Verschlechterungen bei der notärztlichen Versorgung und beim Apothekennotdienst im Ammerland

Am 26. September 2007 war unter der Überschrift „Müssen Patienten länger warten?" in der Nordwest-Zeitung zu lesen, dass „viele Mediziner befürchten, dass sich die Wartezeiten bei Hausbesuchen verdreifachen werden. Daher lehnen sie einen einzigen zentralen Notdienst für den Landkreis Ammerland ab."

Die Ärzte sprechen sich gegen die Reduzierung von derzeit sechs Notdienstringen auf nur eine zentrale Stelle und die Reduzierung der Apothekennotdienste auf ebenfalls nur eine Notdienstapotheke aus. Sie haben gegen den Beschluss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vom Februar dieses Jahres, der Grundlage der angekündigten Maßnahme ist, bei der KV Protest eingelegt.

Die Pläne der KV sorgen auch in der Bevölkerung für erhebliche Unruhe, insbesondere bei älteren, nicht mobilen Menschen, aber auch bei Familien mit kleinen Kindern. Verschärft wird die Sorge durch ein unzureichendes ÖPNV-Angebot, das nicht so ausgelegt ist, dass ein kranker Mensch die Notdienstzentrale erreicht, schon gar nicht zeitnah und besonders nicht abends, nachts und am Wochenende. Ärzte müssten lange Fahrtwege für Hausbesuche einplanen, falls diese unter den gegebenen Umständen überhaupt noch möglich sind.

Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesregierung.

1. Wie ist die ärztliche Notfallversorgung im Landkreis Ammerland gegenwärtig organisiert?

2. Welche konkreten Änderungen sind durch die Kassenärztliche Vereinigung, ggf. ab wann, geplant?

3. Welche Möglichkeiten haben die niedergelassenen Ärzte, abweichend von den Vorgaben der KV, Regelungen zu treffen?

4. Wie wird die geplante Vergrößerung der Notfallbereiche begründet?

5. Welche konkreten Auswirkungen hätten die geplanten Veränderungen hinsichtlich der Erreichbarkeit bzw. Wartezeiten des benötigten Notdienstes für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger?

6. Welche Auswirkungen werden die geplanten Änderungen auf die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes (in Bezug auf Einsatzhäufigkeit und Kosten) im Landkreis haben?

7. Wie ist der Apothekennotdienst im Landkreis Ammerland gegenwärtig geregelt?

8. Welche Änderungen sind konkret geplant?

9. Welche Rolle spielt bei den geplanten Änderungen die Erreichbarkeit der Notdienstzentrale und der Notdienstapotheke für den nicht mobilen Bürger?

Gemäß § 75 Abs. 1 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichnetem Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den rechtlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst).

Die Vertreterversammlung der KVN als Selbstverwaltungsorgan aller niedersächsischen Vertragsärztinnen und -ärzte hat mit Beschluss vom 17.02.2007 in einer landesweit einheitlichen Notfalldienstordnung Festlegungen zum Notdienst getroffen. Die Notfalldienstordnung ist zum 01.04. in Kraft getreten (veröffentlicht im Nds. Ärzteblatt, März 2007, S. 81 ff) und soll bis 2010 flächendeckend umgesetzt werden.

Gemäß § 2 Absatz 1 Buchstabe a der Satzung der KVN und § 2 der Notfalldienstordnung der KVN ist es Aufgabe des Vorstands der KVN, den ärztlichen Notfalldienst zu regeln. Die Bezirksstellen nehmen die Verwaltungsaufgaben nach den näheren organisatorischen Festlegungen des Vorstandes der KVN und nach dessen Weisung wahr. Für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gibt es keine gesetzliche Grundlage, eine abweichende Regelung in eigener Zuständigkeit zu treffen.

Aus Sicht der KVN ist die Neuorganisation des ärztlichen Notfalldienstes erforderlich, da in den bisher 339 Notfalldienstbereichen die teilnehmenden Vertragsärztinnen und -ärzte sehr ungleich belastet würden.

Die Organisation des Notfalldienstes sei entscheidend dafür verantwortlich, inwieweit insbesondere in ländlichen Gebieten Vertragsarztsitze nachbesetzt werden könnten. So würden hohe Notfalldienstverpflichtungen Nachbesetzungen verhindern und damit die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung insgesamt gefährden.

Zu Nachbesetzungen wird es in den nächsten Jahren auch im Landkreis Ammerland kommen müssen, da nach einer Prognose der KVN zur Entwicklung der Arztzahlen unter Berücksichtigung der Altersstruktur niedergelassener Vertragsärztinnen und -ärzte bis zum Jahr 2015 im Landkreis Ammerland 21 Vertragsärztinnen und -ärzte das 68. Lebensjahr bzw. 39 Vertragsärztinnen und -ärzte das 65. Lebensjahr vollendet haben werden. Es ist insofern mit Altersabgängen in mindestens dieser Größenordnung zu rechnen. Betrachtet man ausschließlich den hausärztlichen Bereich und legt Altersabgänge mit 65 Jahren zugrunde, würden 21 Hausärztinnen und -ärzte ihre vertragsärztliche Tätigkeit beenden. Dies sind fast 30 % aller heute tätigen Hausärztinnen und -ärzte.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus Sicht der KVN in jedem Falle Handlungsbedarf für eine Neuregelung des vertragsärztlichen Notfalldienstes.

