Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben auf der „grünen Wiese"

Laut Bericht der „Rheinpfalz" vom 18. September 2003 wurde in Rheinhessen und der Pfalz in den letzten Jahren die Fläche zur Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe stark erweitert. In vielen Fällen sei dabei mittels Zielabweichungsverfahren von gültigen regionalen Raumordnungsplänen und dem Landesentwicklungsprogramm III abgewichen worden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viele Zielabweichungsverfahren von regionalen Raumordnungsplänen, die Flächen zur Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben zum Gegenstand hatten, wurden in den Jahren 1995 bis 2003 in Rheinland-Pfalz beantragt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

2. In welchen Fällen wurde den Anträgen stattgegeben und welche Landesplanungsbehörden waren jeweils an den Entscheidungen beteiligt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune, beteiligten Behörden)?

3. Wurde in 2003 bereits über Zielabweichungsverfahren nach dem geänderten Landesplanungsgesetz allein durch die Struktur- und Genehmigungsdirektionen entschieden, wenn ja, über welche (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft und Kommune)?

4. Wie viel Quadratmeter Verkaufsfläche wurden durch die stattgegebenen Anträge auf Zielabweichung (nach Fragen 2 und 3) jeweils mit welchen Auflagen z. B. bezüglich Sortiment, Verkehrsanbindung, Erweiterung, Nebenanlagen usw. genehmigt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr, Kommune, beantragte Fläche, genehmigte Fläche, Sortimentsauflage, Verkehrsanbindungsauflage, Sonstige ­ gegebenenfalls mindestens nach Erweiterungsauflage[n], Nebenanlagenauflage[n] aufgeschlüsselt ­)?

5. Mit welchen Begründungen wurden die einzelnen Zielabweichungsverfahren positiv beschieden (bitte Auflistung der Verfahren nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

6. Wurden die Auswirkungen der Ansiedlungsvorhaben auf der „grünen Wiese", für die ein Zielabweichungsverfahren beantragt wurde, entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Landesentwicklungsprogramms III, Abschnitt 3.4.1.3 „Handel, Dienstleistungen" im Einzelnen untersucht und wenn ja, mit welchen Ergebnissen (bitte Auflistung der Ergebnisse nach Verfahren, Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

7. In welchen Fällen waren von den stattgegebenen Anträgen auf Zielabweichung (nach Fragen 2 und 3) Überschwemmungsgebiete, regionale Grünzüge, Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und/oder Flächen nach § 24 Landespflegegesetz betroffen (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Art und Größe der betroffenen Flächen)?

8. Welche Ausgleichsmaßnahmen und/oder Ausgleichszahlungen wurden für die in den in Frage 7 erfragten Flächen festgesetzt (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahme/-zahlung)?

9. Wie ist der Stand der Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen aus Frage 8 (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Ausgleichsmaßnahme/-zahlung)?

10. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben entgegen gültigen regionalen Raumordnungsplänen ohne Änderung dieser Pläne und ohne Zielabweichungsverfahren durchgeführt wurden, wenn ja, welche?

Das Ministerium des Innern und für Sporthat die Große Anfrage namens der Landesregierung ­ Zuleitungsschreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 21. November 2003 ­ wie folgt beantwortet:

1. Wie viele Zielabweichungsverfahren von regionalen Raumordnungsplänen, die Flächen zur Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben zum Gegenstand hatten, wurden in den Jahren 1995 bis 2003 in Rheinland-Pfalz beantragt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

Die für großflächige Einzelhandelsvorhaben maßgeblichen Ziele der Raumordnung sind im Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz (LEP III), Kapitel 3.4.1.3 vom 13. Juni 1995 festgelegt. Daher handelt es sich bei den Zielabweichungsverfahren für großflächige Einzelhandelsvorhaben immer um die Prüfung der Zulassung von Abweichungen von den Zielen des Landesentwicklungsprogramms.

In den Jahren 1995 und 1996 hat es in Rheinland-Pfalz keine Zielabweichungsverfahren für großflächige Einzelhandelsbetriebe gegeben, von 1997 bis heute wurden insgesamt 15 Anträge auf Zulassung einer Abweichung von den diesbezüglichen Zielen des Landesentwicklungsprogramms gestellt. Ein Verfahren befindet sich derzeit noch in Bearbeitung. Zwei weitere Anträge liegen vor, die Entscheidungen über die Einleitung der betreffenden Verfahren werden in Kürze getroffen.

Die Einzelheiten ergeben sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle.

2. In welchen Fällen wurde den Anträgen stattgegeben und welche Landesplanungsbehörden waren jeweils an den Entscheidungen beteiligt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune, beteiligten Behörden)?

