Erkennungsdienstliche Maßnahmen wurden nur bei den an der Blockadeaktion beteiligten Personen vorgenommen

Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellungen wird derzeit in drei verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen wurden nur bei den an der Blockadeaktion beteiligten Personen vorgenommen. Dabei wurden zur Identitätsfeststellung gemäß § 163 b Strafprozessordnung (StPO) lediglich Videofilmaufnahmen und Polaroidbilder angefertigt; dies betraf vorwiegend Personen, die sich vor Ort nicht ausweisen konnten.

Soweit die Unterlagen ausgewertet wurden, sind Bildaufnahmen zur Identitätsfeststellung von Kindern (Minderjährige unter 14 Jahren) nicht gefertigt worden. Bei an der Blockadeaktion unbeteiligten Personen wurden keine erkennungsdienstlichen Maßnahmen vorgenommen.

Die Videofilmaufnahmen werden für die noch anhängigen Ermittlungsverfahren bei der zuständigen Polizeiinspektion (PI) Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen archiviert. Die personenbezogenen Daten werden im Niedersächsischen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS gespeichert. Nach Abschluss der Ermittlungs- bzw. Strafverfahren richten sich die weitere Speicherung und die Prüfund Löschfristen nach den §§ 483 ff. StPO in Verbindung mit §§ 38 ff. Nds. SOG. Die Polaroidaufnahmen fließen als Papieraktenbestandteil in den Ermittlungsvorgang ein und werden nach Abgabe an die Staatsanwaltschaft Lüneburg dort archiviert.

Zu 3: Die Frage dürfte sich auf eine Blockadeaktion in Langendorf am 12.11.2006 beziehen, bei der sich gegen 21.15 Uhr aus einer zwölfköpfigen Gruppe heraus vier Personen auf der Fahrbahn an einen Betonklotz angekettet hatten. Um weiteren Zulauf unter anderem von ca. 100 Personen aus Richtung Grippel zu verhindern, traf die Polizei Absperrmaßnahmen. Um die an dem Betonklotz befindlichen Personen wurde ein Sicherheitsbereich mit einem Radius von ca. zehn Metern gebildet (innere Absperrung). Vier Rechtsanwälte wurden gegen 22.10 Uhr zu den Blockierern gelassen und gegen 23 Uhr, als die Arbeiten zur Loslösung der Blockierer beginnen sollten, aufgefordert, die innere Absperrung zu verlassen. Zwei Rechtsanwälte kamen dieser Aufforderung nicht nach und behaupten, in der Folge 30 Minuten lang in Gewahrsam genommen worden zu sein. Die behauptete Freiheitsentziehung wird zurzeit auf Antrag der betroffenen Rechtsanwälte vor dem Amtsgericht Dannenberg überprüft.

Zu 4: Am Abend des 11.11.2006 kam es im Zusammenhang mit einem „Laternenumzug" aus Metzingen zu erheblichen Störungen und aggressivem Verhalten gegenüber den Einsatzkräften der Polizei. Im Verlauf einer Blockadeaktion mit bis zu 250 Teilnehmern und mehreren Traktoren wurden Barrikaden aus Strohballen und Baumstämmen errichtet und angezündet. Zivile Einsatzfahrzeuge der Polizei wurden aus dem Wald heraus mit Steinen beworfen. Ein Einsatzfahrzeug der Bundespolizei wurde von etwa 70 Störern eingeschlossen und erheblich beschädigt; hinzueilende Polizeibeamte wurden von Störern aus der Menge heraus mit Gegenständen beworfen. Eine Gruppe von etwa 20

Personen hatte sich vermummt.

U. a. gegen eine Person, die versuchte, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen und behauptete, als Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr nach Sirenenalarm auf dem Weg zum Gerätehaus zu sein, sich jedoch nicht ausweisen konnte, wird in diesem Zusammenhang wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt.

Zu 5: Der Vorwurf, ein Polizeibeamter sei mit gezogener Waffe gegen Störer vorgegangen, wurde im Zusammenhang mit einem „Laternenumzug" in Quickborn erhoben. Dort kam es zwischen Quickborn und Langendorf bei der Kontrolle eines Kleinlastwagens, auf dem sich ein Betonklotz befand, zu heftigen Widerstandshandlungen durch Fahrer und Beifahrer des kontrollierten Fahrzeugs, an denen sich auch Teilnehmer des Umzugs beteiligten. Dabei erlitt ein Beamter durch Schläge mit einer Metallstabtaschenlampe eines der Beteiligten schwere Gesichts- und Kopfverletzungen. In dieser Sache werden bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg vier Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer des „Laternenumzuges" und ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen zwei Polizeibeamte geführt.

