Investition

Prof. Dr. Wolff betont, die Entscheidung für die Einführung des Konnexitätsprinzips sei verfassungspolitischer Art und keinesfalls zwingend. Angesichts der Finanzsituation der Kommunen seien die Gründe für die Einführung des Konnexitätsprinzips aber wohl überwiegend. Prof. Dr. Wolff befürwortet eine Beschränkung des Konnexitätsprinzips auf die Fälle, in denen die Kosten durch eine positive Entscheidung des Landes hervorgerufen werden. Zur Begründung stützt er sich auf den dem Konnexitätsprinzip zugrunde liegenden Verursachungsgedanken, der eher gegen eine Ausweitung auf die unmittelbare Aufgabenübertragungen durch Bundes- und Europarecht spreche. In seiner Ausgestaltung solle sich das Konnexitätsprinzip nach seiner Auffassung sowohl auf übertragene Aufgaben als auch auf Selbstverwaltungsaufgaben erstrecken, jedoch nur für künftige Aufgabenübertragungen gelten. Des Weiteren empfiehlt er, sowohl die Kosten, die durch die Aufgabenübertragung als auch diejenigen, die durch besondere gesetzliche Anforderungen an die Erfüllung der Aufgaben verursacht werden, einzubeziehen und zwar unabhängig davon, ob die Aufgabenverlagerung durch förmliches Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgt.

Hinsichtlich der Ausgleichspflicht befürwortet Prof. Dr. Wolff einen vollständigen ­ allerdings pauschalierten ­ Ausgleich nicht nur der durch die Aufgabenübertragung verursachten Zweckausgaben, sondern auch der Verwaltungskosten (Personalund Sachkosten). Dabei soll die Frage des „Wie" der Kostendeckung dem Landesgesetzgeber vorbehalten bleiben. Wesentlich sei jedoch, dass die Kostenregelung gleichzeitig mit der Aufgabenübertragung ­ wenn auch nicht zwingend im gleichen Regelungswerk ­ erfolgen müsse.

3. Beratung der Enquete-Kommission

Zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Städte, Gemeinden und Kreise in Rheinland-Pfalz und zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung sieht es die Enquete-Kommission vor diesem Hintergrund als unerlässlich an, die kommunale Finanzsituation verlässlicher und stetiger zu gestalten. Zur Erreichung dieses Ziels hält sie eine grundlegende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen für erforderlich.

Im Gegensatz zu der Enquete-Kommission „Parlamentsreform" in der 13. Wahlperiode ist die Enquete-Kommission einmütig der Auffassung, dass die Einführung eines strikten Konnexitätsprinzips in die Landesverfassung eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung zur Sicherung und Stabilisierung der Kommunalfinanzen ist. Sie sieht hierin einen Beitrag, das Miteinander von Land und Kommunen noch verlässlicher zu gestalten.

Übertrage das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder reglementiere es die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, so habe es gleichzeitig Kostendeckungsbestimmungen zu treffen; dasselbe gelte für die Belastung der Kommunen mit Finanzierungspflichten. Verbleibende Mehrbelastungen seien durch entsprechende finanzielle Leistungen des Landes auszugleichen. Nach Auffassung der Enquete-Kommission solle das Konnexitätsprinzip Anwendung finden auf Kosten verursachende Maßnahmen des Landes nach Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die Landesverfassung. Für bestehende kommunale Aufgaben und Standards sowie für Aufgabenübertragungen auf die Kommunen durch Bundes- oder EG-Recht bleibe es bei den geltenden Vorschriften zum kommunalen Finanzausgleich und den sonstigen Regelungen der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen.

Der inhaltlichen Ausgestaltung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips hat die Enquete-Kommission im Rahmen ihrer Beratungen folgende Erwägungen zugrunde gelegt:

Der Anwendungsbereich des Konnexitätsprinzips müsse umfassend angelegt sein und alle den Kommunen vom Land zugewiesenen öffentlichen Aufgaben erfassen. Das Konnexitätsprinzip habe sowohl für die Übertragung staatlicher Aufgaben (Auftragsangelegenheiten) als auch für die Verpflichtung zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben (Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung) zu gelten. Dabei sei unter „Aufgaben" ein konkretes Aufgabengebiet im Sinne bestimmter zu erledigender Verwaltungsangelegenheiten zu verstehen. Ferner müsse das Konnexitätsprinzip Anwendung finden, wenn das Land besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben stelle. Dabei seien „besondere" Anforderungen nur solche, die einen spezifischen Bezug zur kommunalen Aufgabenerfüllung hätten; nicht erfasst seien hiervon für jedermann geltende Anforderungen. In den Anwendungsbereich einzubeziehen seien demnach insbesondere diejenigen Fälle, in denen eine bislang freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe landesrechtlich zur Pflichtaufgabe gemacht werde oder in denen bereits früher übertragene Aufgaben erweitert würden. Der Anwendungsbereich des Konnexitätsprinzips solle schließlich auch diejenigen Fälle erfassen, in denen den Kommunen landesrechtlich Finanzierungspflichten auferlegt würden.

