Berufsbildungsgesetz

Von Seiten der Betriebe werden häufig kürzere und flexibler organisierte Berufsschulzeiten gefordert. Dieser Forderung kam Rheinland-Pfalz bereits mit der Berufsschulverordnung von 1997 entgegen. Sie ermöglicht eine flexible Stundenverteilung über die gesamte Ausbildungszeit hinweg. Diese Möglichkeiten sind offenbar nicht in allen Betrieben ausreichend bekannt. 66)

In der Anhörung wurde ferner über Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Berufsschullehrer-Nachwuchs berichtet, insbesondere im gewerblich-technischen Bereich. Ferner wurde über Mängel in der Ausstattung der Berufsschulen berichtet, die der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände auf die angespannte finanzielle Situation der kommunalen Schulträger zurückführte. Schwierigkeiten zeigen sich auch bei der Bildung spezialisierter Fachklassen in wohnort- bzw. ausbildungsbetriebsnahen Schulen. 67) Ebenso wie in einigen Betrieben kommt es auch in den Berufsschulen mitunter zu Reibungsverlusten bei der raschen Umsetzung neuer oder veränderter Berufsbilder. Die Schulen und ihre Lehrkräfte benötigen zur Anpassung ihres Unterrichts und zur Bildung entsprechender Klassen eine ausreichende Vorbereitungszeit vor Beginn des Schuljahres; eine zu kurzfristige Information über neue Unterrichtsinhalte führt zu Problemen.

In Frage gestellt wurde der Wert berufsschulischer Angebote für Jugendliche, die auf Grund ihrer schwachen schulischen Leistungen (noch) keine Ausbildungsstelle erhalten haben (Berufsgrundschul- und Berufsvorbereitungsjahr). Sie müssten mehr sein als „Warteschleifen". 68) Für stärker praktisch begabte Jugendliche sollten noch mehr als bisher entsprechende Ausbildungsmodule in Erwägung gezogen werden.

Von Seiten der Wirtschaft, der Kammern, der Verbände und der Berufsschulen selbst wird eine noch bessere Kooperation aller Beteiligten für erforderlich gehalten. Dabei könne auf eine Reihe von positiven Ansätzen und Projekten aufgebaut werden.

3. Aktivitäten zur Verbesserung der Ausbildungsmarktsituation

Die Landesregierung hat die Kommission ausführlich über zahlreiche Aktivitäten zur Verbesserung der Ausbildungsmarktsituation in Rheinland-Pfalz informiert. 70) Auch in der Anhörung der Kommission kamen verschiedene dieser Programme und Initiativen zur Sprache.

Akteure sind neben der Landesregierung der Bund, dessen Programme vielfach von den Arbeitsämtern ausgeführt werden, die Kammern, Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Kommunen. Die Programme und Initiativen haben unterschiedliche Ziele:

1. Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze.

2. Unterstützung bei der Ausbildungssuche und -aufnahme sowie Hilfe zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Das schließt Angebote für Jugendliche in besonderen Problemlagen im Vorfeld oder jenseits der dualen Ausbildung ein.

3. Vernetzung und Koordination der beteiligten Institutionen und Akteure.

Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze Initiativen insbesondere auf der Basis des Jugendsofortprogramms des Bundes:

­ Projekte auf lokaler und regionaler Ebene zur Ausschöpfung noch nicht genutzter betrieblicher Ausbildungskapazitäten sowie zur Mobilisierung neuer zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze, wie die in Rheinland-Pfalz in 2001 geschlossene Rahmenvereinbarung „Allianz für mehr Ausbildung" (Partner: Wirtschaftsministerium, Handwerkskammer Rheinland-Pfalz, Industrieund Handelskammer Rheinland-Pfalz, Arbeitsverwaltung).

­ Ausbildungsakquisiteure, mit denen Landesregierung und Landesarbeitsamt die Akquise von Ausbildungsstellen u. a. bei bisher nicht ausbildenden Betrieben, Betrieben mit ausländischen Betriebsinhabern usw. unterstützen.

­ Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft, z. B. durch das Aussetzen der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) oder das Programm „Kapital für Arbeit". Initiativen des Landes:

­ Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze im Rahmen der Kampagne „Jugend in Arbeit" (in 2002 ca. 13 Prozent der Mittel, 30 Prozent der Teilnehmer/innen): Beratung und Unterstützung zur Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze, z. B. Modellprojekt zur Optimierung der Ausbildung in der Stadt Mainz, Kontaktstelle für ausländische Betriebe zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze in ausländischen Betrieben (ASM e. V. Mainz), MOBILE ­ Beratungs- und Koordinationsstelle zur Verbesserung der Ausbildungssituation der Stadt Ludwigshafen.

Vgl. die Lehrstellenumfrage der Wirtschaftsjunioren RLP, Vorlage 14/2-21, S. 4 unter Nr. 5.

­ Schaffung zusätzlicher außer- oder überbetrieblicher Ausbildungsangebote i. d. R. für benachteiligte Jugendliche, z. B. Erstausbildung für Migrantinnen zur Bürokauffrau (Inbi e. V. Mainz), Schaffung und Sicherung von Ausbildungsplätzen im Betrieb und über Ausbildungs-Verbund (Gebr. Kömmerling GmbH, Pirmasens) oder die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für Auszubildende des Kfz-Handwerks und des Informationstechniker-Handwerks der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Koblenz.

­ Förderprogramme des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation in Rheinland-Pfalz: Ausbildungsprämie für Existenzgründer, Ausbildung von Absolventen des BVJ, Betrieblicher Ausbildungsverbund, Betriebspraktika im Rahmen des BVJ, Ausbildungsplatzwerber.

An die Stelle der Programme zu Gunsten der Absolventen des Berufsvorbereitungsjahres und zur Verbundausbildung traten inzwischen die Vereinbarungen über den Einsatz von Ausbildungsstellen-Akquisiteuren und die Vermittlung von beruflichen Teilqualifikationen für arbeitslose Jugendliche.

­ Förderung der Verbundausbildung:

Die Verbundausbildung soll bei einem betrieblichen Mangel an Ausbildungskultur und Ausbildungsmöglichkeiten die Voraussetzungen für zusätzliche Ausbildungsverträge schaffen sowie die berufliche Ausbildung qualitativ verbessern. Ein Beispiel ist das vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit geförderte Projekt „Schaffung und Sicherung von neuen Ausbildungsplätzen durch Verbundausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststofftechnik" der früheren Gebrüder Kömmerling Kunststoffwerke GmbH Pirmasens, deren Vertreter die Vorteile und Probleme der Verbundausbildung in der Anhörung schilderte.

Die BASF AG hat ihr Modellprojekt mit der IHK Pfalz „Start in den Beruf", das vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit gefördert wird, seit 2003 zu einem Ausbildungsprojekt im branchenspezifischen Verbund ausgeweitet.

Die Verbundausbildungsförderung des Wirtschaftsressorts lief Ende 2002 aus.

Unterstützung vor und bei der Ausbildung Programme des Bundes:

­ Besondere Maßnahmen der Berufsvorbereitung (BVB) für benachteiligte Jugendliche durch die Arbeitsämter: Tipp-Lehrgänge (testen ­ informieren ­ probieren), G-Lehrgänge (Grundausbildungslehrgang), BBE-Lehrgänge (Lehrgang zur Verbesserung der beruflichen Bildungs- und Eingliederungschancen).

­ Modellprojekte: „Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf", „Freiwilliges soziales Trainingsjahr" (FSTJ).

­ Maßnahmen zur Unterstützung der Ausbildung von Jugendlichen mit Teilleistungsschwierigkeiten oder aus besonders problematischen Lebenslagen: Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH; Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen [BüE oder BaE]; Übergangshilfen [Übg]).

