Strafvollzug

1 Nr. 3 StGB aber verneint wird. Denn es dürfte so sein, dass entweder das gesamte Vollzugsverhalten die Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem weiteren Verfahren ermöglicht oder nicht so erheblich ist, dass es entgegen der Verneinung der Gefährlichkeit durch das Tatgericht diese begründen kann.

Diese Vorbehaltslösung hätte den Vorteil, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht zweifelhaft wäre. Sie unterläge auch keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbotes, welches zudem bei der Sicherungsverwahrung keine Anwendung fände. Die nachträgliche Entscheidung griffe auch nicht in die formelle und materielle Rechtskraft des Urteils ein und käme einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht nahe. Auch würde die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung als Vornahme einer vorbehaltenen ergänzenden Entscheidung keine gemäß Art. 103 Abs. 3 GG unzulässige Doppelbestrafung wegen derselben Tat darstellen. Beide Entscheidungen wären vielmehr Bestandteil einer einheitlichen strafrechtlichen Reaktion. Ferner wäre die Möglichkeit einer späteren Anordnung der Sicherungsverwahrung für den Verurteilten voraussehbar und er erhielte einen Anreiz, sich aktiv um seine Wiedereingliederung zu bemühen und die entsprechenden Behandlungsangebote im Strafvollzug wahrzunehmen.

Die Arbeitsgruppe teilt die in der kriminalpolitischen Diskussion teilweise vorgebrachte Auffassung, dass die Vorbehaltslösung die Therapiebereitschaft einschränke oder zunichte mache, nicht.

Mit Rücksicht auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Rechtssicherheit 5) wäre festzulegen, bis zu welchem Zeitpunkt eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ergehen kann.

Als Begrenzungszeitpunkt für die Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens zur nachträglichen Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung kommen die für die Dauer der Vollstreckung der Freiheitsstrafe maßgeblichen Zeitpunkte der §§ 57, 57 a StGB in Betracht. Die Entscheidung selbst sollte vor dem Ende des Vollzuges ergehen, um eine zwischenzeitliche Freilassung oder eine Inhaftierung auf sonstiger Rechtsgrundlage zu vermeiden.

Ein Teil der Arbeitsgruppe hält die Vorbehaltslösung für zu kurz greifend. Würde die Möglichkeit geschaffen, die verbindliche Feststellung der Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auf später zu verschieben, könne es dazu kommen, dass auch in Fällen, in denen nach geltendem Recht Sicherungsverwahrung anzuordnen sei, auf die vermeintlich besseren Erkenntnismöglichkeiten gegen Ende der Strafhaft gesetzt und die Entscheidung vorbehalten würde. Eine solche Ausweichmöglichkeit solle vermieden werden, weil bei der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung gegen Ende der Strafhaft nicht mehr die in der Tat zum Ausdruck kommende Gefährlichkeit, sondern das Vollzugsverhalten maßgeblich die Entscheidung bestimme, ohne dass beanstandungsfreies, angepasstes Vollzugsverhalten ein besonders verlässliches Indiz für straffreie Führung in Freiheit sei. Zudem verändere jede zu Unrecht lediglich vorbehaltene, statt von vornherein verhängte Sicherungsverwahrung den Prüfmaßstab für eine Entlassung nach vollzogener Freiheitsstrafe und die Entlassungsbedingungen jeweils zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung.

Die Möglichkeit, zum Ende der Strafhaft Sicherungsverwahrung zu verhängen, müsse eine zusätzliche Möglichkeit betreffend solcher Täter darstellen, deren Gefährlichkeit sich erst während des Strafvollzuges erkennen lasse, nicht aber eine alternative Möglichkeit für diejenigen eröffnen, deren Gefährlichkeit bei gehöriger Aufmerksamkeit und Ermittlungstiefe schon bei der Verurteilung erkennbar sei. Dies sei bei der Konzeption einer isolierten nachträglichen Sicherungsverwahrung besser gewährleistet. Sie erfasse auch die Fälle der vom Tatgericht verneinten Gefährlichkeit und der bei einem In-Kraft-Treten einer Vorbehaltslösung bereits verurteilten Straftäter.

(2.2) Zuständigkeits- und Verfahrensfragen

In § 267 Abs. 6 StPO sollte der notwendige Inhalt der Urteilsgründe um den Gesichtspunkt der Vorbehaltsentscheidung ergänzt werden. Denn dieser Teil des Urteils ist eine notwendige Grundlage für die vorbehaltene Nachtragsentscheidung des erkennenden Gerichts.

Bei der Verkündung des die Vorbehaltsentscheidung enthaltenden Urteils sollte hinsichtlich der Vorbehaltsentscheidung eine Belehrung erfolgen.

