In Deutschland gibt es derzeit 50 Kliniken die regelmäßig Organverpflanzungen vornehmen

Inzwischen gehören Transplantationen zu den anerkannten Verfahren in der Medizin.

In Deutschland gibt es derzeit 50 Kliniken, die regelmäßig Organverpflanzungen vornehmen. Fast 4000 Transplantationen waren es beispielsweise 1999, und insgesamt übertrugen Ärzte in Deutschland bis heute mehr als 50 000 Organe. In Bremen hat sich das Transplantationszentrum im Zentralkrankenhaus St.-Jürgen-Straße mit seinem Chef Professor Dr. Dreikorn einen ausgezeichneten Ruf erworben.

Während einerseits Lebensrettung durch Organübertragung beinahe zum medizinischen Alltag wurde, bewirken andererseits internationale Horrormeldungen über Nierenklau in Indien, Transplantationstourismus und Organentnahme bei toten Kindern ohne Einwilligung der Eltern, dass dieser Zweig der Medizin in einen zwiespältigen Ruf gerät. Aber auch von vereinzelten Fachleuten werden immer wieder Unsicherheiten geschürt. Dieser Tage war in der Bild-Zeitung zu lesen, dass einige deutsche Transplantationschirurgen einen freien Handel mit Organen im Rahmen der Lebendspende befürworten.

Derartige Vorstöße sind ethisch inakzeptabel, verunsichern die Bevölkerung und hebeln den mit dem Transplantationsgesetz mühsam erreichten Konsens aus.

Meine Damen und Herren, mit dem In-Kraft-Treten des Transplantationsgesetzes im November 1997 glaubten wir, die Transplantationsmedizin durch die Beseitigung von Grauzonen und durch Aufklärung ein gutes Stück vorangebracht zu haben. Dies ist leider nicht in dem von uns erhofften Maße gelungen.

Was wir erreicht haben, ist ein Gesetz, das erstmals eine klare Rechtsgrundlage und für die zentralen Fragen der Transplantationsmedizin Rechtssicherheit schafft. Beide großen Kirchen haben im Laufe der Gesetzesdebatte drängende Fragen im Zusammenhang mit der Organtransplantation beantwortet. Die Bundesärztekammer hat Richtlinien erlassen, die klar festlegen, welche Patienten in die Warteliste eines Transplantationszentrums aufgenommen werden.

Weniger erfolgreich waren wir aber in der Berücksichtigung von Ängsten und Unsicherheiten, die nicht zuletzt im Laufe der langen, zähen Diskussion dieses Gesetzes verstärkt wurden. Diesen Punkt hätten wir womöglich mehr berücksichtigen müssen.

Die im Umfeld der Gesetzgebung sehr emotional geführte Debatte um Leben und Tod, um Überleben und Hirntod hat bewirkt, dass das Transplantationsgesetz sein eigentliches Ziel bislang verfehlt hat.

Trotz der mit dem Transplantationsgesetz erreichten größeren Rechtssicherheit ist die Spenderbereitschaft rückläufig. Im Ergebnis öffnet sich die Schere zwischen der Zahl der auf Organspenden angewiesenen Patienten und der Zahl der tatsächlich möglichen Transplantationen immer weiter.

Eine von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Auftrag gegebene Untersuchung zeigt auch für Bremen Defizite auf. Wir hoffen nun, dieses Thema auch mit dieser Debatte heute wieder stärker in die gesundheitspolitische und gesellschaftliche Diskussion zu bringen.

Worum geht es in dieser Studie im Einzelnen? Die Haltung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung zur Organspende ist positiv. Lediglich neun Prozent äußern sich eher negativ. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind gering.

Doch schon bei der Frage, wo Organspenderausweise erhältlich sind, gibt es Wissenslücken, und diese sind in Bremen größer als anderswo. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung könnte sagen, wo diese Ausweise erhältlich sind. Wenn es darum geht, wer überhaupt einen Spenderausweis besitzt, liegt Bremen mit acht Prozent deutlich unter dem westdeutschen Schnitt. Meine Damen und Herren, diese Zahlen sind nicht dramatisch, aber im Sinne der vielen Menschen, die auf Spenderorgane warten, lohnt es sich, hier nachzuhaken und Defizite zu beseitigen.