Die Anwendung des Konnexitätsprinzips setze voraus, dass die Kosten durch eine Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz verursacht würden. Derartige Entscheidungen könnten im Falle der Aufgabenübertragung Gesetze oder Verordnungen sein; besondere Anforderungen an die Aufgabenerfüllung könnten daneben beispielsweise auch durch Verwaltungsvorschriften gesetzt werden. Keine Anwendung solle das Konnexitätsprinzip finden, wenn Inhalt und Umfang kommunaler Aufgaben durch Bundesrecht oder EG-Recht festgelegt würden oder wenn durch Landesrecht lediglich bundes- oder europarechtliche Vorgaben ohne eigenen landesrechtlichen Gestaltungsspielraum vollzogen würden.

Gelange das Konnexitätsprinzip zur Anwendung, müsse das Land in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang („gleichzeitig") mit der Aufgabenübertragung oder der Verpflichtung zur Beachtung besonderer Anforderungen bei der Aufgabenerfüllung Bestimmungen über die Deckung der Kosten treffen. Zu den Kosten seien die Zweckausgaben und Verwaltungskosten (Personal- und Sachkosten) sowie der notwendige Aufwand für Investitionen zu rechnen.

Der Bestimmung über die Kostendeckung habe dabei eine Prognose hinsichtlich der mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen notwendigen Kosten vorauszugehen, für die eine fundierte Kostenabschätzung die Grundlage sein müsse. Bei der Bestimmung der Kostendeckung seien Typisierungen und Pauschalierungen notwendig.

Hinsichtlich der Modalitäten der Kostendeckung müsse eine Gestaltungsmöglichkeit bestehen, so könnten beispielsweise neue Finanzquellen erschlossen oder bestehende Finanzquellen erweitert werden, ferner könne das Land andere ausgabenträchtige Aufgaben abbauen oder kostentreibende Standards senken. Berücksichtigt werden sollten auch Synergieeffekte und Einsparungen im Hinblick auf bisherige kommunale Leistungen und Ausgaben. In Bezug auf kommunale Einrichtungen könne berücksichtigt werden, ob und inwieweit in zumutbarer Weise eine Finanzierung durch Kommunalabgaben oder sonstige Nutzungsentgelte in Betracht komme.

Verblieben trotz Kostendeckungsregelung wesentliche Mehrbelastungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, müsse seitens des Landes ein entsprechender finanzieller Ausgleich geleistet werden. Im vertikalen Verhältnis zwischen dem Land und den Kommunen sei die Mehrbelastung als solche zunächst für die Gesamtheit der betroffenen Gemeinden und Gemeindeverbände festzustellen. Verfassungsrechtlich geschützt durch das Konnexitätsprinzip solle jedoch nicht nur die Gesamtheit der Gemeinden und Gemeindeverbände, sondern jede einzelne Kommune sein.

Vom Land müsse ein der kommunalen Mehrbelastung „entsprechender" finanzieller Ausgleich geleistet werden. Dieser bestehe in einem Vollkostenersatz sowohl der Zweckausgaben als auch der Verwaltungskosten. Dabei müsse der finanzielle Ausgleich nicht nur im Zeitpunkt der Aufgabenübertragung erbracht werden, sondern für die gesamte Dauer der Aufgabenwahrnehmungen. Ebenso wie bei der Kostendeckungsregelung müsse das Land beim finanziellen Ausgleich der kommunalen Mehrbelastung die Möglichkeit haben, zu typisieren und zu pauschalieren. Durch den Mehrbelastungsausgleich sei ein „Nullsummenspiel" dergestalt ausgeschlossen, dass das Land die zur Finanzierung des Ausgleichs notwendigen Haushaltsmittel dem kommunalen Finanzausgleich entnehme. Durch das strikte Konnexitätsprinzip seien die Gemeinden und Gemeindeverbänden mithin wirksam davor geschützt, dass der kommunale Finanzausgleich zur Finanzierung der Ausgleichspflicht gekürzt werde.

Im Zusammenhang mit der Einfügung des Konnexitätsprinzips in Absatz 5 des Artikels 49 der Landesverfassung befürwortet die Enquete-Kommission eine klarstellende redaktionelle Anpassung des Absatzes 4 und des neuen Absatzes 6, welcher die Regelung des bisherigen Absatzes 5 enthält.