Ein Beschlussverfahren vor der großen Strafvollstreckungskammer liegt den Gesetzentwürfen des Freistaates Bayern (zuletzt Bundesratsdrucksache 176/01) und den Entwürfen von Baden-Württemberg/Thüringen, des Bundesrates und des BMJ zugrunde.

Dagegen wurde von der Mehrheit der anderen Landesjustizverwaltungen früher geltend gemacht, dass das Beschlussverfahren ein Vorenthalten wichtiger Garantien eines Hauptverfahrens bedeute, nämlich ein Fehlen der öffentlichen und mündlichen Hauptverhandlung, der Schöffenbeteiligung, der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, des Beweisantragsrechts und des Mittels der Revision zum Bundesgerichtshof.

Nach Auffassung eines Teils der Arbeitsgruppe sollte die Nachtragsentscheidung deshalb im Rahmen einer auch bessere Erkenntnismöglichkeiten eröffnenden ergänzenden Hauptverhandlung stattfinden. Bei einer Zuständigkeit des erkennenden Gerichts auch für die Nachtragsentscheidung sollte festgeschrieben werden, dass das erkennende Gericht die nachträgliche Entscheidung aufgrund einer weiteren Hauptverhandlung durch Urteil trifft.

5) BVerfGE 86, 288, 327.

Soweit sich das erkennende Gericht die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat, sollte es anstelle der Strafvollstreckungskammer auch die Entscheidungen über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe treffen, weil das die Planung und Durchführung der Entscheidungen vereinfacht.

Der überwiegende Teil der Arbeitsgruppe hält ein ergänzendes Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer für vorzugswürdig.

Der Aufwand eines weiteren Verfahrens vor dem Tatgericht sei insbesondere dann nicht erforderlich, wenn eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht in Betracht komme. Im Übrigen könne das Verfahren den notwendigen Erfordernissen angepasst werden. Zudem bedeute ein Nachtragsverfahren vor dem erkennenden Gericht einen Systembruch. Denn die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe liege ebenso bei der Strafvollstreckungskammer wie die Entscheidung, ob die vom Gericht angeordnete Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gemäß § 67c Abs.1 Satz 2 StGB zur Bewährung auszusetzen sei.

Ferner ist zu überlegen, ob für den Fall der zu erwartenden nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung sichergestellt werden sollte, dass die verurteilte Person bis zur Rechtskraft der Nachtragsentscheidung in Haft gehalten werden kann. Dazu könnte § 453 c Abs. 1 und 2 Satz 2 StPO (Sicherungshaft) für entsprechend anwendbar erklärt werden.

Schließlich sollte das Bundeszentralregistergesetz angepasst werden. Die Vorbehaltsentscheidung und die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung sollten in das Register eingetragen werden. Andererseits sollte die Vorbehaltsentscheidung gelöscht werden, wenn die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unterbleibt.

Abschließend hat die Arbeitsgruppe diskutiert, ob hinsichtlich des Zeitpunktes, bis zu welchem neue Erkenntnisse für eine etwaige spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung berücksichtigt werden können, nicht auch die Zeit ggf. nach der Strafverbüßung eintretender Führungsaufsicht einbezogen werden sollte. Hierdurch würde ein noch besserer Erkenntnisgewinn hinsichtlich einer Gefährlichkeit des Verurteilten ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für Sexualstraftäter, welche gerade erst nach ihrer Entlassung aus der Strafhaft stärkeren kriminogenen Situationen ausgesetzt sein können.

In diesem Zusammenhang wäre auch daran zu denken, in Fällen des Vorbehalts einer späteren Anordnung der Sicherungsverwahrung generell nach Ablauf der Strafverbüßung Führungsaufsicht vorzusehen.

2. Außerstrafrechtliche Anordnung einer sichernden Verwahrung gegen gefährliche Personen

a) Landesrechtliche Regelungen unter Anknüpfung an eine psychische Erkrankung

In allen Bundesländern gelten landesrechtliche Unterbringungsgesetze, wonach psychisch kranke Personen bei einer Eigengefährdung oder der Gefährdung anderer Personen aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden können. Das gilt grundsätzlich auch für psychisch kranke Strafgefangene, die somit im Anschluss an den Strafvollzug landesrechtlich untergebracht werden können.

Diese Unterbringungsgesetze erfassen aber lediglich die psychisch-kranken Inhaftierten und ermöglichen also nicht die Unterbringung gefährlicher Personen ohne eine solche Erkrankung.

Auch die Erkenntnisse der Strafvollzugsabteilungen der Landesjustizverwaltungen haben ergeben, dass die Beschränkung der Unterbringungsgesetze auf psychisch-kranke Täter die erforderlichen staatlichen Reaktionen teilweise nicht ermöglichen. Das Hessische Ministerium der Justiz hatte im Rahmen einer Länderumfrage angefragt, ob und ggf. wie viele verurteilte Straftäter in den Jahren 1997 bis 1999 nach Verbüßung ihrer Strafhaft auf der Grundlage von Freiheitsentziehungsgesetzen wegen Rückfallgefahr oder Risiken für die Bevölkerung in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung verblieben sind oder dorthin eingewiesen worden sind.

