Wettbewerb

Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband empfiehlt, in Fällen, in denen die voraussichtliche Menge nicht ermittelt werden kann, folgendermaßen vorzugehen 101): „Haben die Vorerkundungen nur die Notwendigkeit einer Leistung gezeigt, aber keinen genauen Anhalt für die tatsächliche Menge gegeben, so wäre eher die maximale Menge im Leistungsverzeichnis anzugeben. Ergaben zwar die Erkundungen keinen Aufschluss zum Leistungsumfang, können aber erfahrungsgemäß kleine Mengen auftreten, so ist dringend anzuraten, keine Leistungsposition auszuschreiben. Ergibt sich später bei der Ausführung die Notwendigkeit der Leistung, so ist der Preis nach § 2 Nr. 6 VOB/B zu ermitteln.... Bei nachträglicher Preisvereinbarung nach § 2 Nr. 6 VOB/B muss diese an das Preisniveau des Ursprungsangebots anknüpfen. Der Preis bleibt sachgerecht, Auswirkungen auf die Gesamtabrechnungssumme hat der Preis nur in der gerechtfertigten Höhe. Im anderen Fall, nämlich bei Ausschreibung der maximal zu erwartenden Mengen, wird der Angebotspreis auf jeden Fall niedriger sein als bei der Ausschreibung einer kleinen Menge. Der Bieter erleidet durch dieses Vorgehen keinen Nachteil. Er ist im Fall überraschender Mengenminderung über § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B geschützt."

Mit dieser Verfahrensweise kann spekulativem Verhalten entgegengewirkt werden.

Bedarfs- oder Eventualpositionen

Unter Bedarfs- oder Eventualpositionen sind Teilleistungen zu verstehen, von denen zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht feststeht, ob sie benötigt werden. Der Auftraggeber behält sich die endgültige Entscheidung darüber vor, ob die Leistung ausgeführt wird. In der Regel kann das erst nach der Zuschlagserteilung im Verlauf der Bauausführung geschehen.

Das steht grundsätzlich im Gegensatz zum Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung nach § 9 Nr. 1 S. 1

VOB/A, da der endgültige Umfang des ausgeschriebenen Auftrags unklar bleibt. Deshalb darf eine Bedarfsposition nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden (§ 9 Nr. 1 S. 2 VOB/A), z. B. wenn trotz Ausschöpfung aller örtlicher und technischer Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Vorerkundungen objektiv nicht feststellbar ist, ob und in welchem Umfang eine Leistung ausgeführt werden muss.

Bedarfspositionen sind im Leistungsverzeichnis speziell kenntlich zu machen. Damit ihre Einheitspreise richtig kalkuliert werden können, sind möglichst genaue Mengenangaben zu machen. Der Gesamtbetrag einer Bedarfsposition ist im Leistungsverzeichnis aber nicht auszuweisen, damit er nicht in die Angebotssumme einbezogen wird; die dafür vorgesehene Spalte ist im Leistungsverzeichnis zu sperren 102). Der Wert der ausgeschriebenen Bedarfspositionen sollte auch in Ausnahmefällen 10 % der geschätzten Auftragssumme nicht überschreiten.

Das wurde oft nicht beachtet. Ausschreibungen enthielten in großem Umfang Bedarfspositionen, die in einigen Fällen zudem nicht als solche gekennzeichnet waren.

Weisen Angebote zu Bedarfspositionen mit der grundsätzlich unzulässigen Menge „1" überhöhte Einheitspreise aus (vgl. das Beispiel unter Nr. 5.1.2) und stellt sich während der Bauausführung heraus, dass die Leistungen benötigt werden, sollte mit dem Auftragnehmer über einen angemessenen Preis verhandelt werden. Er hat keinen Anspruch darauf, mit der Durchführung einer Bedarfsposition beauftragt zu werden. Der Auftrag kann jederzeit einem Dritten erteilt werden.

Eine Vielzahl von Bedarfspositionen deutet darauf hin, dass Mängel einer unzureichenden Planung ausgeglichen werden sollen und dass sich der ausschreibende Architekt oder Ingenieur seiner Verantwortung zur genauen fallbezogenen Leistungsbeschreibung zu entziehen versucht.

