Regulierung der Netzentgelte - Welche Folgen hat das für niedersächsische kommunale Energieversorger?

Mit Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes wurden auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) und die Landesregulierungsbehörden ins Leben gerufen. Aufgabe dieser Behörden sind u. a. die Überprüfung und Genehmigung der Netzentgelte für Strom und Gas. Während für Energieversor gungsunternehmen mit mehr als 100 000 Kunden oder landesübergreifendem Versorgungsgebiet die BNetzA unmittelbar zuständig ist, fallen die anderen Energieversorger des Landes in den Zu ständigkeitsbereich der Landesregulierungsbehörde. Die Landesregierung lässt die operativen Auf gaben der Landesregulierungsbehörde jedoch nicht von dieser durchführen, sondern hat die Auf gaben im Rahmen der Organleihe an die BNetzA übertragen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Die Strombetreiber hatten ihren ersten Entgeltantrag bis zum 31. Oktober 2005, die Gasnetz betreiber bis zum 30. Januar 2006 abzugeben. Das Energiewirtschaftsgesetz sieht eine ma ximale Bearbeitungsfrist von sechs Monaten für die Regulierungsbehörden vor.

­ Wie viel Prozent der Strom- und Gasnetzbetreiber haben in der gesetzlich vorgeschrie benen Frist ihre Entgeltbescheide erhalten?

­ Wie viel Prozent der Strom- und Gasnetzbetreiber haben ihre Bescheide innerhalb von zwölf Monaten erhalten, wie viel Prozent später?

­ Wie begründet die BNetzA ihre Bearbeitungsfristen?

­ Was hat die Landesregulierungsbehörde als „beaufsichtigende Stelle" unternommen, um etwaige längere Bearbeitungsfristen (größer als sechs Monate) zu vermeiden?

2. In welchen Größenordnungen liegen die von der BNetzA bisher beschiedenen Netzentgelt kürzungen für Strom und Gas (niedrigster Wert, höchster Wert, häufigster Wert)?

3. Zu welchen Strom- und Gaspreissenkungen haben die von der BNetzA verordneten Netzent geltreduzierungen geführt? Um wie viele Euro sinken hierdurch die durchschnittlichen Ausga ben eines mittleren Vierpersonenhaushalts für Strom und Gas?

4. Wie hoch sind die durch die Netzentgeltsenkungen für Strom und Gas bei den niedersächsi schen Netzbetreibern entstandenen Gewinnausfälle bzw. wie hoch wird der Ausfall erwartet?

5. Um wie viel Prozent werden die Ausschüttungen der Netzbetreiber für Strom und Gas an die kommunalen Eigner reduziert werden müssen?

6. Wie werden die kommunalen Eigner die Mindereinnahmen abfedern können? Hat der Innen minister Vorkehrungen für die Zweckzuweisungen durch den Strukturwechsel in der Finanzie rung kommunaler Infrastruktur an in Not gekommene Kommunen getroffen?

Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Nach § 23 a Abs. 4 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gilt das beantragte Entgelt als unter dem Vorbehalt des Widerrufs für einen Zeitraum von einem Jahr genehmigt, sofern die Regulie rungsbehörde nicht innerhalb von sechs Monaten nach Vorliegen der vollständigen Unterlagen eine Entscheidung getroffen hat. Hierzu sieht § 23 Abs. 4 EnWG jedoch Ausnahmeregelungen vor, ins besondere wenn die Antragsunterlagen nicht vollständig eingereicht wurden. Die Bundesnetz agentur ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion mangels Vollstän digkeit der Anträge nicht vorlagen. Insofern hat die Bundesnetzagentur mangels vollständiger An tragsunterlagen in den ersten sechs Kalendermonaten keine Entgeltbescheide erlassen.

Außerdem sind die Bearbeitungsfristen dem Umstand geschuldet, dass der Bundesnetzagentur bis zur Beschlussfassung durch den Vermittlungsausschuss im Energiewirtschaftsgesetz keine exante-, sondern nur eine ex-post-Regulierungskompetenz zugedacht war. Erst mit dem Inkrafttreten der Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen vom 25. Juli 2005 waren die Rechtsgrundlagen für die Kalkulation der Netzentgelte vorhanden. Erst nach diesem Zeitpunkt wurde die Leitung der Bun desnetzagentur in die Lage versetzt, den Personaleinsatz zu planen, die Verordnungstexte zu analysieren und in Prüfungshandlungen zu transformieren. Die Beschlusskammern Netzentgelte Strom und Netzentgelte Gas konnten erst Ende des Jahres 2005 konstituiert werden.

