Ist die Landesregierung bereit, den Status und die Rechtsstellung der Berufsbetreuerinnen und -betreuer in Niedersachsen zu verbessern?

Berufsbetreuerinnen und -betreuer leisten nach dem Betreuungsgesetz eine wichtige und anerkannte gesellschaftliche Arbeit. Es handelt sich um engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Belange „Schwächerer" in unserer Gesellschaft einsetzen.

Durch einen Verwaltungsgerichtsbeschluss wurden Berufsbetreuerinnen- und -betreuer als Gewerbetreibende eingestuft. Durch diese Entscheidung mussten sie ein Gewerbe anmelden, ohne dass bis heute klar ist, was für ein „Gewerbe" sie ausüben. In der Hauptsache handelt es sich um Verwaltungstätigkeit und die „Organisation" des Lebens ihrer Betreuten. Sie treiben weder Handel, noch stellen sie etwas her.

Außer der Gewerbesteuer, die sie zahlen müssen, wurde ihnen aber auch eine „Zwangsmitgliedschaft" in der jeweiligen Industrie- und Handelskammer vorgeschrieben. Diese „Zwangsmitgliedschaft" betrachten die Betroffenen als eine finanzielle Zumutung, da die IHK sie in keiner Weise vertreten oder unterstützen kann. Auch „Geschäftsverbindungen" können seitens der IHK nicht hergestellt werden, die die Berufsbetreuerinnen- und -betreuer ja ausschließlich von den Gerichten bestellt werden.

Nachlassverwalter und Vermögensverwalter sind z. B. nach § 18 des Einkommensteuergesetzes mit einem besonderen gesetzlichen Status ausgestattet. Sie sind meines Erachtens auch nicht „IHK-Zwangsmitglieder". Als der § 18 EStG neu gefasst wurde, gab es den Beruf der „Betreuer" noch nicht, sodass sie damals auch nicht in diese gesetzliche Regelung aufgenommen werden konnten.

Bei Betreuten, die sie länger als zwölf Monate betreuen, erhalten Berufsbetreuerinnen und -betreuer einen pauschalierten Vergütungssatz von z. B. zweimal 33,50 Euro (incl. MWSt) pro Monat. Von dieser Vergütung haben sie Steuern, Versicherungen, IHK-Beitrag und alle weiteren anfallenden Kosten zu bestreiten. Bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung wurden die Vergütungspauschalen nicht um 3 % angepasst, sodass die Steuererhöhung zu einem realen Einkommensverlust von 3 % geführt hat.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Ist sie bereit, eine Initiative zur Ergänzung des § 18 EStG einzuleiten und damit die Berufsbetreuerinnen und -betreuer in die dort genannte Gruppe mit einzubeziehen?

2. Sieht sie eine „Zwangsmitgliedschaft" von Berufsbetreuerinnen und -betreuern in der jeweiligen Industrie- und Handelskammer als ungerechtfertigt an, und was ist sie bereit, dagegen zu veranlassen?

3. Wird sie eine Erhöhung der pauschalen Vergütungssätze für Berufsbetreuerinnen und -betreuer veranlassen, damit mindestens die Einnahmeverluste durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgeglichen werden?

4. Sieht sie andere Möglichkeiten, den Status und die Rechtsstellung von Berufsbetreuerinnen und -betreuern im Sinne von deren gesetzlicher Aufgabenstellung zu verbessern?

160 Berufsbetreuerinnen und -betreuern kommt als gerichtlich bestellten Betreuern im Betreuungswesen eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe zu, die sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben wahrnehmen und für die sie vergütet werden. In Niedersachsen werden etwa 30 % aller etwa 130 000 Betreuungen beruflich geführt, 70 % der Betreuungen liegen in ehrenamtlichen Händen.

Seit Einführung des Betreuungsrechts vor fünfzehn Jahren hat sich die Anzahl der Verfahren in etwa verdoppelt. Demgegenüber sind die Ausgaben des Justizhaushalts für Vergütungen und Auslagen- und Aufwendungsersatz unverhältnismäßig angestiegen. Sie haben sich im gleichen Zeitraum mehr als verhundertfacht und liegen zurzeit bei über 57 Millionen Euro. Etwa 80 % dieser Istausgaben entfallen auf die Position „Berufsbetreuervergütung", die wesentlich größere Gruppe der ehrenamtlichen Betreuer verursacht dagegen einen Kostenanteil von lediglich 20 %.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der gerichtlich bestellte Betreuer besorgt in dem ihm zugewiesenen Aufgabenkreis die Rechtsangelegenheiten der hierzu nicht mehr selbst fähigen Person (§ 1897 Abs. 1 BGB). Es können ihm neben Angelegenheiten, die die Vermögensverwaltung betreffen, auch persönliche Angelegenheiten, z. B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung des Aufenthalts oder des Umgangs zugewiesen werden.