Wahl- oder Alternativpositionen

Eine Wahl- oder Alternativposition ist eine Position, die an Stelle einer bestimmten anderen Position, der sog. Grundposition, ausgeführt werden kann. Während sich der Auftraggeber mit einer Bedarfsposition offen hält, ob eine Leistung ausgeführt wird, behält er sich mit einer Wahlposition die spätere Entscheidung für die eine oder andere Leistung, die Grundposition oder die Wahlposition, vor. Kommt eine Wahlpositionen zur Ausführung, so verdrängt sie die korrespondierende Grundposition. Deshalb muss die Wahlposition als solche mit ihrem Bezug zu der entsprechenden Grundposition eindeutig gekennzeichnet sein.

Damit ihre Einheitspreise richtig kalkuliert werden können, sind möglichst genaue Mengenangaben zu machen. Der Gesamtbetrag einer Wahlposition ist wie der einer Bedarfsposition im Leistungsverzeichnis aber nicht auszuweisen, damit er nicht in die Angebotssumme einbezogen wird 102).

101) Geschäftsbericht 1996 S. 98 (109). 102) Vgl. Vergabehandbuch des Bundes, Ausgabe 2001, Nr. 4.1 der Richtlinie zu § 9 VOB/A.

Beispiel:

Bei einer Straßenbaumaßnahme waren Gehwege von rund 4 800 m² mit Pflasterbelag zu befestigen. Dafür enthielt das Leistungsverzeichnis folgende Positionen:

­ 3 800 m² Verbundpflaster 8 cm stark

­ 3 800 m² Verbundpflaster ­ als Zulage 10 cm stark

­ 3 800 m² Rechteckpflaster, farbig

­ 3 800 m² Würfelpflaster mit Vorsatz

­ 3 800 m² Würfelpflaster, sandgestrahlt

­ 3 800 m² Pflaster, erdbraun ­ als Zulage.

Ohne die Zulagepositionen war danach eine Fläche von 15 200 m² zur Befestigung ausgeschrieben. Die verschiedenen Ausführungsarten waren nicht als alternative Ausführungsarten gekennzeichnet. Der Bieter mit dem niedrigsten Angebot nutzte die unzutreffende Ausschreibung. Er bot die meisten Pflasterarbeiten zu einem unterdurchschnittlich niedrigen Einheitspreis an. Der Abstand zum nächsten Bieter betrug bei diesen Positionen 180 300.

Mit Wahlpositionen kann der Auftraggeber den Wettbewerb vergrößern, indem er z. B. verschiedene Baustoffe wie Frischbeton oder Ziegelsteine oder verschiedene Bauteile wie Holzfenster oder Aluminiumfenster alternativ ausschreibt 103), um danach ­ so früh wie möglich, jedenfalls aber noch vor der Wertung der einzelnen Angebote ­ seine Entscheidung zu treffen, welche Leistung ausgeführt werden soll. Wahlpositionen dürfen dagegen ebenso wenig wie Bedarfspositionen dazu dienen, Mängel einer unzureichenden Planung auszugleichen. Das ist z. B. der Fall, wenn Erdarbeiten alternativ in allen denkbaren Bodenklassen ausgeschrieben werden, um die Einholung eines Bodengutachtens oder die möglichst genaue Erfassung des Leistungsumfangs zu ersparen.

Gegen Wahlpositionen, die den Wettbewerb vergrößern, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Auftraggeber solcher Positionen in unbegrenztem Umfang bedienen darf. Sie bergen die Gefahr, die Transparenz des Vergabeverfahrens zu beeinträchtigen und können vom Auftraggeber leicht zu Manipulationen missbraucht werden, da er mit seiner Entscheidung für die eine oder die andere Alternative oder für eine gezielte Kombination von mehreren der angebotenen Alternativen einen bestimmten, von ihm gewünschten Bieter an die erste Stelle rechnen kann. Die Bieterfolge lässt sich so leicht verändern. Wahlpositionen müssen aus diesem Grunde hinreichend sachlich begründet sein und dürfen nur restriktiv ausgewiesen werden.