­ Jugendsofortprogramm: Trainings- sowie Qualifikationsmaßnahmen im Rahmen von ABM, Lohnkostenzuschüsse, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen.

Einstellung von Streetworkern und Angebote wie Job-Center oder Internet-Cafes. Ab 2004 wird dieses Instrument unter der Bezeichnung „Aktivierungshilfe" in das SGB III übernommen. Eine Durchführung ist dann nur möglich, wenn sich Dritte an dem Projekt beteiligen.

­ Kampagne für mehr Ausbildung und Beschäftigung: Ausweitung betriebsnaher Berufsvorbereitung, gezielte Sprachförderung für junge Migrantinnen und Migranten, Förderung der Betriebspraxis für Ungelernte; Vereinbarung mit der Bundesanstalt für Arbeit, berufsvorbereitende Maßnahmen für Jugendliche und Pflichtleistungen für Behinderte mindestens auf dem Vorjahresniveau zu halten; bessere Eingliederung jugendlicher Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger durch Fallpauschalen für Kommunen und kommunale Beschäftigungsträger sowie verstärkte individuelle Betreuung (Pakt für die Jugend).

­ Jump-Plus: Zusätzliches Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebot für bundesweit 100 000 Sozialhilfebezieher unter 25 Jahren (in Rheinland-Pfalz für circa 2 800 Jugendliche; ferner 11,5 zusätzliche Fallmanagerstellen zur individuellen Beratung und Unterstützung der Jugendlichen bei Arbeitsämtern bzw. Kommunen).

­ „Initiative Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben" (BMBF-Programm, gefördert vom Europäischen Sozialfonds und dem Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend RLP): „Berufliche Orientierung: Regionale Initiativen zur Schulentwicklung" (BORIS) und „Netzwerk zur praxisorientierten, nachhaltigen Berufswahlvorbereitung und Qualifizierung in der Region" (NetReg), mit 26 Modulen zur Berufsorientierung an allgemein bildenden Schulen. Programme des Landes:

­ Jugend in Arbeit: 2002 wurden im Rahmen der Kampagne „Jugend in Arbeit" 130 Projekte gefördert und 8 351 Personen bis 25 Jahre erreicht.

Dafür wurden 6 120 162 EUR Landesmittel und 3 555 107 EUR ESF-Mittel aufgewendet. Beispiele: Förderung von Beratungs- und überbetrieblichen Schulungsangeboten der Handwerkskammern; Förderung von jährlich etwa 130 Projekten insbesondere für benachteiligte Jugendliche nach der Strategie „Prävention und (Re-)Integration mit vier Förderschwerpunkten: Aufsuchende und vorbereitende Arbeit, z. B. Cafe conn@ct in Trägerschaft der SPAZ gGmbH; girls:first; Integra-Beratungsstelle zur Integration von Jugendlichen der HWK Trier in Gerolstein; Übergang Schule ­ Ausbildung, z. B. Jobfuxx in Mainz; Start in den Beruf (Trägerkooperation IHK/BASF); Arbeitsweltklasse der Stadt Germersheim; Übergang Ausbildung ­ Beruf, z. B. Start in den Beruf des ASM e. V. in Mainz, „Villa Rustica" (IB e. V.); Baukastenqualifizierung (in Trägerschaft des ProJu e. V. Koblenz); MIASA ­ Modellprojekt zur (Re-)Integration von Ausbildungs- und Schulabbrechern (ILW e.G, Trier) und Verhinderung von Ausbildungsaufgabe durch Mentoring der HWK Koblenz; Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze (s. o. unter 3.1).

