Struktur- und Genehmigungsdirektion

Die Bestimmung erweitert § 6 Abs. 3 AGVwGO, der die Zuständigkeit der Struktur- und Genehmigungsdirektion für den Erlass des Widerspruchsbescheides bei Widersprüchen gegen bestimmte Entscheidungen der Kreisverwaltung, die diese im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben der höheren Verwaltungsbehörde nach Bestimmungen des Baugesetzbuches getroffen hat, begründet.

Nach dem bisherigen § 6 Abs. 3 AGVwGO beschränkt sich die Zuständigkeit der Struktur- und Genehmigungsdirektion auf Entscheidungen der Kreisverwaltung über die Genehmigung des Flächennutzungsplans (§ 6 Abs. 1, 3 und 4 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB) und über die Genehmigung des Bebauungsplans (§ 10 Abs. 2 BauGB). Widersprüche gegen andere Entscheidungen, die die Kreisverwaltung im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben der höheren Verwaltungsbehörde nach dem Baugesetzbuch trifft, fallen in die Zuständigkeit des Kreisrechtsausschusses.

Durch die Änderung des § 6 Abs. 3 AGVwGO wird die Widerspruchszuständigkeit der Struktur und Genehmigungsdirektion erweitert auf Widersprüche gegen Entscheidungen der Kreisverwaltung über

­ die Zustimmung zum Beschluss der Gemeinde zur Wiederinkraftsetzung einer außer Kraft getretenen Veränderungssperre (§ 17 Abs. 3 BauGB),

­ die Genehmigung der Satzung, mit der die Gemeinde einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbezieht (§ 34 Abs. 5 Satz 2 BauGB),

­ die Genehmigung der Außenbereichssatzung der Gemeinde (§ 35 Abs. 6 Satz 6 BauGB) und

­ die Wiederholung bestimmter Verfahrensschritte bei Gebiets- oder Bestandsänderungen (§ 204 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

Mit der Zuständigkeitsänderung wird erreicht, dass bei Widersprüchen gegen die genannten Entscheidungen der Kreisverwaltung einheitlich die Struktur- und Genehmigungsdirektion für den Erlass des Widerspruchsbescheides zuständig ist.

Zu Nummer 2 (§ 6 a AGVwGO)

Wird gegen den Verwaltungsakt ein Widerspruch eingelegt, so hat die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat (die Ausgangsbehörde), zunächst eine Abhilfeentscheidung zu treffen. Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten (§ 72 VwGO).

Die Erfahrungen zeigen, dass die Dauer der Widerspruchsverfahren häufig dadurch unnötig verlängert wird, dass die Ausgangsbehörde den Widerspruch nicht zeitnah dem Kreisoder Stadtrechtsausschuss zur Entscheidung vorlegt.

Durch § 6 a Satz 1 AGVwGO wird die Ausgangsbehörde verpflichtet, den Widerspruch mit den einschlägigen Verwaltungsvorgängen dem zuständigen Rechtsausschuss vorzulegen, wenn sie innerhalb von sechs Wochen nach dem Eingang dem Widerspruch nicht abgeholfen hat. Wurde der Widerspruch beim Rechtsausschuss eingelegt, so ist er zunächst der Ausgangsbehörde zuzuleiten, damit diese Gelegenheit zur Abhilfe erhält. In diesem Fall beginnt die Sechswochenfrist mit dem Eingang des vom Rechtsausschuss an die Ausgangsbehörde weitergeleiteten Widerspruchs.

Der Vorschlag der Arbeitsgruppe sieht eine Vorlagefrist von einem Monat vor. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass diese Frist zu kurz bemessen ist. Sie hält eine Sechswochenfrist für geboten, aber auch ausreichend, um eine Abhilfeentscheidung treffen zu können. Bei der Bemessung der Vorlagefrist ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausgangsbehörde dem Widerspruch auch noch nach Weiterleitung des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde gemäß § 72 VwGO abhelfen kann (vgl. BVerwGE 82, 336/338). § 6 a Satz 2 AGVwGO räumt dem vorsitzenden Mitglied des Rechtsausschusses das Recht ein, die Vorlagefrist aus wichtigem Grund zu verlängern. Als wichtiger Grund kommt beispielsweise die Durchführung eines „Musterverfahrens" (vgl. zum Begriff § 93 a VwGO) oder eines „unechten Massenverfahrens" (das heißt eine größere Anzahl gleichartiger Verfahren, wie sie zum Beispiel in Abgabensachen vorkommen) in Betracht.