Wenn die Entscheidung für eine Wahlposition ­ insbesondere aus technischen Gründen ­ zum Zeitpunkt des Zuschlagtermins noch nicht möglich ist, kann sie ausnahmsweise auch nach der Auftragserteilung erfolgen. Hierfür ist aber ein entsprechender Vorbehalt in den Vertrag aufzunehmen. Andernfalls kommt der Vertrag mit der entsprechenden Grundposition zustande, während das Alternativangebot des beauftragten Bieters erlischt 104). Der Vorbehalt ist speziell für die jeweilige Wahlposition zu fassen. Eine Klausel, in der sich der Auftraggeber generell das Recht vorbehält, für die Ausführung einer von mehreren im Angebot vorgesehenen Alternativen erst nach Auftragserteilung, aber vor Beginn der Ausführung dieser Teilleistung eine Entscheidung zu treffen, benachteiligt den Bieter unangemessen und ist deshalb unwirksam.

Zulage- oder Zuschlagspositionen Zulage- oder Zuschlagspositionen sind keine eigenständigen Positionen. Sie sehen unter bestimmten (in der Beschreibung der Position zu nennenden) Umständen oder Voraussetzungen eine Zulage zum Preis einer anderen (Normal-, Wahl- oder Bedarfs-) Position vor. In Zulagepositionen werden üblicherweise Erschwernisse oder höhere Qualitätsanforderungen zusätzlich zu einer Grundposition ausgeschrieben. Häufig werden Zulagepositionen bei Bodenabtragspositionen verwendet, z. B. wenn statt Bodenklasse 6

(leicht lösbarer Fels) die Bodenklasse 7 (schwer lösbarer Fels) auftritt.

Zulagepositionen müssen eindeutig gekennzeichnet und beschrieben sein und auf die zugehörige Grundposition Bezug nehmen.

Fehlt die eindeutige Kennzeichnung als Zulageposition, kommt es häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Auftragnehmer legen nicht eindeutig beschriebene Grundpositionen häufig als Zulagepositionen aus, bieten niedrige Preise dafür an und fordern zur Vergütung für die angebliche Zulageposition noch den Normalpreis aus einer anderen Position.

103) Bei der Vergabeentscheidung sind etwaige Qualitätsunterschiede zu berücksichtigen.

104) Die alternative Leistung unterliegt dann der Vergütungsregelung des § 2 Nr. 5 VOB/B. Beispiele:

­ Im Zuge der Erschließung eines Gewerbegebiets war eine alte Bauschuttdeponie zu beseitigen. Ein Bieter hatte bei der Position „Abtrag der Massen und Transport auf eine öffentliche Deponie" einen Einheitspreis von 0,03/m³ und einen Gesamtpreis von 135,50 eingetragen. Die Position war nicht als Zulageposition gekennzeichnet. Der Auftragnehmer rechnete diese Position als Zulageposition zu der Grundposition „Abtrag von Boden" ab und forderte 61 355 zusätzlich. Der Auftraggeber erkannte die nachträgliche Forderung an. Die Schlussrechnung war dadurch um 13 805 teurer, als wenn der zweitplatzierte Mitbewerber die Leistung erbracht hätte, der für die Position „Abtrag der Massen und Transport auf eine öffentliche Deponie" einen auskömmlichen Preis angeboten hatte.

­ Für den Neubau einer Erschließungsstraße war eine Position „Oberboden abtragen und seitlich der Trasse lagern" vorgesehen.

Die Baufirma bot die Leistung zu einem Preis von 3,48 /m³ an. In einer weiteren Position hieß es „Oberboden abtragen und auf einen gemeindlichen Lagerplatz abfahren". Die Position war nicht als Zulageposition gekennzeichnet. Die Baufirma gab dafür einen Preis von 4,35 /m³ an. Aus dem Verhältnis der Preise für beide Positionen ist zu schließen, dass die Baufirma die Position als selbständige Normalposition kalkuliert hatte. Sie berechnete jedoch für die auf den gemeindlichen Lagerplatz abgefahrene Menge den Preis von 3,48 /m³ und eine Zulage von 4,35 /m³.

