene Organisationen, Institutionen und Kammern und auch die Schiedsverfahren vor.

Ich frage die Landesregierung:

I. Außergerichtliche Mediation:

1. Hat die Landesregierung Kenntnisse über die Zahl der in Niedersachsen ansässigen Mediatorinnen und Mediatoren?

2. Hat sie Erkenntnisse, wie häufig außergerichtliche Mediationsverfahren in Niedersachsen angewendet werden?

3. Wie werden diese Erkenntnisse rechtspolitisch bewertet?

4. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob die außergerichtliche Mediation substanziell zur Justizentlastung beiträgt?

5. Wenn ja, wie will sie konkret über die bestehenden Modellversuche hinaus die Mediation in Niedersachsen fördern?

6. Sind nach ihrer Meinung die verschiedenen Mediationsangebote in Niedersachsen ausreichend vernetzt, oder muss die Vernetzung intensiviert werden?

7. Ist die alternative Streitschlichtung bei der Bevölkerung hinreichend bekannt und akzeptiert? Wenn nicht, wie will die Landesregierung die außergerichtliche Streitschlichtung zu einem höheren Bekanntheitsgrad führen?

8. Hält die Landesregierung eine institutionelle Förderung von Gemeinwesenmediation, wie sie z. B. in Lüneburg existiert und sich in Oldenburg entwickelt und die gerade für sozialund finanzschwache Bürger die Mediation ermöglichen soll, für sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund, dass damit die Prozesskostenhilfe reduziert werden könnte und die Zahl von Bagatellstreitigkeiten vor den Gerichten u. U. zurückgeht?

9. Wie bewertet sie den Vorschlag zur Einrichtung einer Clearingstelle für Rechtsuchende pro Landgerichtsbezirk, um den Rechtsuchenden die verschiedenen Möglichkeiten zur Konfliktbefriedigung aufzuzeigen?

10. Lässt sich das Modell der Öffentlichen Rechtsberatung Hamburg (ÖRA) auf Niedersachsen übertragen?

11. Ist es möglich, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren aufgrund von § 15 a EGZPO von einem Mediator durchführen zu lassen?

12. Wie bewertet die Landesregierung das österreichische Mediationsgesetz? Hält sie das Gesetz für sinnvoll und übertragbar auf Niedersachsen?

13. Müssen nach ihrer Ansicht in Niedersachsen einheitliche Qualitätsstandards in der Mediation entwickelt werden?

14. Hält sie unter Verbraucherschutzgesichtspunkten eine einheitliche Zertifizierung des Titels Mediator für erstrebenswert?

II. Schiedsrichterliches Verfahren:

1. Hat die Landesregierung Erkenntnisse, ob in allen niedersächsischen Gemeinden Schlichtungseinrichtungen vorhanden sind? Wenn ja, wie viele Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sind in Niedersachsen tätig?

2. Gibt es eine Häufung von schiedsrichterlichen Verfahren in eher ländlichem Gebiet im Vergleich zu städtischen Gebieten?

3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse, wie häufig schiedsrichterliche Verfahren in den Gemeinden in Niedersachsen angewendet werden?

4. Mit welchem Erfolg sind die Schlichtungseinrichtungen tätig, d. h. in wie vielen Fällen können gerichtliche Verfahren durch die Schlichtungsverfahren vermieden werden?

5. Wie fördert die Landesregierung bisher die gemeindlichen Schlichtungseinrichtungen?

6. Gibt es für alle Gemeinden feststehende oder auch vorgeschriebene Kriterien für die Auswahl von ehrenamtlichen Schiedspersonen? Wenn ja, welche?

7. Wie erfolgt die Ausbildung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter?

8. Wie ist die Fortbildung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter geregelt, und kann bzw. muss sie verbessert werden?

9. Wer überwacht die Tätigkeit der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter und nach welchen Kriterien?

10. Ist das schiedsrichterliche Verfahren bei der Bevölkerung hinreichend bekannt und akzeptiert? Wie kann ggf. eine Verbesserung der Akzeptanz bei der Bevölkerung erreicht werden?

III. Gerichtsnahe Mediation:

1. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus dem Abschlussbericht zum Modellprojekt „Schlichten statt richten - Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen"?

2. Wird das Projekt als Streitschlichtungsmöglichkeit innerhalb der niedersächsischen Justiz fortgesetzt, wenn nein, warum nicht?

3. Wird es eine Ausweitung auf weitere (außer den sechs Projektgerichten) Gerichte in Niedersachsen geben?

4. Beabsichtigt die Landesregierung, weitere Richter als Mediatoren auszubilden?

Die vielfältigen Möglichkeiten, Konflikte auch ohne staatliche Gerichte zu lösen, werden je nach Verfahrensweise und Rechtsgebiet mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet. In dieser Antwort werden folgende Begriffe verwendet: Gemeindliche Schiedsämter Gemeindliche Schiedsämter gibt es in allen niedersächsischen Gemeinden. Die Aufgaben des Schiedsamts werden ehrenamtlich von einer Schiedsfrau oder einem Schiedsmann wahrgenommen, die vom Rat der Gemeinde für fünf Jahre gewählt werden. Schiedsfrauen und Schiedsmänner sind zuständig für den friedlichen Ausgleich von Interessen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Arbeitsgerichte zuständig sind. Daneben ist das Schiedsamt Vergleichsbehörde im Sinne des § 380 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO). Schiedsfrauen und Schiedsmänner führen das obligatorische Sühneverfahren durch bei Delikten, die im Normalfall wegen fehlenden öffentlichen Interesses im Rahmen des Privatklageverfahrens zu verfolgen sind (Hausfriedensbruch, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Sachbeschädigung). Branchen- und berufsbezogene Schlichtungsstellen Solche Schlichtungsstellen versuchen in Streitfällen ihrer Branchen und Berufsgruppen, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Diese Einrichtungen werden oft auch als Schiedsstellen, Beschwerdestellen, Einigungsstellen, Ombudsleute oder Vermittlungsstellen bezeichnet. Träger der Schlichtungsstellen sind beispielsweise Innungen und Handwerkskammern, Kammern der freien Berufe oder Industrie- und Handelskammern. In der Regel befassen sich die Schlichtungsstellen ausschließlich mit Streitigkeiten aus den Branchen, die mit dem Aufgabenbereich ihres Trägers in Zusammenhang stehen.

Anerkannte Gütestellen:

Eine Gütestelle ist eine staatlich anerkannte Stelle zur außergerichtlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. In Niedersachsen erfolgt die Anerkennung als Gütestelle im Sinne von § 794 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgrund einer Verwaltungsübung durch das Niedersächsische Justizministerium. Eine gesetzliche Regelung existiert bislang nicht.

Das Güteverfahren wird auf Antrag wenigstens einer Partei eingeleitet. Bereits die Einreichung des Güteantrages bei der Gütestelle hemmt die Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches).