Mit der Landesbauordnung 1999 ist die Verpflichtung zur Bestellung eines Bauleiters entfallen

3. Hat die Abschaffung des „öffentlich-rechtlichen" Bauleiters zu einer Häufung von Schadensfällen bzw. anderen Konsequenzen geführt?

Mit der Landesbauordnung 1999 ist die Verpflichtung zur Bestellung eines Bauleiters entfallen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsfigur des Bauleiters abzuschaffen, wird in der Baupraxis ­ wie es schon im Gesetzgebungsverfahren der Fall war ­ weiter kontrovers diskutiert. Die Bauaufsichtsbehörden vermissen überwiegend den Bauleiter, der neben dem Entwurfsverfasser als zentrale Figur im Baugeschehen betrachtet wurde. Der Bauleiter, so wird mitgeteilt, habe als der für die Bauausführung Verantwortliche wichtige Überwachungs- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen. Bauherrinnen und Bauherren seien ohne Unterstützung durch einen kompetenten Bauleiter zumeist überfordert. Auch die Architektenkammer Rheinland-Pfalz und die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz problematisieren in ihren Stellungnahmen den Wegfall der gesetzlichen Regelung über die Bestellung eines Bauleiters und treten für die Wiedereinführung dieser Figur ein.

Einige Bauaufsichtsbehörden hingegen teilen mit, der Wegfall der Rechtsfigur des Bauleiters habe keine Lücke hinterlassen; vielmehr gebe es nunmehr das „unerquickliche Hin- und Herpendeln zwischen den Verantwortlichkeiten des Bauherrn und des Bauleiters" nicht mehr, wie es eine Bauaufsichtsbehörde formuliert.

Aus mehreren Stellungnahmen der Bauaufsichtsbehörden geht hervor, dass von einer Häufung der Schadensfälle ausgegangen wird, konkrete Angaben über die Art und die Anzahl derartiger Fälle werden jedoch nicht gemacht. Die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände merkt dazu an, dass in den nächsten Jahren mit einer Zunahme der Schadensfälle gerechnet werde. Da die Schäden zunächst nur den Bauherren bekannt seien, würden sie von den Verwaltungen erst mit zeitlicher Verzögerung registriert.

Einige Bauaufsichtsbehörden weisen darauf hin, dass Nachweise wie zum Beispiel die Mitteilung über den Baubeginn, die Vorlage des Standsicherheitsnachweises und des Wärmeschutznachweises oftmals erst nach schriftlicher Aufforderung und erfolgter Baukontrolle vorgelegt würden. Ferner wird angemerkt, dass die Unfallverhütungsvorschriften auf der Baustelle nicht immer beachtet würden.

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz gibt in ihrer Stellungnahme zu bedenken, dass der Wegfall der gesetzlichen Bestimmungen über die Bestellung eines Bauleiters bei den Bauherren den Eindruck habe entstehen lassen, eine Überwachung der Bauausführung ­ auch auf rein zivilrechtlicher Grundlage ­ sei nun nicht mehr notwendig.

Soweit es sich um kleinere Bauvorhaben, wie Einfamilienhäuser, handelt, mag diese Einschätzung der Architektenkammer zutreffend sein. Bei größeren, komplexen Bauvorhaben ist aber davon auszugehen, dass regelmäßig Bauleiter auf privatrechtlicher Grundlage eingeschaltet werden, da anders eine fachgerechte Baurealisierung nicht möglich ist.

Der Wegfall der Rechtsfigur des Bauleiters war auch auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus von Bedeutung. Der Bauleiter hatte dort die Aufgabe, den Baufortschritt zu bescheinigen, da davon die Auszahlung der Fördermittel durch die Landestreuhandstelle abhing. Nach In-Kraft-Treten des neuen Baurechts erfolgt die Bescheinigung durch den auf privatrechtlicher Grundlage beauftragten Bauleiter bzw. direkt durch den Bauherrn anhand von Lichtbildern. Die Neuregelung bereitet in der Praxis keine Probleme.

4. Hat der Verzicht auf die ausdrückliche Experimentierklausel in § 69 LBauO in der Praxis bei der Erprobung neuer Bauund Wohnformen oder bei Maßnahmen zur Kostendämpfung innovationshemmend gewirkt?

Die unteren Bauaufsichtsbehörden und die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände berichten übereinstimmend, dass sich die Streichung der Experimentierklausel nach § 69 LBauO a. F. nicht negativ ausgewirkt hat. Der Wegfall dieser Regelung stehe den Bemühungen zur Kostendämpfung im Hochbau nicht entgegen.

Die Kreisverwaltung Ahrweiler hebt hervor, dass sie nach der letzten Novellierung der Landesbauordnung die erste Genehmigung für ein Holzhaus der Gebäudeklasse 4 erteilt habe. Für eine Experimentierklausel sieht sie keinen Bedarf mehr.

Eine abweichende Auffassung vertritt dagegen der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. Er ist der Meinung, dass der Wegfall der Experimentierklausel zu Nachteilen führe, da die Möglichkeit, kostengünstigere Konstruktionen auch bei Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zu realisieren, entfallen sei.

5. Wie sind die Erfahrungen mit den Neuregelungen der Landesbauordnung zum barrierefreien Bauen und der Beteiligung der Behindertenverbände bei der Umsetzung der Vorschriften der LBauO?

Allgemeines:

Aus den vorliegenden Stellungnahmen geht hervor, dass barrierefreies Bauen grundsätzlich befürwortet wird. So wird auch für den in Rheinland-Pfalz eingeschlagenen Weg, das barrierefreie Bauen durch gesetzliche Regelungen zu fördern, überwiegend Verständnis gezeigt. Es wird aber auch die Ansicht geäußert, dass der Schaffung barrierefreier Gebäude durch verstärkte finanzielle Förderung der Vorzug gegenüber gesetzlichen Regelungen zu geben sei.

Hingewiesen wird darauf, dass die vom Ministerium der Finanzen erarbeitete Planungshilfe zum barrierefreien Bauen bei der Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen von großem Nutzen sei und dazu beitrage, die Akzeptanz des barrierefreien Bauens in der Bau- und Planungspraxis zu verbessern. Die Planungshilfe, die sogar im europäischen Ausland Verbreitung gefunden hat, ist wegen der regen Nachfrage inzwischen vergriffen.

Barrierefreie Wohnungen (§ 44 Abs. 2 LBauO)

Nach anfänglichen Rechtsunsicherheiten, die im Wesentlichen die Anwendung der einschlägigen technischen Anforderungen betrafen, bereitet die Umsetzung des § 44 Abs. 2 LBauO den Bauaufsichtsbehörden, von wenigen Einzelfällen abgesehen, nach Einschätzung des Ministeriums der Finanzen inzwischen keine Schwierigkeiten mehr. Als problematisch gestaltet sich aber mitunter die Überwachung der Bauvorhaben, da für den überwiegenden Teil der Wohngebäude das vereinfachte Genehmigungsverfahren bzw. das Freistellungsverfahren durchgeführt wird. In diesen Verfahren wird die Einhaltung der einschlägigen Anforderungen nicht geprüft. Deshalb, so wird von Bauaufsichtsbehörden vermutet, würden die Bestimmungen über barrierefreies Bauen wohl häufiger nicht beachtet. Auch hätten die Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfasser nicht immer die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet des barrierefreien Bauens, auch wenn es dazu genügend Informationsmaterial gebe.

Berichtet wird auch, über die Anwendbarkeit der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmeregelung gebe es häufig Meinungsunterschiede.

Nach dieser Regelung brauchen die Anforderungen an die barrierefreie Bauausführung z. B. bei ungünstigen Geländeverhältnissen oder bei Änderungen im Gebäudebestand nicht erfüllt zu werden, wenn dies mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand verbunden wäre. Auf diesbezügliche Schwierigkeiten macht besonders der Behindertenbeauftragte der Kreisverwaltung Mainz-Bingen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Arztpraxen in Wohngebäuden aufmerksam.

Zu den neuen Bestimmungen über barrierefreie Wohnungen wird aber auch mitgeteilt, dass die Planer über die Neuregelung „wenig begeistert" seien. So sei es den Bauherren kaum zu vermitteln, dass barrierefreie Wohnungen auch dann vorzuhalten seien, wenn sich unter den Nutzern keine behinderten Personen befänden.