Insgesamt braucht sich Bremen ohnehin nicht zu verstecken. Durch die gute Zusammenarbeit zwischen dem Transplantationszentrum und den übrigen Krankenhäusern des Landes wird seit Jahren gerade im ärztlichen Bereich intensiv Aufklärung und Fortbildung betrieben. Mit Chefärzten und Chefärztinnen, leitenden Pflegekräften und Verwaltungsleitern wurden Gespräche geführt, um den vom Transplantationsgesetz begründeten Mitwirkungsauftrag der Krankenhäuser effizient zu erfüllen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Transplantationszentrum, der Deutschen Stiftung Organspende und Eurotransplant sind ausgezeichnet. Wir können stolz darauf sein, dass Bremen bei der Zahl der Organspenden pro Einwohner weit an der Spitze liegt. Auf eine Million Einwohner gibt es in Bremen und umzu 38 Organspenden, in Nordrhein-Westfalen hingegen nur neun, in Baden-Württemberg elf, in Bayern 14.

Unser gemeinsamer Antrag, und insofern bin ich froh, dass das vom ganzen Hause hier getragen wird, richtet sich daher nicht primär darauf, in Bremen Initiativen zur Steigerung der Spendebereitschaft zu ergreifen, sondern er richtet sich vielmehr auch an die anderen Länder. Wir hoffen, dass Bremen im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz aktiv wird, um für eine Erhöhung der Organspendebereitschaft zu werben. Vor allem Nordrhein-Westfalen, welches aufgrund seiner großen Bevölkerungszahl über den Eurotransplant-Verteilerschlüssel die meisten Spenderorgane erhält, hat hier erheblichen Nachholbedarf.

Was kann aber Bremen tun? Mit unserer gemeinsamen Initiative möchten wir dazu beitragen, dass sich die Öffentlichkeit dieses Themas weiter verstärkt annimmt. Zielsetzung ist die Steigerung des Bekanntheitsgrades von Organspenden sowie die grundsätzliche Bereitschaft hierzu. Durch die Erhöhung der Anzahl von Menschen, die einen Spenderausweis besitzen, wird sich auch die Zahl derer verringern, die ihre Zustimmung zur Organspende bisher verweigern.

Meine Damen und Herren, um das Ausmaß der Problematik bewusst zu machen, nenne ich einige Daten. Auf der Warteliste für Organtransplantationen stehen bundesweit 12 000 Dialysepatienten, aber nur 2219 Nieren konnten im vergangenen Jahr transplantiert werden. Aktuell beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere fünf Jahre. Wir sind aufgerufen, diese Zahl deutlich zu verkürzen. Jeder kann sich vorstellen, wie schwierig es für Angehörige ist, in eine Organspende einzuwilligen, wenn sie die Einstellung der Verstorbenen zur Organspende nicht genau kennen. Solche wichtigen Fragen werden leider auch unter engen Angehörigen oft nicht besprochen, weil das Thema Tod verdrängt wird.

Meine Damen und Herren, ein Tag der Organspende reicht längst nicht aus, um diesem Thema einen angemessenen Raum zu verschaffen. Wir schlagen daher ein Konzept vor, welches auf die Ansprache und Einbeziehung der verschiedenen Bereiche unserer Gesellschaft in diese Diskussion zielt. In den Schulen sollte verstärkt über Organspende gesprochen werden. Gute Beispiele hierfür gibt es bereits auch in Bremen. Mitarbeiter des Transplantationszentrums gehen in die Schulen und beantworten vor Ort die Fragen der Schüler. Besonders häufig fragen junge Leute: Wann ist der Mensch tot? Wird vor meinem Tod auch wirklich alles getan, um mein Leben zu erhalten? Was passiert mit mir, wenn ich einen Spenderausweis ausfülle? Muss ich meine Daten freigeben, mich untersuchen lassen, werde ich registriert?

Wir stellen uns vor, dass mit dem Senator für Bildung eine Arbeitshilfe zum Thema Organspende und Organtransplantation erarbeitet wird, um Schulen und Lehrern didaktisch-methodische Hinweise und Anregungen zu curricularen Zuordnungen, zu Fächern und Lehrplänen zu geben. Das Thema könnte fächerübergreifend Eingang in den Unterricht der berufsbildenden Schulen und der gymnasialen Oberstufe finden.