Von den zwölf bisher abgeschlossenen Zielabweichungsverfahren betreffend großflächigen Einzelhandel wurde in elf Fällen den jeweiligen Anträgen stattgegeben, ein Antrag wurde abgelehnt.

Gehört werden in den Verfahren regelmäßig die örtlich zuständigen unteren und oberen Landesplanungsbehörden (Kreisverwaltungen und Bezirksregierungen bzw. Struktur- und Genehmigungsdirektionen) sowie die zuständige regionale Planungsgemeinschaft. Beteiligt sind darüber hinaus die fachlich betroffenen Ministerien der Landesregierung, dies sind das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, das Ministerium der Finanzen als oberste Baubehörde, die Kommunalabteilung des Ministeriums des Innern und für Sport sowie in Einzelfällen das Ministerium für Umwelt und Forsten.

Bei grenzüberschreitenden Auswirkungen werden darüber hinaus die Nachbarstaaten bzw. Nachbarländer angehört.

3. Wurde in 2003 bereits über Zielabweichungsverfahren nach dem geänderten Landesplanungsgesetz allein durch die Struktur- und Genehmigungsdirektionen entschieden, wenn ja, über welche (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft und Kommune)?

Durch die am 29. April 2003 in Kraft getretene Novellierung des Landesplanungsgesetzes wurde lediglich die Zuständigkeit für die Durchführung von Zielabweichungsverfahren betreffend die in regionalen Raumordnungsplänen verankerten Ziele auf die oberen Landesplanungsbehörden delegiert; die Zuständigkeit für Zielabweichungsverfahren, die Ziele des Landesentwicklungsprogramms zum Gegenstand haben, ist bei der obersten Landesplanungsbehörde verblieben. Daher gibt es keine Entscheidungen in Zielabweichungsverfahren betreffend großflächige Einzelhandelsvorhaben, die von den Struktur- und Genehmigungsdirektionen erlassen worden sind.

4. Wie viel Quadratmeter Verkaufsfläche wurden durch die stattgegebenen Anträge auf Zielabweichung (nach Fragen 2 und 3) jeweils mit welchen Auflagen z. B. bezüglich Sortiment, Verkehrsanbindung, Erweiterung, Nebenanlagen usw. genehmigt (Auflistung der Verfahren bitte möglichst als Tabelle nach Planungsgemeinschaft, Jahr, Kommune, beantragte Fläche, genehmigte Fläche, Sortimentsauflage, Verkehrsanbindungsauflage, Sonstige ­ gegebenenfalls mindestens nach Erweiterungsauflage[n], Nebenanlagenauflage[n] aufgeschlüsselt ­)?

Im Rahmen der Entscheidung von Zielabweichungsverfahren werden regelmäßig keine in Einzelheiten gehende Auflagen oder Maßgaben gemacht. Es erfolgen ggf. Einschränkungen hinsichtlich der Größenordnung der Vorhaben im Ganzen bzw. hinsichtlich der Größenordnung der Verkaufsflächen für innenstadt- bzw. nichtinnenstadtrelevante Sortimente. In einem Fall wurde hinsichtlich der Planung der Verkehrsanbindung (Straßenführung) eine Maßgabe ausgesprochen.

Die Einzelheiten ergeben sich aus der als Anlage 2 beigefügten Tabelle.

5. Mit welchen Begründungen wurden die einzelnen Zielabweichungsverfahren positiv beschieden (bitte Auflistung der Verfahren nach Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

Die Zulassung einer Abweichung von den Zielen der Raumordnung kann nach den Vorschriften des Landesplanungsgesetzes (§ 11 Abs. 4 Satz 3 und § 13 Abs. 6 Satz 2 LPlG a. F. bzw. § 8 Abs. 3 Satz 1 und § 10 Abs. 6 Satz 1 LPlG n. F.) nur erfolgen, wenn

1. sich seit dem Eintritt der Verbindlichkeit des Raumordnungsplanes Tatsachen oder Erkenntnisse verändert haben,

2. die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten geboten (so das alte LPlG) bzw. vertretbar (so das neue LPlG in Anpassung an die rahmenrechtliche Vorgabe des § 11 Raumordnungsgesetz) ist,

3. die Grundzüge des jeweiligen Raumordnungsplanes nicht berührt sind.

Bei Abweichungen von den Zielen des Landesentwicklungsprogramms ist darüber hinaus das Einvernehmen mit den fachlich betroffenen Ressorts der Landesregierung, bei solchen von den Zielen eines regionalen Raumordnungsplanes das Benehmen mit den fachlich berührten Stellen der jeweiligen Verwaltungsebene und der jeweiligen Planungsgemeinschaft erforderlich.

