Das persönliche Budget wird nicht mehr wie die Eingliederungshilfe bisher platzbezogen sondern personenbezogen gezahlt

Der Modellversuch zum persönlichen Budget fand in Niedersachsen in den Jahren 2004 und 2005 statt. Er sah allerdings kein trägerübergreifendes Budget, sondern ausschließlich Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für ambulante Hilfen vor. Noch ist die Gewährung in das Ermessen der Sozialhilfeträger gestellt. Erst ab 2008 wird ein genereller Rechtsanspruch bestehen.

Das „persönliche Budget" wird nicht mehr ­ wie die Eingliederungshilfe bisher ­ platzbezogen, sondern personenbezogen gezahlt. Hilfebedürftige Menschen können selbst oder mit Hilfe ihrer gesetzlichen Vertreter die für sie individuell am besten geeigneten Unterstützungsangebote einkaufen und somit den Leistungsanbietern gegenüber als Kunde auftreten, der für sein Geld auch eine angemessene Leistung erwarten kann.

Das „persönliche Budget" richtet sich insbesondere an Menschen mit Behinderungen, die außerhalb von stationären Einrichtungen leben. Ebenfalls ist es möglich, dass Personen aus stationären Einrichtungen unter Zuhilfenahme des „persönlichen Budgets" den Schritt in die Eigenständigkeit wagen. Dabei „soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten." (§ 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX). Sondervotum der Vertreterinnen und Vertreter der SPD-Fraktion und des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Zur Vervollständig der Ausführungen zum persönlichen Budget muss an dieser Stelle aber auch darauf verwiesen werden, dass die Nachfrage nach dem persönlichen Budget in Niedersachsen bisher sehr gering ist, weil wichtige Rahmenbedingungen bisher einer größeren Nutzung entgegenstehen. Dies sind:

Die Grundsätze „ambulante Versorgung darf nicht teurer sein als stationäre Versorgung" und „das persönlichen Budget darf die Kosten einer stationären Versorgung nicht übersteigen" führen dazu, dass Menschen mit besonders hohem Pflegebedarf das persönliche Budget nicht in Anspruch nehmen können, weil eine angemessene individuelle Bedarfsdeckung ambulant kaum zu den finanziellen Konditionen der stationären Pflege geleistet werden kann.

Mangelnde Informationen auf Betroffenenseite führen dazu, dass Unsicherheiten bestehen, ob ihnen das persönliche Budget Vorteile bringt und ob bei Unzufriedenheit wieder in das System der Sachleistungen zurückgewechselt werden kann.

Die Bewilligung liegt im Ermessen der Sozialhilfeträger, die aufgrund bestehender Unsicherheiten sehr restriktiv entscheiden.

Anbieter von Sachleistungen befürchten, das persönliche Budget könnte die eigene Finanzierung langfristig gefährden, was dazu führt, dass sie der Einführung des persönliches Budgets teilweise wenig aufgeschlossen gegenüber stehen.

Diejenigen, die trotz dieser Hürden das „persönliche Budget" in Anspruch genommen haben, sind dagegen überwiegend zufrieden. Vorteile werden insbesondere darin gesehen, dass das „persönliche Budget" gute Möglichkeiten für individuelle und kreative Lösungen bietet und somit eine echte Alternative zum tendenziell pauschalisierenden Sachleistungssystem darstellt. Darüber hinaus müssen sich die Anbieter durch dieses Instrument in stärkerem Maße einem Wettbewerb stellen und ihre Leistungen bedarfs- und marktgerecht anpassen, was zu einer Qualitätssteigerung des Angebotes führen kann und sich somit vorteilhaft für die Leistungsnehmer auswirkt.

Analyse: Familie, Soziales, Gesundheit und Gesellschaft

2 Neue Formen der Integration, Teilhabe und Versorgung von Menschen mit Behinderungen ­ Handlungsoptionen

Der Weg, der in der Politik für Menschen mit Behinderungen bereits vor einer Reihe von Jahren eingeschlagen wurde und der dem Normalisierungsprinzip folgend vorrangig auf eine Stärkung ihrer Selbstständigkeit und Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft zielt, sollte konsequent weiterverfolgt werden. Wesentliche Elemente sind dabei die Individualisierung der Hilfeplanung, die durch die Einführung des „persönlichen Budgets" deutlich erleichtert wird, und damit verbunden die Abkehr der Eingliederungshilfe von pauschalen stationären Versorgungsangeboten hin zu vielfältigen und flexiblen Angebotsstrukturen, aus denen für die betroffenen Personen die notwendige individuelle Unterstützung zusammengestellt werden kann. Wesentliche Elemente sind zunächst die Gestaltung eines barrierefreien Lebens, das eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.

Wichtige Schritte auf dem Weg zur Integration behinderter Menschen sind umfassende Lern- und Beschäftigungsangebote, die über den Besuch von Förderschulen und die Arbeit in WfbM hinausgehen und den betroffenen Personen in allen Phasen ihres Lebens ein Höchstmaß an selbstbestimmter und eigenständiger Lebensführung ermöglichen.

Einen Rahmen für zukünftige Integration, Teilhabe und Versorgung von Menschen mit Behinderungen soll ein Gleichstellungsgesetz für Niedersachsen bieten, welches mit Blick auf das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 des Grundgesetzes und auf der Grundlage der entsprechenden Bundesgesetze Menschen mit Behinderungen nicht länger als Objekte staatlicher Fürsorge, sondern stärker als Bürgerinnen und Bürger mit eigenständigen Rechten und Pflichten betrachtet.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Diskussion nicht nur unter Kostenaspekten zu führen, sondern die Chancen zu beschreiben, die die Verwirklichung des Rechts auf gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen birgt. Ziel ist das gemeinsame Leben und Erleben von Menschen mit und ohne Behinderungen.