Auf der Grundlage des Vorschlags des Sachverständigen Prof. Dr. Schoch und des Antrags der CDU-Fraktion hat die Enquete-Kommission auch die Frage erörtert, ob das Konnexitätsprinzip auf die unmittelbare Aufgabenübertragung an die Kommunen durch das Recht des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft ausgedehnt werden solle.

Davon hat die Enquete-Kommission ­ den Sachverständigen Prof. Dr. Wolff und Dagmar Rechenbach folgend und den Bedenken der Fraktionen der SPD und FDP Rechnung tragend ­ abgesehen.

Ausschlaggebend war insofern der Gedanke, dass das Konnexitätsprinzip eine Ausprägung des Verursachungsprinzips ist, welches letztlich nur eine Verknüpfung zwischen Kostenverursacher und Kostenbelastetem rechtfertigt. Werden Aufgaben auf die kommunale Ebene unmittelbar durch Bundes- oder Europarecht übertragen, gebe es jedoch keine derartige Verknüpfung zwischen Land und Kommunen, die eine Inpflichtnahme des Landes rechtfertigen könnte. Die Gestaltungsmöglichkeit des Landes im Bundesrat wird insoweit aufgrund der eingeschränkten Einflussnahmemöglichkeit eines einzelnen Landes nicht als ausreichend angesehen.

Die Enquete-Kommission verweist darüber hinaus darauf, dass kein anderes Bundesland bisher eine Ausdehnung des Konnexitätsprinzips auf Bundes- und Europarecht in seiner Verfassung vorgesehen hat. So wurde im bayerischen Verfassungsentwurf, der Grundlage einer zwischenzeitlich erfolgten Verfassungsänderung war, in der Begründung ausdrücklich dargelegt, dass das Konnexitätsprinzip im Falle einer unmittelbaren Aufgabenübertragung durch Bundes- oder Europarecht ohne eigenen Gestaltungsspielraum des Landes nicht greift (vgl. Bayerischer Landtag, Drucksache 14/12011).

Die CDU-Fraktion hat im Verlauf der Beratungen die sich aus ihrem Antrag (Vorlage EK 14/1-64) ergebende Forderung, eine zukünftige Konnexitätsregelung in der Landesverfassung auch auf Bundes- und Europarecht auszudehnen, zugunsten eines gemeinsamen Vorschlags der Enquete-Kommission zur Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die rheinland-pfälzische Verfassung zurückgestellt.

Die Enquete-Kommission hält jedoch zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen einmütig eine Sicherung der Finanzierung auch im Hinblick auf die unmittelbar durch Bundes- und Europarecht übertragenen Aufgaben für erforderlich. Denn aus Sicht derKommunen mache es keinenUnterschied,durch wen kostenintensive Aufgaben übertragen werden.Daher müsse insbesondere auch auf Bundesebene die Möglichkeit, Entscheidungen zu Lasten der kommunalen Kassen zu treffen, ausgeschlossen werden, ohne dass allerdings die politischen Gestaltungsbefugnisse beeinträchtigt werden dürften. Dies könne durch die Einführung eines auf den Schutz der Kommunen gerichteten Konnexitätsprinzips im Grundgesetz erreicht werden. Als notwendige Ergänzung zu einem grundgesetzlichen Konnexitätsprinzip sieht die Enquete-Kommission daneben eine präzisere Regelung des bundesrechtlichen Durchgriffs auf die kommunale Ebene an. Soweit Kommunen unmittelbar durch den Bund zu Aufgabenträgern bestimmt werden, bedürfe es einer eindeutigen verfassungsrechtlichen Legitimation ebenso wie einer Begrenzung der Durchgriffsbefugnis. Denn der Ausnahmecharakter eines derartigen Durchgriffs, der sich verfassungssystematisch bereits aus den Artikeln 83, 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 Grundgesetz ergebe, müsse deutlich gemacht werden.

Aus diesem Grund empfiehlt sie dem Landtag einen Entschließungsantrag, in dem die Landesregierung gebeten wird, sich auf Bundesebene für eine Verankerung des Konnexitätsprinzips sowie für die Präzisierung der Durchgriffskompetenz des Bundes auf die kommunale Ebene im Grundgesetz einzusetzen, indem insbesondere die Bund-Länder-Kommission zur Reform des Föderalismus mit der Frage befasst wird.

Die Enquete-Kommission ist sich einig darüber, dass die Wirkungsbreite des Konnexitätsprinzips aber letztlich auch nicht überschätzt werden darf. Es ist allenfalls eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung zur Absicherung und Stabilisierung der Kommunalfinanzen. Es geht nicht zuletzt darum, das Miteinander von Land und Kommunen noch verlässlicher zu gestalten. Hierzu sollen in dem Ausführungsgesetz nähere Einzelheiten zur Konsultation der kommunalen Seite bei der Anwendung des Konnexitätsprinzips festgelegt werden.