Aus den genannten Gründen hat kein Unternehmen in der Zuständigkeit der Landesregulierungs behörde Niedersachsen innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist einen Entgeltbescheid er halten. Im Bereich Strom handelt es sich um 64 Unternehmen. Bis auf zwei Unternehmen, die durch Netzübernahme ihr Netz erweitert haben bzw. eine Netzgesellschaft neu gegründet haben, sind alle Entgeltgenehmigungsbescheide innerhalb von zwölf Monaten erteilt worden; das sind rund 97 Prozent. Im Bereich Gas haben von 66 niedersächsischen Netzbetreibern in Landeszuständig keit aktuell 52 Netzbetreiber einen Entgeltgenehmigungsbescheid erhalten; das sind rund 79 %.

Derzeit sind noch 14 Genehmigungsverfahren in der Bearbeitung.

Aus den eingangs genannten Gründen sah sich das Niedersächsische Umweltministerium als Lan desregulierungsbehörde nicht genötigt, im Rahmen der Fachaufsicht tätig zu werden. Hinzu kommt, dass nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine Mehrerlösabschöpfung für die Vergangenheit nicht statthaft ist. Abgesenkte Netzentgelte gelten somit erst ab Zustellung des Ge nehmigungsbescheides oder dem mit dem Antragsteller vereinbarten Zeitpunkt. Diese Entschei dung ist für die kleineren Unternehmen insofern positiv zu bewerten, als sie bereits von den Netz entgeltabsenkungen ihrer Vorlieferanten profitierten, eigene Netzentgeltkürzungen jedoch noch nicht angeordnet waren.

Zu 2: Die Größenordnungen der Kürzungen schwanken im Strombereich zwischen 2,5 und 18 % der be antragten Netzkosten. Die durchschnittlichen Kürzungen betrugen für die in der Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörde befindlichen Unternehmen 10,86 %, für die in der originären Zustän digkeit der Bundesnetzagentur befindlichen Unternehmen 11,78 %. Im Bereich Gas schwanken die Größenordnungen der Kürzungen zwischen 0,1 und 27,5 %. Der Durchschnittswert lag bei den in der Zuständigkeit der Landesregulierungsbehörde befindlichen Unternehmen bei 13,9 %, bei den Unternehmen in Bundeszuständigkeit bei 7,47 % (Gasverteilnetzbetreiber) und 12,8 % (Ferngas netzbetreiber).

Zu 3: Im Bereich Strom ist trotz der Netzkostenkürzung um gut 13 % die Kostenbelastung für einen Haushalt mit 4 000 Kilowattstunden Jahresabnahme um rund 5 % gestiegen. Ursachen waren die Entwicklung der Kosten für die Energiebeschaffung und steigende Kosten aus dem Erneuerbare Energien-Gesetz.

Die Gaspreisabfrage der Niedersächsischen Landeskartellbehörde zum Stichtag 15.11.2006 und zum Stichtag 09.03.2007 hat ergeben, dass zu dem Zeitpunkt der zweiten Abfrage 16 niedersäch sische Gasversorgungsunternehmen Netzentgeltgenehmigungen erhalten hatten. Acht von diesen Unternehmen haben ihre Preise gesenkt. Die Ersparnisse, die sich ergeben, liegen zwischen 24,40 Euro und 119,35 Euro pro Abnahmefall und Jahr. Ob hierfür die Senkung der Netzentgelte oder gesunkene Bezugskosten ursächlich waren, lässt sich mit den vorliegenden Zahlen nicht nachweisen, zumal immerhin die Hälfte der Unternehmen keine Preissenkungen vorgenommen hat.

Zu 4 bis 6: Der Landesregierung liegen keine Informationen über die durch die Netzentgeltkürzungen für Strom und Gas bei den niedersächsischen Netzbetreibern entstandenen Gewinnausfälle vor. Gleiches gilt für die Reduzierung der Ausschüttungen der Netzbetreiber für Strom und Gas an die kommunalen Eigner oder womöglich daraus resultierende Auswirkungen von erheblicher Relevanz, die eine finanzielle Notlage betroffener Kommunen befürchten ließen.