Durch den gerade in den letzten Jahren erheblich verstärkten Strukturwandel im Einzelhandel haben sich seit dem In-Kraft-Treten des Landesentwicklungsprogramms im Sommer 1995 für viele Städte und Gemeinden veränderte Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Einzelhandelsprojekten ergeben, so dass die erstgenannte Zulassungsvoraussetzung oftmals erfüllt ist.

Im Rahmen der Prüfung, ob eine Abweichung im Einzelfall geboten oder vertretbar ist, wurde bzw. wird regelmäßig geprüft, inwieweit die aus raumordnerischer Sicht zugeteilte zentralörtliche Versorgungsfunktion der jeweiligen Standortgemeinde durch die Abweichungszulassung gestärkt wird bzw. diese Funktion die Zulassung zumindest rechtfertigt. Hinzu kommt, dass die für moderne großflächige Einzelhandelsbetriebe erforderlichen Flächen häufig nicht in den zentralen Einkaufsbereichen der Städte und Gemeinden zur Verfügung stehen.

Auch bei der Zulassung von Zielabweichungen für großflächige Einzelhandelsvorhaben wird wie bei allen anderen Zielabweichungsentscheidungen auch darauf geachtet, dass das Landesentwicklungsprogramm nicht in seinen Grundzügen berührt ist, d. h. seine grundsätzlichen Festlegungen nicht in Frage gestellt werden. Gerade die den großflächigen Einzelhandel betreffenden Ziele des Landesentwicklungsprogramms sind wichtige Maßnahmen zum Schutz der innerstädtischen Strukturen, die nur bei Vorliegen besonderer Gründe ausnahmsweise nicht befolgt werden müssen (s. auch Anlage 2 ­ Tabelle zu Fragen 4 bis 6, Spalte Bemerkungen/Hinweise).

6. Wurden die Auswirkungen der Ansiedlungsvorhaben auf der „grünen Wiese", für die ein Zielabweichungsverfahren beantragt wurde, entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Landesentwicklungsprogramms III, Abschnitt 3.4.1.3 „Handel, Dienstleistungen" im Einzelnen untersucht und wenn ja, mit welchen Ergebnissen (bitte Auflistung der Ergebnisse nach Verfahren, Planungsgemeinschaft, Jahr und Kommune)?

Bei den größeren Vorhaben hat es in der Regel im Rahmen der raumordnerischen Prüfverfahren (Raumordnungsverfahren und landesplanerische Stellungnahmen) vom Antragsteller vorzulegende wissenschaftliche Untersuchungen über die voraussichtlichen Auswirkungen (Kaufkraftabflüsse) gegeben, auf die bei der Durchführung der Zielabweichungsverfahren zurückgegriffen wurde.

Bei kleineren Vorhaben, die voraussichtlich keine gravierenden Auswirkungen haben, wurde auf solche Untersuchungen verzichtet (s. auch Anlage 2 ­ Tabelle zu Fragen 4 bis 6, Spalte Bemerkungen/Hinweise).

7. In welchen Fällen waren von den stattgegebenen Anträgen auf Zielabweichung (nach Fragen 2 und 3) Überschwemmungsgebiete, regionale Grünzüge, Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und/oder Flächen nach § 24 Landespflegegesetz betroffen (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Art und Größe der betroffenen Flächen)? Derartige Fälle hat es bei der Zulassung von Zielabweichungen für großflächige Einzelhandelsvorhaben nicht gegeben.

8. Welche Ausgleichsmaßnahmen und/oder Ausgleichszahlungen wurden für die in den in Frage 7 erfragten Flächen festgesetzt (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahme/-zahlung)? Entfällt.

9. Wie ist der Stand der Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen aus Frage 8 (Auflistung bitte möglichst als Tabelle nach Verfahren, Jahr, Kommune, Ausgleichsmaßnahme/-zahlung)? Entfällt.

10. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben entgegen gültigen regionalen Raumordnungsplänen ohne Änderung dieser Pläne und ohne Zielabweichungsverfahren durchgeführt wurden, wenn ja, welche?

Ja, der Landesregierung sind zwei Fälle bekannt.

Im Falle des Bebauungsgebietes „Sonnenhof" in Simmern (s. Tabelle Anlage 1, Nr. 1.5) waren bereits teilweise rechtswidrige Baugenehmigungen erteilt. Durch die zuständigen Bau- und Landesplanungsbehörden wurde die Stadt Simmern veranlasst, ihren Bebauungsplan entsprechend zu ändern und dafür die Zulassung einer Abweichung vom städtebaulichen Integrationsgebot des Landesentwicklungsprogramms zu beantragen.