Werden auch die Niedersachsen beschnüffelt?

Die Sicherheitsmaßnahmen zum Gipfel in Heiligendamm sorgen seit Wochen für politische Diskus sion. Erst vor wenigen Tagen ist bekannt geworden, dass Körpergeruchsproben bei einigen Be schuldigten genommen wurden, gegen die Ermittlungen im Zuge der bundesweiten Durchsuchun gen bei G-8-Gegnern eingeleitet wurden. Innenminister Schäuble hält die Abnahme von Geruchs proben potenziell gewalttätiger Demonstranten für angemessen. In der Bundesrepublik stößt diese Maßnahme aber nicht nur bei Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse auf Kritik. Dies, zumal man in Stasi-Museen sehen kann, wie dort Geruchsproben von Systemgegnern in Einmachgläsern aufbewahrt wurden. Das Verfahren erscheint dubios und eher als ein unsicheres Mittel, um jeman den zu identifizieren, unabhängig davon, dass es auch sehr intim ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen verwendeten jeweils die niedersächsischen Sicherheitsbehörden in den letzten zehn Jahren Geruchsproben von Personen?

a) In wie vielen Fällen wurden Geruchsproben zunächst ohne persönliche Zuordnung von Spurenträgern abgenommen, etwa an Tatorten und

b) von wie vielen Personen insgesamt?

c) Welche Art Spurenträger wurde jeweils von ihnen abgenommen, und wie wurde der flüchtige Geruch konserviert?

d) Wie vielen Personen wurden die Proben abgenommen:

(1) originär zwecks Identitätsfeststellung bzw. Erkennungsdienst und

(2) in diesen Fällen jeweils aus welchen Anlässen?

2. Wie vielen Personen wurden die Proben originär zu Zwecken der Strafverfolgung abgenom men?

a) Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die Maßnahme durchgeführt?

b) Hält die Landesregierung die betreffende Norm angesichts der Intensität des Eingriffs für hinreichend normenklar im Sinne der verfassungsrechtlichen Anforderungen?

c) Anlässlich welcher Tatvorwürfe/Delikte wurden die Proben abgenommen und

d) jeweils in wie vielen Verfahren?

e) Wie viele davon sind noch nicht abgeschlossen?

f) Was geschah in den abgeschlossenen Verfahren jeweils mit den Proben nach Verfah rensabschluss?

(1) Von wie vielen Personen sind die Proben noch nicht vernichtet?

(2) Warum wurden ggf. diese Proben noch nicht vernichtet?

(3) Auf welcher Rechtsgrundlage werden sie jeweils weiterhin aufbewahrt?

(4) Wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage werden diese Proben noch gelagert?

3. In wie vielen Fällen wurden zunächst zwecks Strafverfolgung erhobene Geruchsproben von je wie vielen Personen aus je welchen Gründen hernach übermittelt bzw. zur Verfü gung gestellt

a) an Verfassungsschutzämter des Landes und des Bundes,

b) je an MAD und BND?

c) ggf. an welche ausländischen Stellen,

d) an Polizeibehörden des Landes, anderer Bundesländer oder des Bundes:

(1) zwecks Erkennungsdienst,

(2) zwecks Gefahrenabwehr,

e) an welche sonstigen Ordnungs-/Verwaltungsbehörden des Landes, anderer Bun desländer oder des Bundes:

(1) zwecks Erkennungsdienst,

(2) zwecks Gefahrenabwehr?

Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen kommt die Auswertung olfaktorischer Spuren als Ermitt lungsmethode in Betracht, um eventuelle Geruchsspuren an sichergestellten Beweismitteln tatrele vanten Personen, wie z. B. Tatverdächtigen oder Geschädigten, zuordnen zu können. Bei Beschul digten stellt die Abnahme einer Vergleichsgeruchsspur eine erkennungsdienstliche Maßnahme dar, die unter Beachtung der Voraussetzungen des § 81 b StPO und des Verhältnismäßigkeitsgrund satzes im Einzelfall auch gegen den Willen des Beschuldigten zulässig ist. § 81 b StPO gestattet die Aufnahmen von Lichtbildern und von Fingerabdrücken sowie andere Messungen und ähnliche Maßnahmen an dem Beschuldigten, soweit dies für die Zwecke der Durchführung des Strafverfah rens oder für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Dass hierzu auch die Abnahme von Geruchsspuren gehört, ist von der Rechtsprechung anerkannt. Dabei ist unstrittig, dass dem Ge ruchsspurenvergleich lediglich Indizfunktion zukommen kann und es zu einer Überführung eines Täters weiterer Beweise bedarf.

Zum Verfahren des Geruchsspurenvergleichs ist grundsätzlich anzumerken, dass die Geruchsspu ren von Beschuldigten und Vergleichspersonen durch Hautkontakt - zumeist Anfassen von vorher gereinigten und durch Erhitzen geruchsneutralisierten Metallröhrchen - übertragen werden. Bis zur Untersuchung werden diese Metallröhrchen in gereinigten Gläsern aufbewahrt. Zum konkreten Ge ruchsspurenvergleich werden neben der Geruchsprobe der betroffenen Person Geruchsproben von Vergleichspersonen herangezogen.