Es liegen folgende Stellungnahmen vor: Baden-Württemberg einige erfolglose Unterbringungsanträge; Bayern acht Einweisungen, 18 Ablehnungen einer Einweisung; Das Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (,Straftäter-Unterbringungsgesetz ­ StrUBG) vom 14. März 2001 ist am 17. März 2001 in Kraft getreten. 6).

Andere Länder folgten, wobei alle bislang vorliegenden Gesetze und Gesetzentwürfe sich im Wesentlichen an dem baden-württembergischen Straftäter-Unterbringungsgesetz orientieren. In Bayern ist ein Straftäterunterbringungsgesetz seit dem 1. Januar 2002 in Kraft 7), in Sachsen-Anhalt seit dem 9. März 2002. 8)

In einigen Ländern sind die entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben oder Prüfungen des Gesetzgebungsbedarfs noch nicht abgeschlossen.

Die materiellen Voraussetzungen der Straftäter-Unterbringung sind dreistufig aufgebaut.

In der ersten Stufe müssen die formellen Voraussetzungen der strafrechtlichen Sicherungsverwahrung vorliegen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. In der nächsten Stufe wird an ein negatives Vollzugsverhalten mit Indizwirkung für eine bestehende Rückfallgefahr angeknüpft. In der dritten Stufe wird eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung und damit für elementare Rechtsgüter gefordert. Eine Gefahr für materielle Rechtsgüter reicht für eine Straftäter-Unterbringung, anders als bei der strafrechtlichen Sicherungsverwahrung, nicht aus.

Übereinstimmend formulieren die Straftäter-Unterbringungsgesetze die Subsidiarität gegenüber freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn diese aufgrund schwerer Straftaten während des Vollzuges angeordnet werden bzw. angeordnet werden können.

Zur gerichtlichen Anordnung der Freiheitsentziehung haben die Gesetze und Gesetzentwürfe übereinstimmend die Zuständigkeit der großen Strafvollstreckungskammer gewählt.

Bis auf den hessischen Entwurf, der die Antragsbefugnis der Staatsanwaltschaft zuweist, ist in allen anderen Gesetzen und Entwürfen der Leiter der Justizvollzugsanstalt, in der sich der Betroffene aufhält, wegen seiner unmittelbaren Kenntnisse über den Betroffenen antragsbefugt. Auf die Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt kommt es aber auch dann entscheidend an, wenn die Antragsbefugnis bei der Staatsanwaltschaft liegt.

Alle Unterbringungsgesetze und Entwürfe lassen die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt entsprechend den Vorschriften der Sicherungsverwahrung vollziehen.

Die Straftäter-Unterbringung ist zwar ein Vollzug eigener Art in der Zuständigkeit der Innenverwaltung. Würde man den Vollzug aus systematischen Gründen aber dort ansiedeln, so müsste für eine Kleingruppe von Inhaftierten ein neues Vollzugssystem aufgebaut und unterhalten werden. Daher hat man sich dafür entschieden, die Justiz im Wege der Amtshilfe mit dem Vollzug zu betrauen.

Die Straftäter-Unterbringung ist gegenüber der isolierten nachträglichen oder vorbehaltenen nachträglichen Sicherungsverwahrung subsidiär. Gegenüber einer isolierten nachträglichen Sicherungsverwahrung sind kaum Fälle denkbar, die für eine landesrechtliche Unterbringung verblieben. Anders verhält es sich gegenüber einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Sie kann nur in den vorbehaltenen Fällen greifen. Daher bleiben insoweit für die landesrechtliche Unterbringung die sog. Altfälle, also alle Gefangenen, die bis zu einem In-Kraft-Treten einer Vorbehaltslösung bereits rechtskräftig verurteilt worden sind, und solche Fälle, in denen ein Vorbehalt nicht angeordnet wurde.

Gegenüber Straftäter-Unterbringungsgesetzen des dargelegten Regelungsinhalts sind Bedenken geltend gemacht worden, die insbesondere die Gesetzgebungskompetenz der Länder betreffen. Der Bund habe im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung aus Anlass von Straftaten abschließend geregelt, so dass Art. 72 Abs. 1 GG einer Regelung dieses Bereichs durch die Länder entgegenstehe.

6) GBl. 2001 S. 188, abgedruckt in ZRP 2001 S. 322.

7) BayGVBl. 2001 S. 978 f.

8) GVBl. LSA 2002, S. 80.