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz hält bei aller Befürwortung der Zielsetzung eine, wie es heißt, zwangsweise Regelung nicht für unproblematisch. Nach ihrer Auffassung wäre es sinnvoller gewesen, über eine entsprechende finanzielle Förderung die Errichtung behindertengerechter Wohnungen zu sichern. Es zeige sich, dass bei ausreichendem Angebot an behindertengerechten Wohnungen die Nachfrage nach diesen Wohnungen nur eingeschränkt bestehe. Durch den Zwang zur Schaffung behindertengerechter Wohnungen würden Bauinvestitionen unnötig erschwert.

Diese Einstellung kommt auch in der Stellungnahme des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft zum Ausdruck.

Vor allem bei Eigentumsmaßnahmen, so wird berichtet, führe die Umsetzung der Neuregelungen zu Irritationen. Den Kunden des Unternehmens sei kaum deutlich zu machen, dass sie beispielsweise beim Erwerb einer neuen Wohnung die barrierefreien Bäder dauerhaft vorhalten müssten. Sie sähen sich deshalb in ihrer individuellen Entscheidungsfreiheit stark eingeschränkt.

Beteiligung der Behindertenverbände

Die Beteiligung von Behindertenverbänden bei der Umsetzung der Bestimmungen über barrierefreies Bauen im Baugenehmigungsverfahren beschränkt sich auf wenige Einzelfälle. Die Verbände werden jedoch vielfach auf eigene Initiative hin tätig, indem sie z. B. Bauaufsichtsbehörden auf Defizite bei der Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen ­ meist bei fertig gestellten Bauvorhaben ­ hinweisen. Dabei werden in Verkennung der Rechtslage aber oftmals Forderungen gestellt bzw. Nachbesserungen verlangt, die sich nicht realisieren lassen.

Bei einer Reihe von Behörden wurde die Stelle eines Behindertenbeauftragten oder eines Mobilitätsbeauftragten geschaffen. Die Behindertenbeauftragten werden von einigen Bauaufsichtsbehörden regelmäßig bei der Prüfung von Bauanträgen beteiligt, jedoch in unterschiedlichem Umfang. Die Beteiligung erfolgt insbesondere bei öffentlich zugänglichen Gebäuden im Sinne von § 51 LBauO sowie in Fällen, in denen über Abweichungen von Regelanforderungen des Bauordnungsrechts zu entscheiden ist. Die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörde und Behindertenbeauftragtem kann im Allgemeinen als reibungslos bezeichnet werden.

Berichtet wird über nur einen Problemfall, in dem die Zusammenarbeit nicht funktionierte, weil der Behindertenbeauftragte überhaupt keine Stellungnahme gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgab.

Aus der nachstehenden Übersicht ergibt sich, bei welchen Verwaltungen Behindertenbeauftragte tätig sind. Wie sind die Konsequenzen der Neuregelung in der LBauO zum erweiterten Satzungsrecht der Kommunen über die Zahl der notwendigen Stellplätze in § 88 LBauO und die Erfahrungen der Kommunen, die eigene Satzungen erlassen haben?

Die mit der Landesbauordnung 1999 geschaffene Möglichkeit, die Zahl der notwendigen Stellplätze in bestimmten Fällen durch Satzung der Gemeinde festzulegen, wird in den vorliegenden Stellungnahmen durchweg positiv bewertet. Die Gemeinden haben von der Möglichkeit, Satzungen zu erlassen, bisher regen Gebrauch gemacht. In wie vielen Fällen Satzungen nach § 88 Abs. 1 Nr. 8

LBauO erlassen wurden, geht aus der nachfolgenden Übersicht, die von den Struktur- und Genehmigungsdirektionen übermittelt wurde, hervor: Bereich der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord:

1. Kreisverwaltung Bad Kreuznach

­ Verbandsgemeindeverwaltung Meisenheim: Ortsgemeinden Abtweiler, Breitenheim, Callbach, Rehborn und Reiffelbach

­ Verbandsgemeindeverwaltung Stromberg: Ortsgemeinden Dörrebach, Seibersbach, Daxweiler, Wamrsroth, Stromberg, Roth, Schweppenhausen, Eckenroth, Schöneberg und Waldlaubersheim

­ Verbandsgemeindeverwaltung Langenlonsheim: Ortsgemeinden Bretzenheim, Dorsheim, Langenlonsheim und Windesheim

2. Das Aufgabengebiet wurde in die Bereiche „Finanzierungsmöglichkeiten der Baumaßnahme" und „bautechnische Problemlösung" aufgeteilt.