Die Geruchsspurenträger werden nach Kontamination auf vorher thermisch gereinigten Edelstahl flächen einer Arbeitsplattform ausgerichtet. Die Anordnung der Reihenfolge der Spurenträger er folgt nach dem Zufallsprinzip und in Abwesenheit der Diensthundeführer und Diensthunde. Nach intensivem Abspüren der Geruchsspur an der jeweiligen Ausgangsspur erfolgt der Abgleich durch die Hunde an den Vergleichsspurenträgern. Bei Identität zwischen der Ausgangsspur und dem ausgelegten Metallröhrchen zeigt der Hund dieses an dem entsprechenden Spurenträger an. Für den Geruchsspurenvergleich sind drei Geruchsspurenvergleichshunde unabhängig voneinander einzusetzen. Gibt es in allen Fällen ein übereinstimmendes Ergebnis, besteht eine sehr hohe

Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung zwischen Spurenverursacher und der dem Vergleichs spurenträger zuzuordnenden Person. Niedersachsen verfügt jedoch nicht über speziell ausgebil dete Diensthunde, um Geruchsspurenvergleiche eigenständig durchführen zu können. Bei Bedarf können entsprechend ausgebildete Diensthunde aus Nordrhein-Westfalen angefordert werden.

Nach den mir vorliegenden Berichten der nachgeordneten Polizeibehörden sind Geruchsspuren vergleiche während der vergangenen zehn Jahre in Ermittlungsverfahren der mittleren bis schwe ren Kriminalität durchgeführt worden. Eine statistische Erfassung durchgeführter Geruchsspuren vergleiche erfolgt in Niedersachsen nicht.

Dies vorangestellt, wird die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1:

Es wurden in neun Ermittlungsverfahren Geruchsproben verwendet.

Zu a:

In sechs Fällen.

Zu b:

Es sind Geruchsproben von 11 Beschuldigten abgenommen worden.

Zu c: Fall 1 ­ In einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Mordes wurde die Geruchsprobe ei nes Tatverdächtigen durch Umfassen eines Textilstabes gewonnen und in ein Metallröhr chen eingeführt. Die Konservierung der Geruchsprobe erfolgte bis zur Vernichtung in ei nem Glas.

Fall 2 ­ Gegen einen Tatverdächtigen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes und des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion geführt. Der Tatverdächtige kontaminierte ein Metallröhrchen durch Umfassen. Eine Konservierung der Geruchsprobe erfolgte bis zur Vernichtung in einem Glas.

Fall 3 ­ Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Raubes bzw. räuberischer Erpressung ist bei einem Tatverdächtigen eine Geruchsprobe abgenommen worden, indem ein Metallröhr chen durch Umfassen kontaminiert wurde. Die Geruchsprobe ist noch in einem Glas kon serviert.

Fall 4 ­ In einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Raubes hat ein Tatverdächtiger ein Metallröhrchen durch Umfassen kontaminiert. Bis zur Vernichtung ist die Geruchsprobe in einem Glas konserviert worden.

Fall 5 ­ Drei Tatverdächtige standen im Verdacht, als Mitglied einer Bande an Diebstählen beteiligt gewesen zu sein. Es sind jeweils Metallröhrchen durch Umfassen kontaminiert worden.

Die Konservierung erfolgte bis zur Vernichtung in einem Glas.

Fall 6 ­ Einem Tatverdächtigen ist im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung eine Geruchsprobe durch Umfassen eines Metallröhrchens abge nommen worden. Bis zur Vernichtung erfolgte die Konservierung in einem Glas.

Fall 7 ­ Nach mehreren Raubstraftaten zum Nachteil von Banken ist von einem Tatverdächtigen eine Geruchsprobe durch Umfassen eines Metallröhrchens abgenommen worden. Bis zur Vernichtung erfolgte die Konservierung in einem Glas.

Fall 8 ­ Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und des Mordes ist von einem Tatverdächtigen eine Geruchsprobe abgenommen worden, indem er ein Metallröhrchen durch Umfassen kontaminierte. Die Konservierung erfolgte bis zur Vernichtung in einem Glas.

Fall 9 ­ Im Rahmen von Ermittlungen wegen Raubes mit Todesfolge ist von einem Tatverdächti gen eine Geruchsprobe abgenommen worden, indem er ein Metallröhrchen durch Umfas sen kontaminierte. Bis zur Vernichtung erfolgte die Konservierung der Geruchsprobe in ei nem Glas.

Zu d (1): Geruchsproben sind von 11 Tatverdächtigen ausschließlich zu Zwecken der Strafverfolgung abge nommen worden. Eine Abnahme aus Gründen der Gefahrenabwehr erfolgte nicht.

Zu f (1):

Die Geruchsprobe von einer Person ist noch nicht vernichtet worden.

Zu f (2):

Das Ermittlungsverfahren ist am 29.06.2007 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Derzeit läuft noch die Beschwerdefrist gegen diese Entscheidung.

Zu f (3) und (4):

Die Geruchsprobe wird bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss auf der Grundlage von § 81 b StPO aufbewahrt.

Zu 3: Die in Niedersachsen abgenommenen Geruchsproben dienten ausschließlich Zwecken der Straf verfolgung. Sie sind anderen Behörden oder Stellen im Sinne der Fragestellung weder zur Verfü gung gestellt noch übermittelt worden.