Verbesserung von Bildungs- und Lernangeboten für Menschen mit Behinderungen Lernen und Bildung stellen gerade auch für Menschen mit Behinderungen die wesentliche Grundlage einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung dar. Dabei sind geistig behinderte ebenso wie alle anderen Menschen auf eine kontinuierliche Förderung und damit auf ein lebenslanges Lernen angewiesen, um ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu entwickeln und zu erhalten.

Entscheidend für Menschen mit Einschränkungen ist dabei ein sehr früher Beginn der Förderung, dadurch kann es teilweise gelingen, drohende Behinderungen zu vermeiden, abzumildern oder aber zumindest ein höheres Maß an Eigenständigkeit zu erreichen. Deshalb sollten das System der Frühförderung in Niedersachsen weiter ausgebaut und teilweise noch bestehende Zugangshemmnisse abgebaut werden.

Da gerade geistige Behinderungen im frühen Kindesalter nicht immer offensichtlich sind, sollten die Erzieherinnen und Erzieher in Krippen, Kindergärten und Horten besser in der Entwicklungsdiagnostik geschult werden, um bestehende Einschränkungen frühzeitig erkennen und gezielt behandeln zu können.

Derzeit wird der überwiegende Teil geistig behinderter Kinder und Jugendlicher in speziellen Förderkindergärten und Förderschulen betreut. Integrative Angebote sind dagegen die Ausnahme. Daher sollten integrative Angebote bedarfsgerecht durch das

Regionale Integrationskonzept ausgebaut werden. Wobei in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob eine sinnvolle Förderung besser in einer Regel- oder Fördereinrichtung vorgenommen werden kann.

Soweit möglich kann dabei ein Teil der Angebote gemeinsam wahrgenommen werden, während andere Angebote, in denen eine speziellere Förderung notwendig ist, innerhalb der jeweiligen Gruppe erfolgt. Der Vorteil einer solchen Lösung besteht darin, dass Menschen mit Behinderungen in den Alltag ganz normaler Einrichtungen integriert sind und sie gleichzeitig eine ihnen angemessene individuelle Förderung erhalten können. Bei insgesamt rückläufigen Schülerzahlen dürften die Räumlichkeiten für kooperative Angebote zur Verfügung stehen. Ziel ist eine möglichst normale Lebensführung behinderter Menschen, um die gesellschaftliche Integration zu verbessern.

Ausbau der Integration in der Arbeitswelt

Soweit möglich müssen Menschen mit Behinderungen die Gelegenheit erhalten, eine Ausbildung im regulären Ausbildungsmarkt zu absolvieren. Hierzu ist insbesondere eine Beratung von Schülerinnen und Schülern der Förderschulen durch die Integrationsfachdienste und Arbeitsagenturen notwendig. Nur wenn der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der vorliegenden Behinderung objektiv nicht beschritten werden kann, sollte auf Angebote des Berufsbildungswerks und der WfbM zurückgegriffen werden.

Sondervotum der Vertreterinnen und Vertreter der SPD-Fraktion und des Vertreters der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Gerade weil der überwiegende Teil von Kindern mit Behinderungen in speziellen Einrichtungen betreut wird, kann der Anspruch einer gemeinsamen und integrativen Betreuung und Beschulung nicht erreicht werden. Die Integration wird auch nicht dadurch verbessert, dass regionale sonderpädagogische Einrichtungen stärker gebündelt und „Integrationskonzept" genannt werden. Erforderlich ist vielmehr eine sehr viel bessere und frühzeitigere Förderung von Kindern mit Behinderungen in Einrichtungen, in denen sowohl die Potenziale von Kindern ohne Behinderungen als auch die von Kindern mit Behinderungen individuell und nebeneinander gefördert werden. Nur so können die Grundlagen für eine gelingende Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderungen geschaffen werden.

In den WfbM können durch unterschiedliche Maßnahmen und Lernangebote auch Möglichkeiten geschaffen werden, in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln.

Hierzu zählen:

Vermittlung behinderter Menschen durch Integrationsfachdienste, die im Auftrag der Rehabilitationsträger und Agenturen für Arbeit auf Grundlage des SGB IX (§§ 102 und 109 ff.) agieren und hierfür Mittel aus der Ausgleichsabgabe erhalten.

Kooperationen mit Firmen des regulären Arbeitsmarktes, in denen Mitarbeiter der WfbM in Form von Praktika zeitlich befristet in den regulären Arbeitsmarkt wechseln, können die Durchlässigkeit zwischen Arbeitsmärkten erhöhen und die Chancen der Mitarbeiter in den WfbM, eine Anstellung im allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, erhöhen.

Aufbau von Integrationsfirmen oder Integrationsgruppen innerhalb größerer Betriebe, die jeweils zur Hälfte mit behinderten und nicht behinderten Menschen besetzt sind. Entsprechende Firmen oder Projekte erhalten in Niedersachsen derzeit eine

Regionale Integrationskonzepte (RIK) bündeln die regional vorhandenen sonderpädagogischen Angebote und führen diese im Hinblick auf mehr gemeinsamen Unterricht von allgemeinbildenden Schulen und Förderschulen zusammen. Sie stellen damit ein Instrument dar, um ein regionales integrativ ausgerichtetes System sonderpädagogischer Hilfen zu errichten und umzusetzen.