Ungeklärter Todesfall in der JVA Salinenmoor

Am 24.12.2006 verstarb ein Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor.

Einige Mitgefangene bestätigen, dass der Häftling in einem guten gesundheitlichen Zustand gewesen sei. Er habe noch am Vortag in der Freistunde Fußball gespielt und sich als „wendiger und agiler Stürmer" hervorgetan.

Ein Mitgefangener behauptet, der Häftling hätte in der Nacht zum 14.12.2006 Heroin konsumiert und außerdem diverse Medikamente vom Sanitäter erhalten.

Die Aussagen der Mitgefangenen waren der Haftanstalt bekannt. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, ein Fremd- oder Eigenverschulden ausgeschlossen und den Leichnam ohne Obduktion am 09.01.2007 freigegeben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aufgrund welcher Voraussetzung ist die Polizei von einer natürlichen Todesursache bei dem Häftling ausgegangen, und welche Todesursache wurde auf dem Totenschein eingetragen?

2. Liegt es nicht im Interesse der Landesregierung, selbst wenn die Polizei Fremd- oder Eigenverschulden ausschließt, bei plötzlichen Todesfällen und ungeklärten Todesursachen grundsätzlich eine Obduktion durchzuführen, um alle Umstände lückenlos aufzuklären?

3. Wie viele ungeklärte Todesfälle hat es in den vergangenen zwei Jahren in den niedersächsischen Haftanstalten gegeben?

4. Wie viele wurden davon obduziert, wann und warum wurde darauf verzichtet?

Die Kleine Anfrage befasst sich insbesondere mit einem in der Nacht vom 23. auf den 24.12. in der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor verstorben Strafgefangenen. Entgegen der Vorbemerkung wurde der Leichnam des Verstorbenen am 29.12.2006 und nicht am 09.01.2007 von der Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, freigegeben. Das Todesermittlungsverfahren ist am 02.01.2007 eingestellt worden.

Soweit in der Kleinen Anfrage die Behauptung eines Mitgefangenen wiedergegeben wird, der Verstorbene habe in der Nacht zum 14.12.2006 Heroin konsumiert (gemeint ist wohl der 24.12.2006) und außerdem diverse Medikamente vom Sanitäter erhalten, dürften sich diese Angaben auf die am 11.01.2007 bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, eingegangene Strafanzeige eines Mitgefangenen beziehen, der ähnlich lautende Erklärungen von zwei weiteren Mitgefangenen beigefügt hat. In dieser Strafanzeige, die der Gefangene auch an weitere öffentliche Stellen sowie die Medien übersandt hat, wird den Verantwortlichen in der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor vor geworfen, nicht verhindert zu haben, dass sich der Verstorbene fünf Päckchen Heroin und eine Spritze beschafft habe. Zudem sei der Verstorbene am Abend zuvor auch noch von der Anstalt mit einer Menge Medikamente, vermutlich Barbiturate, versorgt worden. Die Staatsanwaltschaft hat diese Behauptungen überprüft, jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass sie zutreffend sind. Vielmehr sind bei dem Verstorbenen während der Zeit seiner Inhaftierung seit 07.10.2006 keine Anzeichen für die Abhängigkeit oder den Konsum von Betäubungsmitteln festgestellt worden, auch nicht am Tag seines Todes. Der Verstorbene befand sich lediglich wegen Magenschmerzen in ärztlicher Behandlung. Rückfragen in der Praxis des Hausarztes und eine fachärztliche Untersuchung ergaben seinerzeit keine pathologischen Befunde. Er erhielt daher eine Magensäure hemmende Behandlung, die in Medikamenten und Diätkost bestand. Der Strafanzeige des Mitgefangenen sind keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat zu entnehmen, so dass sich die Staatsanwaltschaft Lüneburg, Zweigstelle Celle, nicht zur Aufnahme von Ermittlungen veranlasst gesehen hat.

Da sich die Kleine Anfrage mit dem Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden bei plötzlichen Todesfällen und ungeklärten Todesursachen im Allgemeinen befasst (vgl. Frage 2 der Kleinen Anfrage), wird auf folgenden Auszug aus Nummer 33 der bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafund Bußgeldverfahren (RiStBV) verwiesen: „Nr. 33:

(1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist oder wird die Leiche eines Unbekannten gefunden, so prüft der Staatsanwalt, ob eine Leichenschau oder eine Leichenöffnung erforderlich ist. Eine Leichenschau wird regelmäßig schon dann nötig sein, wenn eine Straftat als Todesursache nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Leichenschau soll möglichst am Tatort oder am Fundort der Leiche durchgeführt werden.

(2) Lässt sich auch bei der Leichenschau eine Straftat als Todesursache nicht ausschließen oder ist damit zu rechnen, dass die Feststellungen später angezweifelt werden, so veranlasst der Staatsanwalt grundsätzlich die Leichenöffnung. Dies gilt namentlich bei Sterbefällen von Personen, die sich in Haft oder sonst in amtlicher Verwahrung befunden haben.

(...)".

