Befangenheit

Können Prüfungen durch den Landesrechnungshof, bezogen auf bestimmte Senatsmitglieder, von betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung auch unterhalb des Staatssekretärranges wegen Befangenheit abgelehnt werden?

Im Rundblick Nr. 227 vom 18.12.2006 wird berichtet, dass Staatssekretär Meyerding das Mitglied des Senats des Landesrechnungshofs, Hermann Palm, zukünftig als Prüfer der Verwaltungsreform aus unterschiedlichen Gründen für befangen hält und ihn künftig als Prüfer in seinem gesamten Geschäftsbereich ablehnt. Diese Aussage ist von Staatssekretär Meyerding in der Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen am 21.02.2007 ausdrücklich noch einmal bestätigt worden. Nach dem Landesrechnungshofgesetz hat der Rechnungshof selbst, ähnlich wie Gerichte, über Befangenheiten zu befinden, und das Feststellen von Befangenheiten liegt nicht im Ermessen von Betroffenen, seien sie auch im Rang eines Staatssekretärs. Die Mitglieder des Senats des Rechnungshofs sind von der Landesregierung erst nach Zustimmung des Landtages zu ernennen, sie besitzen die richterliche Unabhängigkeit, und ihre Aufgabe ist nach Artikel 70 der Landesverfassung die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung.

Im jeweiligen Jahresbericht wird vom Landesrechnungshof immer wieder das Verwaltungshandeln aller Ebenen der Landesverwaltung kritisch unter die Lupe genommen. Es werden auch Regressforderungen gegenüber Landesbediensteten erhoben.

Allerdings sind Ablehnungen von Prüfungen wegen Befangenheit durch Senatsmitglieder für ganze Geschäftsbereiche in welcher Verwaltungsebene auch immer in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Auch scheint es gegen den ehemaligen Präsidenten des Niedersächsischen Landesrechnungshofs, Wolfgang Meyerding, solche Vorwürfe der Befangenheit in seiner Amtszeit nicht gegeben zu haben.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Mit welcher Begründung sind Senatsmitglieder des Landesrechnungshofs für Prüfungen ganzer Geschäftsbereiche auf welcher Verwaltungsebene bisher abgelehnt worden, und wird das Innenministerium zukünftig nicht mehr vom Senatsmitglied des Landesrechnungshofs, Hermann Palm, geprüft?

2. Welche Empfehlungen im Umgang mit Prüfungsmitteilungen des Landesrechnungshofs gibt sie von solchen Mitteilungen betroffenen Beschäftigten bezüglich der Ablehnung von bestimmten Prüfern wegen Befangenheit und einer presseöffentlichen Auseinandersetzung über Prüfungsmitteilungen und späteren Veröffentlichung im jeweiligen Jahresbericht des Landesrechnungshofs?

3. Welches sind die im Rundblick Nr. 227 angesprochenen „verschiedenen Gründe", die zur Vermutung der Befangenheit führten, und welche rechtlichen Möglichkeiten hätte die Landesregierung, z. B. eine Prüfung der Wirkung und Wirtschaftlichkeit der Job-Börse, abzulehnen?

Nach Artikel 70 der Niedersächsischen Verfassung prüft der Landesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er berichtet darüber dem Landtag und unterrichtet gleichzeitig die Landesregierung. Die Mitglieder des Landesrechnungshofs genießen eine besondere Rechtsstellung, die u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sie aufgrund einer Wahl durch den Landtag oder mit dessen Zustimmung von der Landesregierung ernannt werden und, obwohl sie keine Richter, sondern Beamte sind, den Sonderstatus der richterlichen Unabhängigkeit besitzen. Unabhängigkeit bedeutet insbesondere, dass die Mitglieder bei ihrer Tätigkeit keinen fachlichen Weisungen unterliegen. Mit dieser verfassungsrechtlich verankerten richterlichen Unabhängigkeit soll gewährleistet werden, dass die Finanzkontrolle durch unabhängige und unbeteiligte Dritte und damit unvoreingenommen ausgeübt wird. Weitere Regelungen zur Rechtsstellung der Mitglieder des Landesrechnungshofs trifft das Gesetz über den Niedersächsischen Landesrechnungshof (LRHG).