Die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte eines Berufsbetreuers sind nicht als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Sinne § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) zu werten. Die dafür notwendigen Bedingungen liegen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 04.11.2004 BStBl 2005 II S. 288) nicht vor, weil der Berufsbetreuer nicht freiberuflich im Sinne des EStG tätig ist. Weder übt er einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Katalogberufe aus, noch entspricht sein Beruf im Kern den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten sonstigen selbstständigen Tätigkeiten. Denn seine Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die Wahrnehmung fremder Vermögensangelegenheiten oder auf eine durch die Vermögensverwaltung geprägte gemischte Tätigkeit.

Sollte eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf Tätigkeiten erwogen werden, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgehen, kann diese Ausdehnung nicht auf die Gruppe der Berufsbetreuer beschränkt werden.

Sie müsste vielmehr auch vergleichbare andere Tätigkeiten umfassen, die bisher als Gewerbebetrieb beurteilt werden - z. B. häusliche Pflegehilfe - BFH-Urteil vom 22.01.2004 - BStBl II S. 509; Altenpflege, soweit auch eine hauswirtschaftliche Versorgung der Patienten erfolgt - BMFSchreiben vom 22.10.2004 - BStBl I S. 1030). Dies dürfte zu neuen Abgrenzungsfragen in nicht wenigen Einzelfällen führen.

Im Übrigen dürfte die tatsächliche Belastung mit einer Gewerbesteuer selbst bei Berufsbetreuern mit einem Gewerbeertrag über dem Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG (jährlich 24 500 Euro) aufgrund des derzeit zu gewährenden Betriebsausgabenabzugs und der zusätzlichen Anrechnung des 1,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die tarifliche Einkommensteuer (§ 35 Abs. 1 EStG) bereits gegenwärtig eher gering sein. Durch die geplanten Änderungen aufgrund des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wird die tatsächliche Belastung der Personenunternehmer mit Gewerbesteuer ab dem Jahr 2008 im Ergebnis nochmals vermindert werden.

Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf, eine Initiative zur Ergänzung des § 18 EStG einzuleiten mit dem Ziel, die Berufsbetreuerinnen und -betreuer in die dort genannte Gruppe mit einzubeziehen.

Zu 2: Die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer ist als unmittelbare Rechtsfolge an die objektive Gewerbesteuerpflicht geknüpft. Diese gesetzliche Verknüpfung orientiert sich an dem Gedanken, dass sowohl Gewerbesteuerpflicht als auch die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer oder zur Handwerkskammer in unmittelbarem Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit stehen. Der Kreis der IHK-Zugehörigen ist in § 2 Abs.1 IHKG umfassend und abschließend geregelt. Die IHK-Mitgliedschaft knüpft dabei an drei Voraussetzungen an: eine im Gesetz aufgeführte Rechtsform, Gewerbesteuerpflicht und Betriebsstätte im Kammerbezirk. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 04.11.2004 - Az. IV R 26/03 - sind die Berufsbetreuerinnen und -betreuer gewerblich tätig und unterliegen deshalb der Gewerbesteuerpflicht. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Berufsbetreuerinnen und -betreuer im Bezirk ihrer beruflichen Niederlassung IHK-zugehörig sind. Diese Kammerzugehörigkeit ist also nicht willkürlich auferlegt, sondern gesetzliche Folge der Gewerbesteuerpflicht.

Die Landesregierung beabsichtigt nicht, für den Berufsstand der Berufsbetreuer eine Ausnahmeregelung zu erreichen. Die jetzige Regelung dient der Rechtsicherheit und Rechtsklarheit aller betroffener Gewerbetreibender. Sie würde infrage gestellt, sollte das System der Abhängigkeit der IHK-Zugehörigkeit von der Gewerbesteuerpflicht aufgrund Ausnahmeregelungen aufgegeben werden.

Zu 3: Die Vergütung der Tätigkeit der Berufsbetreuer ist mit Inkrafttreten des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes seit dem 1. Juli 2005 durch das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) neu geregelt worden. Anders als nach der bis dahin geltenden Regelung können umsatzsteuerpflichtige Berufsbetreuer die anfallende Umsatzsteuer nicht mehr zusätzlich ersetzt verlangen. Die entsprechende Regelung in § 4 Abs. 2 VBVG weist vielmehr die anzusetzenden Stundensätze ausdrücklich als Inklusivstundensätze aus. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer bedeutet für die Berufsbetreuer daher in der Tat eine reale Kürzung der Nettovergütung.

Andererseits ist gerade die Auswirkung der neuen Vergütungsregelung in Bezug auf die Auskömmlichkeit für die Berufsbetreuerinnen und -betreuer Gegenstand einer Evaluierung des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, die im Auftrag des Bundes durch das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln durchgeführt wird. Der Abschluss dieser Evaluierung, der Ende Februar 2009 erfolgen wird, ist abzuwarten, da erst dann belastbares Datenmaterial vorliegen wird, um über einen möglichen Einkommensverlust der Berufsbetreuerinnen und -betreuer eine konkrete Aussage treffen zu können.

Zu 4: Die Landesregierung hält - wie oben ausgeführt - die gegenwärtigen Rahmenbedingungen zur Erfüllung der Aufgaben der Berufsbetreuerinnen und -betreuer für angemessen. Eine Überprüfung wird erst nach Vorlage der Evaluierungsergebnisse (vgl. Antwort auf Frage 3) für sinnvoll erachtet.