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Frage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Nachdem die Polizeiinspektion Celle am 24.12.2006, gegen 7.20 Uhr, von der Justizvollzugsanstalt Salinenmoor über einen Todesfall informiert worden war, sind für die spezialisierte Tatortaufnahme speziell fortgebildete Polizeibeamte um 7.40 Uhr in der Anstalt eingetroffen. Dort wurden sie informiert, dass der Gefangene gegen 7.00 Uhr leblos in seinem Einzelhaftraum liegend aufgefunden worden sei. Der herbeigerufene und ebenfalls anwesende Notarzt hat den Tod des Gefangenen festgestellt. Als Todesursache hat er eine ungeklärte Todesursache attestiert. Die Eintragung zur Todesursache im Totenschein lautet „unbekannt, vielleicht Herzinfarkt".

Im Rahmen des polizeilichen Todesursachenermittlungsverfahrens sind die in einem derartigen Vorgang üblichen und erforderlichen Ermittlungen durch die eingesetzten Polizeibeamten durchgeführt worden. Im Ergebnis haben sich keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Fremdverschuldens ergeben. Diese Bewertung stützt sich im Einzelnen auf die nachfolgend aufgeführten Fakten:

Bei der polizeilichen Leichenschau

­ haben sich am Körper des Verstorbenen keine Spuren einer Gewalteinwirkung feststellen lassen,

­ waren keine Verletzungen sichtbar, die auf einen Drogenkonsum hätten hindeuten können (z. B. Einstichstellen),

­ waren im Hals- und Schulterbereich des Leichnams leicht zyanotische Verfärbungen sichtbar, die als Hinweis auf einen möglichen Herzinfarkt bewertet werden konnten.

Im Haftraum des Verstorbenen

­ wurden keine Hinweise auf den Missbrauch von Medikamenten gefunden,

­ waren die dem Verstorbenen verordneten Medikamente geordnet abgelegt,

­ wurden keine Gegenstände oder Spuren festgestellt, die auf einen Drogenkonsum hätten hindeuten können.

Im Rahmen des subjektiven Befundes konnte aufgrund der Angaben des Personals der Justizvollzugsanstalt ermittelt werden, dass

­ der Verstorbene aufgrund einer Magenerkrankung fettreduzierte Kost und Medikamente erhalten hat, im Übrigen jedoch sportlich aktiv gewesen ist,

­ der Nachteinschluss am 23.12.2006, gegen 19.30 Uhr erfolgte und

­ der Tote am 24.12.2006, 7.00 Uhr bei der Kontrolle im Bett liegend und normal zugedeckt gefunden wurde.

Die Befragung des Notarztes ergab, dass er

­ keine Hinweise auf Fremd- oder Eigenverschulden hatte,

­ daher in der Todesbescheinigung einen Hinweis auf einen möglichen Herzinfarkt notierte,

­ jedoch eine ungeklärte Todesursache bescheinigte, weil er den Patienten nicht kannte.

In der gesamten objektiven und subjektiven Befunderhebung sprach aus Sicht der eingesetzten Beamten nichts für ein strafrechtlich relevantes Verhalten Dritter, ein fahrlässiges Eigenverschulden oder einen Suizid. Vielmehr konnte aufgrund der erlangten Erkenntnisse von einem natürlichen Tod ausgegangen werden.

Vor diesem Hintergrund hat die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft Lüneburg in Übereinstimmung mit Nummer 33 Abs. 2 RiStBV keine Leichenöffnung veranlasst und das Todesermittlungsverfahren mit Verfügung vom 02.01.2007 eingestellt.

Zu 2: Polizei und Staatsanwaltschaft ergreifen die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Maßnahmen, um den Tod von im Justizvollzug verstorbenen Gefangenen aufzuklären. Die Leichenöffnung ist dabei ein wichtiges Erkenntnismittel, auf das in der staatsanwaltschaftlichen Praxis in der Mehrzahl der Einzelfälle auch zurückgegriffen wird (vgl. Antwort zu Fragen 3 und 4). Namentlich der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und aus Pietät gegenüber den Angehörigen ist die Anordnung der Leichenöffnung aber eine Einzelfallentscheidung, bei der sich ein schematisches Vorgehen verbietet. Hinweise dazu enthalten die bundeseinheitlichen Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV). Sofern bei einem Leichenfund im Justizvollzug keinerlei Anhaltspunkte für ein Fremd- oder Eigenverschulden vorhanden sind, ist eine Leichenöffnung in Übereinstimung mit Nummer 33 Abs. 1 RiStBV nicht vorzusehen. Auch nach Nummer 33 Abs. 2 RiStBV ist eine Leichenöffnung regelmäßig nur dann zu veranlassen, wenn damit zu rechnen ist, dass die im Einzelfall erfolgten Feststellungen zur Todesursache später angezweifelt werden könnten. Eine Notwendigkeit, bei jedem Todesfall im Justizvollzug eine Leichenöffnung zu veranlassen, folgt hieraus nicht.

Zu 3 und 4: In dem Zeitraum vom 03.05.2005 bis 03.06.2007 hat es im Niedersächsischen Justizvollzug insgesamt 32 Todesfälle gegeben. In 23 von diesen Fällen haben die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften eine Leichenöffnung angeordnet, in neun Fällen ist davon abgesehen worden.

Zu den Gründen für die jeweils nicht erfolgte Leichenöffnung in den neun genannten Fällen ist das Folgende auszuführen.