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LRHG entscheidet der Senat des Landesrechnungshofs über den Ausschluss eines seiner Mitglieder von der weiteren Mitwirkung, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an der Unbefangenheit dieses Mitglieds zu rechtfertigen. Dabei meint Befangenheit eine unsachliche innere Einstellung zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens.

Solche Zweifel an der Unbefangenheit können vorliegen, wenn bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Mitglieds zu zweifeln. Nicht erforderlich ist, dass das Mitglied tatsächlich befangen ist oder sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, das abgelehnte Mitglied stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Dabei muss schon der äußere Anschein von Befangenheit vermieden werden.

Über den Ausschluss eines Mitglieds von der Mitwirkung entscheidet der Senat des Landesrechnungshofs aufgrund der Anzeige des Mitglieds (§ 6 Abs. 2 Satz 2 LRHG), vom Amts wegen oder auf Antrag der an einer Prüfung beteiligten Institution.

Wenn in der Presse in der jüngeren Vergangenheit über Auseinandersetzungen zwischen einem Mitglied des Landesrechnungshofs und dem Ministerium für Inneres und Sport berichtet wurde, so waren Anlass dafür verschiedene Prüfungen bzw. Äußerungen des oder aus dem Landesrechnungshof, die alle in der Zuständigkeit dieses Mitglieds lagen und zum Teil grundlegende sachliche Fehler enthielten, die auch nach entsprechenden Hinweisen unkorrigiert blieben.

Deutlich wurde dies erstmals durch die Veröffentlichung eines internen Papiers aus dem Landesrechnungshof, dessen Autor das in der Anfrage genannte Mitglied des Landesrechnungshofs war und das noch vor einer Abstimmung im Senat des Landesrechnungshofs an die Presse gelangte.

Die Berechnungsmethoden in diesem Papier widersprachen allen Berechnungsverfahren, wie sie in Deutschland bei allen Rechnungshöfen und erfahrenen Haushältern bisher Anwendung fanden und finden. Durch diesen nicht nachvollziehbaren, sachlich fehlerhaften methodischen Ansatz wurden die damals prognostizierten Einspareffekte der von der Landesregierung durchgeführten Verwaltungsmodernisierung aus dem vorgesehenen Stellenabbau ganz grundsätzlich und völlig realitätsfern in Frage gestellt. Der Landesrechnungshof veröffentlichte seinen späteren Bericht an den Landtag in dieser Sache dann auch ohne diese umstrittene Berechnung. Die nach der seitdem eingetretenen Entwicklung tatsächlich erzielten Einsparungen aus dem entsprechenden Stellenabbau bestätigen die Auffassung der Landesregierung eindrucksvoll.

In einer weiteren, ebenfalls in die Zuständigkeit des genannten Mitglieds fallenden Mitteilung des Landesrechnungshofs, die wiederum frühzeitig den Weg in die Presse fand, wurden angebliche „monetäre Risiken der Verwaltungsmodernisierung" behauptet. Dazu wurden zum einen unter schlichter Außerachtlassung eines entsprechenden Kabinettsbeschlusses aus dem Jahr 2003 zu Beginn und Umfang des verwaltungsreformbezogenen Abbaues von insgesamt 6 743 Stellen lediglich 5 282,5 Stellen berücksichtigt. Die Nichtberücksichtigung des Einsparvolumens von 1 460,5

Stellen, d. h. von rund 21 v. H. des Gesamteinsparvolumens, war weder nachvollziehbar noch geeignet, die behaupteten Risiken der Verwaltungsmodernisierung zu begründen, wie auch die aus dem reformbezogenen Stellenabbau bislang tatsächlich erzielten Einsparungen belegen. Zum anderen wurden in die „Risikoermittlung" fehlerhafterweise Bezügedurchschnittswerte eingestellt und mit der Gesetzesfolgenabschätzung der Landesregierung aus dem Jahr 2004 verglichen, die, anders als noch die Gesetzesfolgenabschätzung, die aufgrund einer zwischenzeitlichen Rechtsänderung entfallenen Bezügeanteile aus der früheren Sonderzuwendung für Beamtinnen und Beamte nicht mehr beinhalteten. Die durch die Streichung der Sonderzuwendung eingesparte Summe wurde und wird jedoch an anderer Stelle im Haushalt ausgewiesen, sodass auch insoweit keine Risiken für die monetären Sparziele der Verwaltungsmodernisierung bestehen.