Zu 6 und 7:

Sämtliche Gerichtsentscheidungen werden durch das Ministerium für Inneres und Sport und die Polizeidirektion Lüneburg ausgewertet. Sofern sie von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung sind, werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse zum Beispiel in Form von Handlungsanweisungen der Polizeidirektion umgesetzt und durch das Castor-Portal mittels Intranet den im Einsatz befindlichen Polizeibeamten zugänglich gemacht. Zudem erhält jeder eingesetzte Beamte eine aktuelle Castor-Infobroschüre, die u. a. die Einsatzleitlinien und wichtige Hinweise enthält. Auf Einsatzbesprechungen der Polizeidirektion wird die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung regelmäßig umfangreich erörtert. Diese Informationen werden durch die Einheitsführer in ihre jeweiligen Einheiten weitergegeben.

Bei den in der Anfrage exemplarisch angeführten Entscheidungen aus dem Jahr 2005 handelt es sich vornehmlich um Entscheidungen, denen Polizeimaßnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 zugrunde lagen. Die streitgegenständlichen Verfahrensweisen der Polizei wurden teilweise schon vor Abschluss der gerichtlichen Verfahren geändert.

Zu 8 bis 11:

Vorbemerkung:

Der Fragesteller gibt die bei der Abschlusspressekonferenz der Polizeidirektion Lüneburg zum Castoreinsatz 2006 am 13.11.2006 genannten Zahlen über verschiedene polizeiliche Maßnahmen nach dem Nds. SOG wieder. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Zahlen nicht mit der Anzahl der von den Maßnahmen betroffenen Personen übereinstimmen, da Personen von mehreren verschiedenen Maßnahmen betroffen worden sein können.

Im Einzelnen werden die Fragen wie folgt beantwortet:

Zu 8: Für Ingewahrsamnahmen steht der Polizei eine Datenbank in dem Programm „GeSa 2006" zur Verfügung, in der während des Castoreinsatzes 2006 jedoch keine Speicherungen vorgenommen worden sind. Bei den genannten 204 Ingewahrsamnahmen handelte es sich um Ingewahrsamnahmen am Einsatzort, deren statistische Aufbereitung auf der Grundlage von Verlaufsberichten der Einsatzabschnitte und der Gesamteinsatzleitung erfolgt ist.

Ob und zu welchem Zweck Daten über Ingewahrsamnahmen gespeichert wurden, hängt von dem der Ingewahrsamnahme jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt ab. Soweit strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, werden die Daten bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens im Niedersächsischen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS gespeichert. Daten können auch zur Gefahrenabwehr, zur Verhütung und zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und zur Einsatzdokumentation in Dateien der Polizeidirektion Lüneburg gespeichert worden sein, wenn dies im Einzelfall erforderlich war. Die Anzahl der aus diesem Grund gespeicherten Datensätze, in denen sich auch Informationen über Ingewahrsamnahmen befinden, kann nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden.

Zu 9.: Personenbezogene Daten über Identitätsfeststellungen nach dem Nds. SOG wurden nicht in einer speziellen Datei gespeichert.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 8 verwiesen.

Zu 10: Von den insgesamt 752 ausgesprochenen Platzverweisen nach dem Nds. SOG wurden 54 Personen in der Datenbank Platzverweise im Programm „GeSa 2006" gespeichert. Diese Daten wurden nach Ablauf des dritten auf das Einsatzende folgenden Monats (Februar 2007) gelöscht.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 8 verwiesen.

Zu 11: Personenbezogene Daten über Durchsuchungen nach dem Nds. SOG wurden nicht in einer speziellen Datei gespeichert.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 8 verwiesen.

Zu 12: Mit Stand vom 4.05.2007 sind bei der PI Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen insgesamt 189

Straftaten im Zusammenhang mit dem Castortransport erfasst. Die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren kann hiervon abweichen, da in einem Verfahren wegen mehrerer Delikte oder gegen mehrere Beschuldigte (siehe z. B. Antwort zu Frage 2, ein Ermittlungsverfahren gegen 314 Beschuldigte) ermittelt werden kann.