­ Vereinbarung über die Vermittlung beruflicher Teilqualifikationen für arbeitslose Jugendliche (Wirtschaftsressort, Sozialparteien, Kammern und Landesarbeitsamt) mit dem Ziel einer anschließenden Berufsausbildung. Die Vereinbarung beruht hinsichtlich der Finanzierung auf dem Sozialgesetzbuch III und entspricht den neuen Regeln im Berufsbildungsgesetz für die Berufsausbildungsvorbereitung.

­ Jugend-Scouts: Zusätzliche Personalstellen für die aufsuchende und heranführende Arbeit mit jugendlichen Sozialhilfeempfängern zur Flankierung von „Jump-Plus".

­ „Lernwerkstatt Berufsorientierung" (Berufsinformation an Schulen) und „Berufsorientierungscamps" an Schulen in Zusammenarbeit mit Betrieben, Kammern und Verbänden. 71)

Weitere Initiativen von Arbeitsämtern, Kammern, Wirtschaft und Schulen:

­ Zahlreiche regionale Netzwerke insbesondere zwischen den Kammern und den Arbeitsämtern zwecks besserer Berufsberatung und -vermittlung, z. B. Lehrstellen-Netzwerk im Bezirk des Arbeitsamtes Trier, ein Zusammenschluss von Arbeitsamt, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, Kommunen, Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und weiteren Institutionen.

­ Initiativen der Kammern zur Verbesserung der Ausbildungsstellensituation (Börsen, Messen, Informationsveranstaltungen, ehrenamtliche Lehrstellenlotsen und -paten u. v. m.) und zur Förderung Jugendlicher, z. B. IHK Pfalz, Ludwigshafen: Start in den Beruf (branchenspezifische Ausbildungsvorbereitung); ILW ­ Industriewerkstatt e. G., Trier: MIASA ­ Modellprojekt zur (Re-)Integration von Ausbildungs- und Schulabbrechern; HwK Trier: Integra Gerolstein ­ Aufbau einer Beratungs- und Betreuungsstelle zur Integration Jugendlicher ausländischer Herkunft in das Handwerk; HwK Trier: Integrationssprachkurs für junge Spätaussiedler; HwK Koblenz: Verhinderung von Ausbildungsaufgabe durch Mentoring; Arbeitsgemeinschaft der HWKs Rheinland-Pfalz: Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für Azubis des Kfz-Handwerks und des Informationstechniker-Handwerks.

­ Arbeitskreise „Schule und Wirtschaft", eingerichtet von der LVU. Pädagogen und Wirtschaftsvertreter kooperieren mit dem Ziel, zum einen das Thema Wirtschaft und Ökonomie in die Schulen hineinzutragen und zum anderen die Wirtschaft für schulische und pädagogische Belange zu sensibilisieren. Organisiert werden u. a. Betriebserkundigungen und Betriebspraktika für Lehrer und Schüler sowie Bewerbungstraining und Fortbildungsmaßnahmen.

Koordination und Vernetzung

­ „Ovaler Tisch": Vorsitzender: Ministerpräsident Beck, Mitglieder: Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter auf Landesebene und die Direktorin bzw. der Direktor des Landesarbeitsamtes. Ziel ist Erfahrungs- und Informationsaustausch zur Ausbildungsplatzsituation in Rheinland-Pfalz, Anregung und Durchführung geeigneter Maßnahmen und Aktionen zu ihrer Verbesserung. 72)

71) Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend und das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz haben eine Vereinbarung über die finanzielle Förderung dieser Initiativen auf der Grundlage von § 33 SGB III geschlossen. Zu weiteren Initiativen des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend zur Berufsorientierung Jugendlicher siehe Vorlage 14/2-26, S. 60 ff.

72) Vgl. die „Vereinbarung über den Einsatz und die gemeinsame Finanzierung von Ausbildungsplatz-Akquisiteuren" von 2001 und die „Rahmenvereinbarung zur Verbesserung der beruflichen Startchancen arbeitsloser Jugendlicher durch den Erwerb von Teilqualifikationen" aus 2003.