Die ab 01.04.2007 gültige Notfalldienstordnung beinhaltet folgende Eckpunkte:

­ Bildung von 78 Notfalldienstbereichen in weitgehend gleicher Größenordnung,

­ gleichmäßige Verteilung der Notfalldienstbelastung auf alle Vertragsärztinnen und -ärzte in den neuen Notfalldienstbereichen,

­ Einrichtung einer zentralen Anlaufpraxis (Notfalldienstpraxis) - idealerweise am Krankenhaus in jedem Notfalldienstbereich parallel zum Fahrdienst,

­ landesweit einheitliche Notfalldienstzeiten sowie

­ eine landesweit einheitliche Rufnummer für den Notfalldienst (zumindest eine einheitliche Rufnummer für jeden Notfalldienstbereich).

Die KVN ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht hat die Landesregierung zu prüfen, ob sich die KVN an die rechtlichen Vorgaben gehalten hat.

Bei der Ausgestaltung der Notfalldienstordnungen haben die Kassenärztlichen Vereinigungen einen weitgehenden inhaltlichen Beurteilungsspielraum. Sie unterliegen daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen bzw. rechtsaufsichtlichen Prüfung.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Der vertragsärztliche Notdienst im Landkreis Ammerland, der auch einen Fahrdienst umfasst, ist nach Angaben der KVN gegenwärtig folgendermaßen organisiert:

1. Edewecht (15 Ärzte)

2. Wiefelstede/Rastede (39 Ärzte)

3. Bad Zwischenahn (37 Ärzte)

4. Westerstede (ohne Ocholt, Howiek, Ihorst 35 Ärzte)

5. Apen/Ocholt/Howiek/Ihorst (8 Ärzte).

In Westerstede gibt es bereits eine Notfalldienstpraxis.

Die Notfalldienstbereiche sind in Größe und Struktur unterschiedlich, wodurch ungleiche Belastungen für die jeweils an der ärztlichen Notfalldienstversorgung teilnehmenden Vertragsärztinnen und -ärzte entstehen. Die KVN strebt eine gleichmäßige Belastung aller teilnehmenden Vertragsärztinnen und -ärzte an.

Zu 2: Die Planungen zur Neuordnung des Notfalldienstes sehen einen Notfalldienstbereich für den Landkreis Ammerland einschließlich einer Notfalldienstpraxis in Westerstede vor. Dem Notfalldienstbereich Ammerland sollen die Gemeinden Apen, Bad Zwischenahn, Edewecht (ohne Jeddeloh II und Friedrichsfehn), Wiefelstede sowie die Stadt Westerstede angehören. Die Umsetzung soll bis Ende 2010 erfolgen.

Zu 3: Auf die Vorbemerkung wird hingewiesen.

Zu 4: Auf die Vorbemerkung wird hingewiesen.

Zu 5: Die KVN sieht vor, die zentrale Anlaufpraxis in der Stadt Westerstede mit festen Öffnungszeiten als festen Anlaufpunkt für die Bevölkerung weiter zu betreiben. Für Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht in der Lage sind, die Notfalldienstpraxis aufzusuchen, wird es parallel - wie bisher - einen Fahrdienst geben. Die Erreichbarkeit des Bereitschaftsdienstes soll dadurch verbessert werden, dass eine zentrale Rufnummer eingeführt wird.

Zu 6: Der Landkreis Ammerland ist der Träger des Rettungsdienstes in seinem Bereich. Er stellt im eigenen Wirkungskreis die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen nach dem Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz (NRettDG) sicher. Diese Leistungen umfassen die Notfallrettung, den Intensivtransport und den qualifizierten Krankentransport und sind nicht deckungsgleich mit dem von der KVN sicherzustellenden ärztlichen Notfalldienst. Die Aufgabenerledigung erfolgt unabhängig vom Dienstleistungsangebot der KVN und den Apotheken. Von den geplanten Strukturänderungen sind daher keine Auswirkungen auf die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes im Landkreis Ammerland zu erwarten.

Zu 7: Laut Stellungnahme der Apothekerkammer Niedersachsen bilden die Apotheken in Bad Zwischenahn, Edewecht, Rastede, Westerstede und Wiefelstede eine Notdienstregion. Aufgrund einer Dienstbereitschaftsanordnung der Apothekenkammer Niedersachsen vom 12.09.2005 sind die 24 Apotheken im täglichen Wechsel zur Sicherstellung der pharmazeutischen Versorgung verpflichtet. Die Dienstbereitschaft beginnt um 8.00 Uhr und endet am Folgetag um dieselbe Zeit. Zusätzlich zu diesen verpflichtenden Diensten werden weitere Ergänzungsdienste angeboten.

Die Apothekerkammer Niedersachsen hat in Übereinstimmung mit der bundesweit geübten Verwaltungspraxis zum Apothekennotdienst in ihrer Richtlinie Entfernungswerte fixiert, die für die Einteilung der Notdienstkreise wegleitend sind. Sie weist darauf hin, dass dem Ausgleich der Interessen der Bevölkerung an der Arzneimittelversorgung und den gleichermaßen schützenswerten Interessen der Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter und ihrer Angestellten an Schutz von Familie und Freizeit Rechnung getragen wird. Auf der Grundlage der Dienstbereitschafts-Richtlinien wird der Bevölkerung in Niedersachsen zugemutet, Apotheken in einer Entfernung von 10 km oder in ländlichen Regionen in einer Entfernung bis zu 20 km aufzusuchen.

Diese Richtwerte werden in dieser Notdienstregion weitgehend eingehalten.

Zu 8: Beschwerden aus der Bevölkerung zu den bestehenden Regelungen des Apothekendienstes liegen der Apothekenkammer Niedersachsen bisher nicht vor. Eine Änderung des Apothekennotdienstes in dieser Region ist daher gegenwärtig nicht geplant.

Zu 9: Auf die Antworten zu Frage 5. und 8. wird hingewiesen.