Straftaten: Anzahl: § 90 a StGB Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole 01

§ 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 14

§ 120 StGB Gefangenenbefreiung 01

§ 123 StGB Hausfriedensbruch 04

§ 125, 125 a StGB Landfriedensbruch, bes. schw. Fall d. LF 11

§ 126 StGB Störung des öffentl. Friedens durch Androhung von Straftaten 01

§ 164 StGB Falsche Verdächtigung 02

§ 185 StGB Beleidigung 07

§ 223, 224 StGB Körperverletzung, gef. Körperverletzung 26

§ 239 StGB Freiheitsberaubung 03

§ 240 StGB Nötigung 06

§ 242, 243 StGB Diebstahl, bes. schw. Fall d. Diebstahls 10

§ 249 StGB Raub 01

§ 267 StGB Urkundenfälschung 01

§ 303, 304, 305 StGB Sachbeschädigung/Zerstörung von Bauwerken 35

§ 305a StGB Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel 05

§ 306 StGB Brandstiftung 06

§ 315, 315b StGB Gef. Eingriffe in den Bahn- und Straßenverkehr 28

§ 315c StGB Gefährdung des Straßenverkehrs 01

§ 316b StGB Störung öffentlicher Betriebe 03

§ 340 StGB Körperverletzung im Amt 08

§ 22 StVG Kennzeichenmissbrauch 01

§ 25, 26 VersG Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 03

§ 27 VersG Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 09

§ 40 SprengG Strafbarer Umgang und Verkehr sowie strafbare Einfuhr mit 01

§ 370 AO i. V. m. Steuerhinterziehung 01

KraftStG

Bei der zuständigen Polizeiinspektion (PI) erfolgt nach der Vorgangsabgabe an die Staatsanwaltschaft keine mit Bezug auf den Castortransport 2006 gesonderte Erfassung hinsichtlich der konkreten Tatvorwürfe und der Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter. Gleiches gilt für die zuständige Staatsanwaltschaft in Lüneburg.

Eine präzise Aussage zum etwaigen Ausgang dieser Verfahren wäre daher nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand bei den betreffenden Dienststellen möglich.

Zu 13: Die Polizeidirektion Lüneburg hat Kenntnis von 49 anhängigen Verfahren gemäß § 19 Nds. SOG im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006. Rechtskräftige Entscheidungen liegen noch nicht vor.

Zu 14: Derzeit liegen insgesamt 13 Strafanzeigen gegen am Einsatz beteiligte Polizeibeamte und 13 Beschwerden über Polizeibeamte bzw. gegen polizeiliche Maßnahmen vor.

Fünf der vorgenannten Strafanzeigen gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamten eingeleiteten insgesamt 13 Ermittlungsverfahren sind inzwischen von der Staatsanwaltschaft Lüneburg mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Zu 15: Das Landesamt für Verfassungsschutz hat im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006 nach Gorleben personenbezogene Daten erhoben. Diese Datenerhebung resultiert aus der Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz, Informationen über Bestrebungen und Beobachtungsobjekte im Sinne des § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes (NVerfSchG) zu sammeln und auszuwerten. Die Speicherung und Löschung der personenbezogenen Daten erfolgt unter den Voraussetzungen der §§ 8 bis 11 NVerfSchG. Grundsätzlich hat das Landesamt für Verfassungsschutz die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz prüft bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf Jahren, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu ergänzen, zu löschen oder zu sperren sind.

Zu 16: Im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006 erfolgte durch die Landespolizei kein Einsatz des IMSI-Catchers.

Zu 17: Im Zusammenhang mit dem Castortransport 2006 wurden verschiedene Strafanzeigen mit Angaben zu Fahrzeugen und Kfz-Kennzeichen erstattet, in denen insgesamt 54 Kfz-Kennzeichen festgehalten wurden. Diese Daten sind bislang nicht gelöscht, da es sich um laufende Ermittlungsverfahren handelt und die Daten zur weiteren Bearbeitung benötigt werden. Die Daten sind im Niedersächsischen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS gespeichert. Die weitere Speicherung der Daten sowie die Prüf- und Löschfristen richten sich nach §§ 483 ff. StPO i. V. m. §§ 38 ff. Nds. SOG.

Darüber hinaus sind anlässlich des Castortransports 2006 in 43 Fällen Kennzeichen zur Gefahrenabwehr, zur Verhütung von Straftaten und zur Dokumentation gespeichert worden, weil Fahrzeuge als Blockademittel in Betracht kamen. Dabei wurden einige Fahrzeuge mehrfach erfasst. Die Daten wurden noch nicht gelöscht, da sie weiterhin zur Verhütung von Straftaten benötigt werden.

Uwe Schünemann (Ausgegeben am 14.07.2007)