Auch bei der wiederum in die Zuständigkeit des genannten Mitglieds fallenden Prüfung der „JobBörse" sind Mängel in der Sachverhaltsermittlung und -darstellung sichtbar geworden. So wurden in der entsprechenden Prüfungsmitteilung Fachbegriffe verwendet, die seit der bereits zwei Jahre vor Ergehen der Prüfungsmitteilung erfolgten Neufassung des Job-Börsen-Erlasses ausdrücklich nicht mehr verwendet werden. Das ist für das materielle Prüfergebnis an sich zu vernachlässigen, deutet in der Gesamtschau aber auf einen Mangel in der Sorgfalt hin. Vermittlungserfolge der „JobBörse" wurden trotz gegenteiliger Hinweise nicht berücksichtigt, da sie in der erst später freigeschalteten Datenbank nicht enthalten waren. Die Gruppe der Lohnempfänger wurde pauschal als schwer vermittelbar qualifiziert, obwohl die nachweisbaren Vermittlungen das Gegenteil belegen.

Bei dieser Behauptung wurde eine einzige in den Akten gefundene E-Mail als Beleg verwendet.

Dem standen 153 erfolgte Vermittlungen (= 29 v. H.) bei insgesamt 526 der „Job-Börse" gemeldeten Lohnempfängern gegenüber. Zum Vergleich: Von 1 170 Meldungen über alle Berufsgruppen waren damals insgesamt 418 (= 36 v. H.) vermittelt worden. Schließlich wurde schlicht behauptet, die Prüfung lasse den Schluss zu, das Ministerium für Inneres und Sport als Träger der „Job-Börse" müsse nur entschiedener gegen angeblich veränderungsunwillige Beschäftigte vorgehen und schon werde sich die Vermittlungsquote verbessern. Das für einen solchen „Einwirkungsmangel" weder zahlenmäßige noch sonstige Nachweise geliefert wurden, dürfte schon darin begründet sein, dass die vom Landesrechnungshof geforderten dienstrechtlichen Konsequenzen ohnehin nur von den jeweiligen Personaldienststellen der Betroffenen gezogen werden könnten, keinesfalls aber von der „Job-Börse" des Ministeriums für Inneres und Sport. Erkenntnisse über entsprechende Maßnahmen oder ihr Unterbleiben konnten folglich auch nicht im Rahmen von örtlichen Erhebungen in der Job-Börse gewonnen werden, sondern hätten entsprechende Prüfungshandlungen bei den jeweiligen Personaldienststellen erfordert.

Das Ministerium für Inneres und Sport hat sich mit den genannten Papieren und Prüfungsmitteilungen sowie den daraus entstandenen Denkschriftsbeitragsentwürfen, aber auch mit allen sonstigen Anfragen des Landesrechnungshofs im Zusammenhang mit den genannten Prüfungen auseinander gesetzt und in der Sache gegenüber dem Landesrechnungshof Stellung bezogen. Soweit die Landesregierung Feststellungen und Bewertungen des Landesrechnungshofs nicht geteilt hat, hat sie dies in ihren Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht. Zu Presseberichten über die genannten Prüfungen hat sich die Landesregierung ebenfalls im Rahmen des Erforderlichen geäußert. Soweit Äußerungen des Landesrechnungshofs Gegenstand der Beratungen in Ausschüssen des Landtages waren, hat die Landesregierung auch dort ihre Auffassung vertreten. So wird auch künftig verfahren werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu 1:

Soweit ersichtlich, sind Senatsmitglieder des Landesrechnungshofs von Behörden und Dienststellen des Landes bislang nicht nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LRHG abgelehnt worden. Über die Verteilung der Geschäfte des Landesrechnungshofs auf die Abteilungen und Prüfgebiete sowie deren Zuordnung zu den Senatsmitgliedern entscheidet der Ältestenrat des Landesrechnungshofs (§ 11 LRHG).

Zu 2 und 3:

Siehe Vorbemerkung.