Warum darf der Schulvorstand nicht schulöffentlich tagen?

Im Kultusministerium wird die Auffassung vertreten, dass Beschlüsse des Schulvorstandes, seine Sitzungen schulöffentlich durchzuführen, unzulässig seien. Das gelte auch dann, wenn nur Teile der Schulöffentlichkeit, etwa die Mitglieder der Gesamtkonferenz (Lehrkräfte, Vertreterinnen und Vertreter der Eltern- und Schülerschaft), zugelassen werden. Begründet wird der ministerielle Eingriff in das Recht des Schulvorstandes, im Rahmen einer Geschäftsordnung nähere Bestimmungen zum Ablauf seiner Sitzungen zu beschließen, mit dem Fehlen einer entsprechenden Rechtsgrundlage im Niedersächsischen Schulgesetz. Das Fehlen einer Rechtsgrundlage hat aber das Kultusministerium nicht daran gehindert, im Erlass „Konferenzen und Ausschüsse der öffentlichen Schulen" für den Eltern-Schüler-Lehrer-Ausschuss der Gesamtkonferenz, eine Art Vorläufer des Schulvorstandes, eine begrenzte Schulöffentlichkeit zuzulassen. An dessen Sitzungen können nämlich ohne Rederecht die Mitglieder der den Ausschuss einrichtenden Gesamtkonferenz teilnehmen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist die seit 1995 durch Erlass des Kultusministeriums eröffnete Möglichkeit, dass an den Sitzungen der Eltern-Schüler-Lehrer-Ausschüsse die Mitglieder der entsendenden Konferenz teilnehmen dürfen, rechtswidrig?

2. Wie beurteilt die Landesregierung den in Schulvorständen bestehenden Wunsch, Transparenz der Arbeit u. a. dadurch herzustellen, dass die Sitzungen schulöffentlich oder teilweise schulöffentlich durchgeführt werden?

3. Sieht sie es ebenfalls als unzulässig an, wenn Schulvorstände in der von ihnen beschlossenen Geschäftsordnung die Schulöffentlichkeit oder Teile der Schulöffentlichkeit nicht generell, sondern nur bei der Behandlung einzelner Tagesordnungspunkte zulassen wollen?

4. Ist sie bereit, durch Vorlage eines Entwurfs zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes die Schulvorstände der eigenverantwortlich gewordenen niedersächsischen Schulen in den Stand zu setzen, selbst darüber zu entscheiden, ob ihre Sitzungen ganz oder teilweise schulöffentlich durchgeführt werden?

Der Schulvorstand ist - wie auch die Gesamtkonferenz, der Schulelternrat, der Schülerrat sowie die Konferenzen und Ausschüsse - ein schulinternes Mitwirkungs- und Entscheidungsgremium. Das Niedersächsische Schulgesetz (NSchG) regelt abschließend, wer Mitglied im Schulvorstand und damit berechtigt ist, an den Sitzungen des Schulvorstandes teilzunehmen. Dazu gehören die Schulleiterin oder der Schulleiter sowie die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Lehrkräfte, Erziehungsberechtigten und Schülerinnen und Schüler.

In § 38 c Abs. 1 Satz 3 NSchG ist festgelegt, dass eine Vertreterin oder ein Vertreter des Schulträgers an allen Sitzungen mit Rede- und Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht teilnehmen kann. Weiterhin wird dem Schulvorstand in § 38 b Abs. 8 NSchG die Möglichkeit eröffnet, durch Beschluss weitere Personen als beratende Mitglieder zu berufen. Es bestehen auch keine Bedenken, wenn der Schulvorstand sich zu einzelnen Tagesordnungspunkten individuell fachkundige Gäste einlädt, um sich über bestimmte Angelegenheiten zu informieren. Für die Herstellung einer darüber hinaus gehenden Öffentlichkeit bietet jedoch das NSchG keine Grundlage.

Der Landeselternrat Niedersachsen - als Vertretung der Eltern aller Schülerinnen und Schüler an niedersächsischen Schulen - fordert eindringlich die Nichtöffentlichkeit von Schulvorstandssitzungen. Er weist darauf hin, dass der Schulvorstand nicht nur mit redegewandten und in Gremienarbeit erfahrenen Personen besetzt sei und die Schulvorstandsmitglieder deshalb zum Austausch von Argumenten und für Abstimmungsprozesse einen geschützten Bereich bräuchten. In einem Grundlagenpapier des Landeselternrats heißt es hierzu: „Die Einrichtung des Schulvorstandes hat neben der Partizipation an sich und der Zusammenführung verschiedener Kompetenzen und Sichtweisen gerade den Zweck, in einem kleinen Kreis unter geschützten Bedingungen Entscheidungen vorbereiten und treffen zu können. Der Schulvorstand tagt deshalb nicht öffentlich."