Meine Damen und Herren, es ist aber nicht nur für junge Menschen wichtig, sich mit der Organspende zu beschäftigen. Für viele Menschen ist dieses Thema ein bedrohliches Tabu, weil es die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod erfordert. Die Gedanken werden verdrängt, Gespräche darüber vermieden.

In Sportvereinen könnten ebenfalls viele Menschen erreicht werden. Gute Beispiele für gelungene Öffentlichkeitsarbeit sind Sportler, die ihre Organspendebereitschaft bekunden und so für mehr Spendebereitschaft werben. Spendeausweisformulare und Informationen hierzu müssen wieder vermehrt in Apotheken und Arztpraxen ausgelegt werden. Eingebunden werden müssen aber auch die Melde- und Ortsämter.

Schließlich sind die Krankenkassen gefordert. Es reicht nicht, wenn sie ihren eigenen Mitgliedern Informationsmaterial zur Verfügung stellen, sie sollten ihrer besonderen Verantwortung vielmehr dadurch gerecht werden, dass sie sich in einer bundesweiten gemeinsamen Kampagne engagieren.

Meine Damen und Herren, wir hoffen, dass die heutige Debatte der Auftakt eines gesellschaftspolitischen runden Tisches ist, an dem möglichst viele Akteure sitzen und ihre jeweilige Kompetenz wie Mosaiksteine zusammentragen. Dieser runde Tisch soll dafür sorgen, dass sich in Bremen mehr Menschen mit dem Thema Organspende befassen, dass sie besser aufgeklärt werden und schließlich die für betroffene Patienten unerträglich langen Wartezeiten spürbar verkürzen.

Wenn der eine oder andere heute Nachmittag vielleicht Interesse hat, wir machen ein Expertenhearing im Börsenhof A mit Professor Dr. Dreikorn, Herrn Professor Dr. Gundolf Gubernatis von der Deutschen Stiftung Organspende, mit Vertretern von Selbsthilfegruppen und Krankenkassen. Wir haben Studenten der Hochschule aus dem Bereich Marketing dafür gewonnen, aus der Sicht von jungen Leuten, von Studenten, ein Konzept zu entwickeln, wie man dieses Thema gerade jungen Leuten auch näher bringen kann, die natürlich noch weit weg von dem Thema Tod und Organspende sind. Ich glaube, das wird eine ganz spannende Diskussion werden. ­ Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Präsident Weber: Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dreyer.

Abg. Frau Dreyer (CDU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor knapp zwei Wochen fand der zwanzigste Tag der Organspende in Deutschland statt. So lange gibt es diesen Organspendetag bereits, und trotzdem gibt es noch viele offene Fragen zum Thema. Fragen beantworten, Ängste ernst nehmen und vor allen Dingen Ängste abbauen, vor allem aber aufmerksam machen auf die Möglichkeiten, Leben zu retten, dazu soll die heutige Debatte einen Beitrag leisten.

Die CDU-Fraktion freut sich besonders über den interfraktionellen Antrag, dem ja auch Bündnis 90/Die Grünen beigetreten ist. Das war 1997 im Bundestag noch ganz anders. Die Grünen mochten dem interfraktionellen Antrag, der damals von CDU/CSU, FDP und SPD eingebracht wurde, nicht beitreten.

Sie hatten massive Bedenken gegen die Feststellung des Todes durch das so genannte Hirntodkonzept.

Doch das Transplantationsgesetz wurde dann be schlossen. So verfügt Deutschland heute über ein Gesetz, das von der breiten Mehrheit der Menschen, natürlich von der Politik, den Kirchen, den Ärzten und vielen weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen, getragen wird, jetzt auch vom Bündnis 90/Die Grünen, und das begrüßen wir, die CDU-Fraktion, besonders! Herzlichen Dank dafür!

Meine Damen und Herren, dies ist mein Organspenderausweis, den ich normalerweise in meiner Tasche trage. Sie finden diesen Ausweis in der Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die ich Ihnen ebenfalls mitgebracht und in der Lobby zu hundert Exemplaren ausgelegt habe.