Doppelausschreibungen Gelegentlich werden dieselben Leistungen in verschiedenen Positionen eines Leistungsverzeichnisses oder in verschiedenen Fachlosen ausgeschrieben, z. B. Dämmarbeiten beim Zimmerer- und beim Dachdeckergewerk oder die Position „Oberboden abtragen, Straßendecke entfernen und wiederherstellen" sowohl beim Leitungsbau als auch beim Straßenbau, ohne sie in beiden Losen als Bedarfs- oder als Wahlpositionen zu kennzeichnen.

Das zwingt zur Herausnahme der doppelt ausgeschriebenen Position aus dem einen oder dem anderen Los mit der Folge, dass der Kalkulation der Bieter ­ jedenfalls bei einer Mischkalkulation ­ die Grundlage entzogen werden kann.

Wird das bei der Wertung übersehen oder sind Teilleistungen der doppelt ausgeschriebenen Position bei jedem Los notwendig, können Unternehmen, die Angebote zu beiden Losen einreichen, die Leistung zu unterschiedlichen Preisen anbieten und die gesamte Leistung zu dem höheren Einheitspreis abrechnen.

Beispiele:

­ In einem Leistungsverzeichnis waren dieselben Leistungen in verschiedenen Positionen ausgeschrieben. Einige Bieter wiesen darauf hin und gaben ihre Preise nur bei einer Position an. Ein Unternehmer bot die Leistungen zu jeweils unterschiedlichen Einheitspreisen und Gesamtbeträgen an 105). Ein anderes Unternehmen wiederholte den Einheitspreis, ohne für die Doppelposition einen Gesamtbetrag auszuweisen.

Bei der Prüfung des zuletzt genannten Angebots errechnete die Verwaltung auch für die Doppelposition den Gesamtbetrag und schlug ihn dem Angebotsendpreis zu. Bei dem Angebot mit den jeweils unterschiedlichen Einheitspreisen übernahm sie beide ausgewiesenen Gesamtbeträge unverändert. Dieses Angebot erhielt den Zuschlag. Ohne Berücksichtigung der Doppelposition wäre es nicht das preisgünstigste Angebot gewesen.

­ Eine Baufirma bot den Abtrag und die Lagerung von Oberboden im Angebotsabschnitt Kanalbau zu 0,10 /m² und im Abschnitt Straßenbau zu 0,56/m² an. Der Abrechnung des Oberbodenabtrags für den Straßenbau legte die Baufirma die gesamte Straßenbreite zugrunde. Sie berücksichtigte nicht, dass eine Teilfläche bereits beim vorausgegangenen Kanalbau geräumt worden war und dort zu dem niedrigeren Preis hätte in Rechnung gestellt werden müssen.

­ Eine Ortsstraße wurde ausgebaut. Zuvor waren Kanalrohre verlegt worden. Die Aufträge für beide Vorhaben erhielt dasselbe Unternehmen. Im Leistungsverzeichnis für den Kanalbau bot es den Aufbruch und das Recyceln der Straßendecke sowie das Abtragen der Frostschutzschicht im Bereich der Kanalgräben zu einem Preis von 3,43 /m² an, im Leistungsverzeichnis für den Straßenbau waren für den restlichen, größeren Anteil des Straßendeckenaufbruchs und die Beseitigung des Materials 12,78 /m² angeboten. Die Baufirma berechnete für den gesamten Abtrag der Straßendecken und die Beseitigung ausschließlich den höheren Preis von 12,78/m², obwohl die Straßendecke teilweise bereits für die Kanalverlegung entfernt worden war. Die Vergütung war um 16 875 zu hoch.

105) Dieselben Leistungen z. B. in einem Fall zu einem Einheitspreis von 8,70 (Gesamtbetrag: 20 500) und 0,03 (Gesamtbetrag: 47), in einem anderen Fall zu einem Einheitspreis von 195 (Gesamtbetrag: 1 950) und 0,05 (Gesamtbetrag: 0,50).