Jede Konferenz kann gemäß § 39 Abs. 1 NSchG ihre eigene Zuständigkeit zur Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten einem Ausschuss übertragen und bestimmt dabei selbst die Zusammensetzung des Ausschusses, wobei in diesem Ausschuss Vertreterinnen und Vertreter der Lehrkräfte, der Erziehungsberechtigten und der Schülerinnen und Schüler in gleicher Anzahl vertreten sein müssen. Der RdErl. d. MK vom 10.01.2005 „Konferenzen und Ausschüsse der öffentlichen Schulen" (Konferenzordnung), der bereits zum 31.07.2007 durch den RdErl. d. MK vom 09.06. „Übertragung erweiterter Entscheidungsspielräume an Eigenverantwortliche Schulen" außer Kraft getreten ist, sah vor, dass die Mitglieder der Konferenz, die den Ausschuss eingerichtet hat, an den Sitzungen des Ausschusses ohne Rederecht teilnehmen können.

Dieser Ausschuss ist eine Untergliederung der Konferenzen und in seiner Existenz abhängig von einem Beschluss der zuständigen Konferenz. Er hat keine durch Gesetz festgelegten eigenen Entscheidungsbefugnisse, sie werden ihm lediglich durch die zuständige Konferenz zugewiesen. Deshalb ist er auch nicht als Vorläufer des neuen Gremiums Schulvorstand anzusehen. Dieser Ausschuss sollte vor der Einführung der Eigenverantwortlichen Schule zum 01.08.2007 insbesondere dazu dienen, die Vielzahl der Entscheidungsbefugnisse und damit die Sitzungen der Gesamtkonferenz zu „entfrachten", in dem ihr selbst eine Delegationsmöglichkeit eingeräumt wurde. Mit der Neuordnung der Schulverfassung und der Reduzierung des Aufgabenkataloges der Gesamtkonferenz dürfte diese Möglichkeit der Einrichtung eines Ausschusses an Bedeutung verloren haben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1:

Die Konferenzordnung, die zum 31.07.2007 außer Kraft getreten ist, war nicht rechtswidrig. Auf Grund der Abhängigkeit des Ausschusses sowohl bezüglich seiner Existenz als auch seiner Entscheidungsbefugnisse von der Konferenz, die ihn eingerichtet hat, erklärt sich die Teilnahmemöglichkeit der zuständigen Konferenzmitglieder von selbst.

Zu 2: Der Wunsch nach Transparenz der Arbeit ist nicht nur verständlich, es liegt sogar in der Intention des Gesetzgebers, eine weitgehende Transparenz der Entscheidungen und Vorgänge zwischen den Gremien herzustellen, um eine wirkungsvolle Beteiligung aller an Schule Beteiligten zu ermöglichen. Sämtliche am Schulleben beteiligten Personen und Gruppen sind durch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter in die Entscheidungsprozesse im Schulvorstand eingebunden. Um dieser Transparenz Rechnung zu tragen, ist es ausdrücklich erwünscht und liegt auch in der Intention des Gesetzgebers, dass die Ergebnisse und Entscheidungen des Schulvorstandes durch die Mitglieder des Schulvorstandes in den verschiedenen Gremien in der Schule (Schulelternrat, Schülerrat, Konferenzen, Ausschüsse) transparent gemacht und breit kommuniziert werden. Für eine weitere Öffnung der Schulvorstandssitzungen bietet jedoch das NSchG keine Grundlage, zumal mit der Kommunikation der Beschlüsse des Schulvorstandes das Bedürfnis nach Transparenz umfas2 send erfüllt werden kann. Eine Regelung in einer Geschäftsordnung des Schulvorstandes zur Herstellung einer Öffentlichkeit (auch begrenzt) verstößt somit gegen höherrangiges Recht und ist deshalb in diesem Punkt rechtswidrig.

Durch eine Nichtöffentlichkeit der Schulvorstandssitzungen, die insbesondere auch vom Landeselternrat Niedersachsen gefordert wird, wird gewährleistet, dass eine unbeobachtete und unbeeinflusste freie Beratung stattfinden kann. Insbesondere für die Vertreterinnen und Vertreter der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen und Schüler, die durch Größe und Zusammensetzung des Schulvorstandes weit mehr als in der Gesamtkonferenz im „Rampenlicht" stehen, könnte die Zulassung einer „Schulöffentlichkeit" zu den Schulvorstandssitzungen oder auch zu einzelnen Tagesordnungspunkten der Schulvorstandssitzungen dazu führen, dass unüberwindliche Hindernisse in der Gesprächsführung auftreten und sogar die Arbeitsfähigkeit dieses internen Mitwirkungs- und Entscheidungsgremiums negativ beeinflusst wird.

Zu 3: Ja. Siehe Antwort zu 2.

Zu 4: Nein. Siehe Vorbemerkung und Antwort zu 2.