Heute Nachmittag kann also jeder seinen Organspenderausweis hochhalten. Diese Broschüre gibt Antworten auf alle wichtigen Fragen und wurde gemeinsam mit der Deutschen Stiftung für Organtransplantation entwickelt. Die zentrale Telefonnummer der Stiftung ist ebenfalls verzeichnet, denn falls es noch Fragen geben sollte, werden diese individuell, umfangreich und ausgesprochen kompetent unter dieser zentralen Rufnummer beantwortet. Ich habe Ihnen diese Broschüren mitgebracht einschließlich der Organspenderausweise, meine Damen und Herren, weil es eventuell möglich sein kann, dass irgendein Mitglied hier im Hause noch keinen Spenderausweis besitzt.

Meine Damen und Herren, wir können heute in diesem Hause die Appellebene für die Menschen in Bremen und Bremerhaven verlassen. Wir können ganz konkret und sofort tätig werden. Darum bitte ich Sie, werden Sie Spender und Spenderin, geben Sie als Parlamentarierin und Parlamentarier ein positives Signal für die Menschen in unseren beiden Städten! Entscheiden wir uns gemeinsam für das Leben! ­ Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU) Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Abg. Frau Hoch (Bündnis 90/Die Grünen) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Hammerström hat schon in ihrer Rede darauf hingewiesen, seit dem 1. Dezember 1997 ist das Transplantationsgesetz in Kraft. Vor dieser Gesetzgebung hat es eine heftige Diskussion und Debatten gegeben, Diskussion über die Definition des Hirntodes und auch über die Feststellungsmerkmale des Todes. Ich fand diese konstruktiven Auseinandersetzungen um das Transplantationsgesetz damals sehr wichtig und auch sehr richtig, Diskussion nicht nur innerhalb politischer Gruppen, nein, es hat eine breite Diskussion in der Gesellschaft über das Transplantationsgesetz gegeben! Es ging nicht nur darum, klare Regeln für die Organspende und für die Transplantation aufzustellen, auch der Zeitpunkt der Feststellung des Hirntodes wurde problematisiert. Informative Aufklärung, gesellschaftlicher Diskurs und Entscheidungsfindung, das sind die demokratischen Bausteine, die wir Grünen für ein solches Gesetz für unerlässlich halten.

Ziel ist es auch, die Bürgerinnen und Bürger über die Inhalte und Fragen zum Thema Organspende zu informieren und zu motivieren, eine persönliche Entscheidung im Vorfeld zu treffen. Es ist für Angehörige sehr hilfreich, wenn die Entscheidung für oder auch gegen eine Organspende sich nach dem Willen des Angehörigen richtet, denn es sieht in der Realität doch immer noch häufig so aus, dass viele Angehörige, die im Krankenhaus von den Ärzten um eine Einwilligung zur Organspende des Verstorbenen gebeten werden, sehr unsicher sind. Sie wissen oft nicht, mit welcher Entscheidung sie dem Willen des Verstorbenen wirklich entsprechen. Ziel ist es, dass eine persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende getroffen und dokumentiert wird. Außerdem muss deutlich gemacht werden, dass jeder Entscheidung, ob zustimmend oder ablehnend, der gleiche Respekt entgegengebracht wird.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einen Punkt anzusprechen, der für die Aufklärung sehr wichtig ist. Dazu erst einmal eine Tatsache: Die Entscheidung über eine tatsächliche Organentnahme oder Organspende fällt in fast allen europäischen Ländern, so auch in Deutschland, im Krankenhaus. Das heißt, wird bei Patienten der Hirntod festgestellt, werden die Angehörigen gefragt, ob es einen Spenderausweis gibt oder ob sie wissen, wie sich der Verstorbene zu Lebzeiten zu einer Organentnahme geäußert hat. Das ist eine äußerst schwierige und belastende Gesprächssituation. Ärzte und Pflegepersonal, besonders im Bereich der Intensivstation, müssen für diese Situation besonders geschult werden. Kommunikationsstrategien und die Gesprächssituation dürfen nicht dem Zufall überlassen werden. Ein hohes Maß an Fachlichkeit ist hier gefragt, um einen würdigen Umgang mit den Trauernden zu finden und die emotionale Belastung aller dadurch zu reduzieren. Die Überbringung der Todesnachricht und die Frage nach der Organspende müssen bearbeitet und vermindert werden.