Die Einhaltung der Vorlagefrist unterliegt der Rechtsaufsicht.

Verfahrensrechtliche Folgen für den Fall der verspäteten Vorlage sind nicht vorgesehen.

Zu Nummer 3 (§ 16 AGVwGO)

Zu Buchstabe a

Zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen zwischen den Befugnissen des vorsitzenden Mitglieds und denen des Rechtsausschusses wird entsprechend der herrschenden Rechtspraxis klargestellt, dass das vorsitzende Mitglied befugt ist, alle zur Vorbereitung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Darüber hinaus hat das vorsitzende Mitglied die ihm gesetzlich übertragenen Befugnisse (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Satz 1 und § 16 Abs. 2 Satz 1 AGVwGO sowie zukünftig § 6 a Satz 2 und § 16 Abs. 5 AGVwGO).

Zu Buchstabe b Redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe c § 16 Abs. 5 AGVwGO überträgt dem vorsitzenden Mitglied des Rechtsausschusses in bestimmten Fällen Alleinentschei dungsbefugnisse. In diesen Fällen entscheidet das vorsitzende Mitglied des Rechtsausschusses als (weisungsfreier) Ausschuss.

Sinn und Zweck des Rechtsausschussverfahrens einschließlich des Prinzips der Mündlichkeit und des Prinzips der Weisungsfreiheit ist es, unter ausreichender juristischer Beratung und Zuhilfenahme von Ortskenntnis und Bürgernähe der Beisitzenden zu einer möglichst von allen Beteiligten akzeptierten Entscheidung zu kommen. In den nachfolgend beschriebenen Fällen ist eine Beteiligung des Rechtsausschusses entbehrlich, weil die für eine Beteiligung sprechenden Gesichtspunkte regelmäßig nicht vorliegen.

Nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO ist dann vom vorsitzenden Mitglied des Rechtsausschusses über den Widerspruch zu entscheiden, wenn die oder der Widerspruchsführende das Verfahren trotz schriftlicher Aufforderung durch das vorsitzende Mitglied länger als drei Monate nicht betreibt. Die Regelung soll insbesondere solche Fälle erfassen, in denen Widersprüche impulsiv eingelegt, anschließend aber nicht weiter verfolgt werden. Auf Aufforderungen, eine Widerspruchsbegründung vorzulegen, oder Anfragen, ob an der Fortsetzung des Verfahrens noch ein Interesse besteht, erfolgt oftmals keine Reaktion. Bei dieser Ausgangssituation ist eine Entscheidung des vorsitzenden Mitglieds ausreichend.

Sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO erfüllt, wird ­ anders als bei § 92 Abs. 2 VwGO ­ allerdings nicht ein Wegfall des Sachentscheidungsinteresses unterstellt.

§ 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AGVwGO betrifft Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 4 VwGO und nach § 80 a Abs. 1 und 2 VwGO. In diesen Verfahren ist die Einberufung des Rechtsausschusses zu zeitaufwändig, um gerade bei besonders eilbedürftigen Verfahren effektiven Rechtsschutz gewähren zu können. Die gesetzliche Regelung, dass die Widerspruchsbehörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes anordnen oder aussetzen kann, läuft deshalb bei den Rechtsausschüssen häufig leer; diese Verfahren sollen deshalb künftig durch das vorsitzende Mitglied des Rechtsausschusses entschieden werden.

§ 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 AGVwGO bezieht sich auf Fälle, in denen kein Widerspruchsbescheid ergeht und deshalb keine Kostenentscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO erfolgt, sondern das Widerspruchsverfahren sich auf andere Weise, beispielsweise durch Zurücknahme des Antrags bei einem antragsabhängigen Verwaltungsakt oder durch Vergleich, erledigt. Auch in diesen Fällen genügt es, wenn das vorsitzende Mitglied des Rechtsausschusses eine Kostenentscheidung trifft.

§ 16 Abs. 5 Satz 2 AGVwGO begründet eine fakultative Entscheidungszuständigkeit des vorsitzenden Mitglieds des Rechtsausschusses. Das vorsitzende Mitglied kann auch über den Widerspruch entscheiden, wenn er offensichtlich unzulässig ist oder alle Beteiligten damit einverstanden sind.

Offensichtlich unzulässig ist ein Widerspruch beispielsweise dann, wenn die Widerspruchsfrist unzweifelhaft abgelaufen ist und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beansprucht werden kann. Die lediglich an das Einverständnis der Beteiligten gebundene Entscheidungszuständigkeit des vor8 sitzenden Mitglieds kommt insbesondere für solche Verfahren in Betracht, die durch eine Beteiligung des Laienelementes nicht weiter gefördert werden können. Ist eine solche Beteiligung nach Auffassung des vorsitzenden Mitglieds dagegen sinnvoll, so kann ein Verfahren vor dem Rechtsausschuss auch dann stattfinden, wenn alle Beteiligten mit einer Entscheidung des vorsitzenden Mitglieds einverstanden sind.

§ 16 Abs. 5 Satz 3 AGVwGO legt fest, dass es einer mündlichen Erörterung des Widerspruchs mit den Beteiligten, wie sie vor Erlass des Widerspruchsbescheides durch den Rechtsausschuss grundsätzlich erforderlich ist, bei Entscheidungen des vorsitzenden Mitglieds nach § 16 Abs. 5 Satz 1 und 2 nicht bedarf.

§ 16 Abs. 6 AGVwGO enthält eine Regelung des Akteneinsichtsrechts für den Fall, dass Beteiligte anwaltlich vertreten werden. Für das Akteneinsichtsrecht durch Beteiligte im Vorverfahren vor den Rechtsausschüssen findet § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) in Verbindung mit § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) Anwendung. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 VwVfG erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Allerdings kann nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 VwVfG die Behörde, die die Akten führt, Ausnahmen gestatten. Durch § 16 Abs. 6 Satz 1 AGVwGO wird ausdrücklich geregelt, dass der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt einer oder eines am Widerspruchsverfahren Beteiligten die Widerspruchsakten vorübergehend zur Einsicht in der anwaltlichen Wohnung oder in den anwaltlichen Geschäftsräumen übergeben werden können. Die Neuregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass das Widerspruchsverfahren vor den Rechtsausschüssen ein förmlich ausgestaltetes Verwaltungsverfahren ist, in dem zunehmend Beteiligte anwaltlich vertreten werden.

Die Akten werden der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt regelmäßig dann zu überlassen sein, wenn sie oder er zuverlässig ist und die Akten unschwer kurzfristig entbehrt werden können. Durch § 16 Abs. 6 Satz 2 AGVwGO wird klargestellt, dass sich das Akteneinsichtsrecht im Übrigen ­ entsprechend der geltenden Rechtslage ­ nach § 1 Abs. 1 LVwVfG in Verbindung mit § 29 VwVfG richtet.

Zu Buchstabe d

Die Neuregelung dient neben der redaktionellen Anpassung der Klarstellung des Gewollten. Durch das Zustellungserfordernis soll sichergestellt werden, dass die nach § 17 Abs. 1 AGVwGO klagebefugten Behörden Kenntnis von dem Widerspruchsbescheid erlangen. Für die Entscheidung über die Klageerhebung kommt es allein auf den umfänglichen oder teilweisen Erfolg des Widerspruchs und nicht auf die Art der Widerspruchsentscheidung an. Dem soll durch eine entsprechende Formulierung Rechnung getragen werden.

Zu Nummer 4 (§ 17 AGVwGO) Redaktionelle Folgeänderungen.

Zu Nummer 5 (§ 19 AGVwGO) Redaktionelle Anpassung der Verweisung auf das Landesgebührengesetz.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1 (§ 15 LGebG)

Durch die Änderung des § 15 Abs. 4 des Landesgebührengesetzes (LGebG) werden die Rahmensätze für die Erhebung der Widerspruchsgebühr geändert. Die Mindestgebühr wird von 5,00 EUR auf 20,00 EUR, die Höchstgebühr von 510,00 EUR auf 1 000,00 EUR angehoben. Die Rahmensätze bei Widersprüchen gegen Kostenentscheidungen werden von mindestens 2,00 EUR und höchstens 50,00 EUR auf mindestens 10,00 EUR und höchstens 100,00 EUR angehoben.

§ 3 LGebG bestimmt, dass Gebühren so zu bemessen sind, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für die Kostenschuldnerin oder den Kostenschuldner ein angemessenes Verhältnis besteht. Diese Gebührenbemessungsgrundsätze gelten auch dann, wenn für die Gebührenerhebung Rahmensätze gelten.

Die neuen Rahmengebührensätze tragen beiden Gebührenbemessungsgrundsätzen Rechnung. Dabei ist berücksichtigt, dass die bisherigen Rahmengebührensätze seit dem In-KraftTreten des Landesgebührengesetzes am 1. Januar 1975, also seit 28 Jahren, unverändert geblieben sind. Seit dieser Zeit sind die Personal- und Sachkosten allgemein und die Komplexität vieler Widerspruchsverfahren beträchtlich angestiegen. Auch der Nutzen, insbesondere der wirtschaftliche Wert, einzelner Amtshandlungen (zum Beispiel im Bau- und Gewerberecht) hat sich erheblich erhöht.

Die Erhöhung der Rahmengebührensätze führt nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Widerspruchsgebühren. Es ist vielmehr zu erwarten, dass auch zukünftig in der Mehrzahl der Widerspruchsfälle Gebühren zu erheben sind, die sich innerhalb der bisherigen Gebührenrahmen bewegen.

Zu Nummer 2 (§ 15 LGebG)

Der neue § 15 Abs. 7 LGebG stellt klar, welche Stelle für die Erhebung der Widerspruchsgebühr nach § 15 Abs. 4 bis 6

LGebG zuständig ist, wenn über den Widerspruch ein Kreisoder Stadtrechtsausschuss entschieden hat oder ein dort anhängiger Widerspruch sich auf andere Weise als durch Entscheidung oder Zurücknahme erledigt hat. Die Klarstellung ist notwendig, weil dieser Sachverhalt in der Verwaltungspraxis und in der Literatur teilweise unterschiedlich beurteilt wird (vgl. hierzu Rühle/Stumm, Handbuch für Rechtsausschüsse, S. 171 und 172).

Die Zuständigkeitsregelung korrespondiert mit § 19 Abs. 3 AGVwGO, der für das Kostenerstattungsverfahren zwischen den Beteiligten vorschreibt, dass anstelle eines Rechtsausschusses die Kreisverwaltung als Verwaltungsbehörde des Landkreises oder die Stadtverwaltung den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen festsetzt.

Zu Artikel 3

Nach § 6 a Satz 1 AGVwGO in der Fassung des Artikels 1 Nr. 2 ist ein Widerspruch, dem von der Ausgangsbehörde nicht abgeholfen wurde, mit den einschlägigen Verwaltungsvorgängen innerhalb von sechs Wochen nach dem Eingang bei der Ausgangsbehörde dem zuständigen Rechtsausschuss vorzulegen. Die Übergangsregelung bestimmt für Widersprüche, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Regelung bei der Ausgangsbehörde bereits eingegangen sind, dass die Sechswochenfrist erst mit dem In-Kraft-Treten dieser Regelung beginnt. Durch die Übergangsregelung werden Rechtsunsicherheiten und verwaltungsorganisatorische Schwierigkeiten vermieden.

Zu Artikel 4

Die Bestimmung regelt das In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes. Damit sich die von dem Gesetz Betroffenen, insbesondere die von § 6 a Satz 1 AGVwGO in der Fassung des Artikels 1 Nr. 2 betroffenen Ausgangsbehörden und Rechtsausschüsse sowie die von § 15 Abs. 4 LGebG in der Fassung des Artikels 2 Nr. 1 betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf die Neuregelungen einstellen können, soll das Gesetz erst am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden dritten Kalendermonats in Kraft treten.