Verbraucherschutz

Erstens wird sich dieser Nitrofenskandal auch auf die herkömmliche Landwirtschaft ausweiten. Zweitens sollte die Grünenministerin Künast aus folgenden Gründen sofort zurücktreten: weil sie den Nitrofenskandal voreilig für beendet erklärt hat und weil die zuständige Bundesanstalt auf Kosten und zu Lasten der Bevölkerung unverantwortlich geschludert und geschlampt hat!

Drittens wird dieser Nitrofenskandal nicht nur gesundheitliche Schäden anrichten, nein, er wird auch in dramatischer Weise für seelische Schäden verantwortlich sein, denn seit dem Nitrofenskandal sieht man immer und zu jeder Zeit, und das auf allen Fernsehkanälen, Frau Renate Künast, und das allein hinterlässt schon schreckliche, kaum regulierbare Schäden. Frau Renate Künast ist als Jeanne der Verbraucher gestartet und als Aschenputtel gelandet. Ich hoffe ja nur, dass uns dieses traurige Aschenputtel, will ich einmal salopp sagen, nach dem 22. September erspart bleibt.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass in den letzten sechs Monaten in Bremen sage und schreibe 600 Kilogramm belastetes Geflügelfleisch sogar an Kindertagesstätten direkt geliefert worden sind, macht es überdeutlich, dass Verbraucherschutz schnellstmöglich zum Schutz unserer Kinder und der Bevölkerung insgesamt durch verstärkte und effektivere Lebensmittelkontrollen abgesichert werden muss.

(Unruhe)

Ich weiß nicht, warum Sie Verbraucherschutz zum Schutz unserer Kinder lächerlich finden! Ich würde mir darüber meine Gedanken machen.

Dazu ist es aber dringend erforderlich, dass Lebensmittelkontrollen auch weiterhin von staatlich organisierten Landesuntersuchungsämtern durchgeführt werden. Der Verbraucher hat ein Recht darauf, dass Lebensmittelkontrollen ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen im Interesse der Verbraucher durchgeführt werden! Darum ist es auch unabdingbar, dass der gesamte Bereich der Lebensmitteluntersuchungen einschließlich der Veterinärdiagnostik auch weiterhin in staatlicher Hand bleibt. Darüber hinaus ist aber auch dringend erforderlich, dass endlich ein einheitliches, lückenloses und europaweites Lebensmittelkontrollsystem eingeführt wird.

Meine Damen und Herren, eine verstärkte, effektivere Neuumstrukturierung im Bereich der Lebensmittelkontrolle im Interesse und zum Schutz der Bürger und Verbraucher bedeutet selbstverständlich auch einen erweiterten Aufgabenbereich mit zukünftigen deutlichen Mehraufgaben, das heißt verstärkte Lebensmittelkontrollen mit einer umfassenderen Auskunftspflicht des Landesuntersuchungsamtes, dies wiederum bedeutet dringend erforderliche finanzielle Mehrausgaben in diesem sehr wichtigen Bereich. Deshalb ist im Rahmen einer erforderlichen effektiveren Umstrukturierung des Landesuntersuchungsamtes eine sofortige Freigabe der gesperrten Haushaltsstelle, Kapitel 0501 mit dem Titel 682 10-1, dringend erforderlich.

Meine Damen und Herren, abschließend sei noch bemerkt, dass Ministerin Künast absolut keinen Durchblick in ihrem Behördendschungel hat. Sie ist schlichtweg einfach überfordert und sollte deshalb wirklich schnellstens zurücktreten. Ich werde diesem Dringlichkeitsantrag mit der Drucksachen-Nummer 15/1168 Verbraucherschutz durch bessere Kontrollen absichern im Sinne und zum Schutz der Verbraucher selbstverständlich im Namen der Deutschen Volksunion zustimmen. ­ Ich bedanke mich!

Vizepräsident Dr. Kuhn: Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Abg. Imhoff (CDU) : Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wird lange gehen!) Ja, das wird lange gehen! Nitrofen, ein Skandal der Ökobetriebe und jetzt auch der konventionellen Betriebe, lastet schwer auf allen Verbrauchern und auf den Landwirten. Doch am meisten enttäuscht sind die Menschen hier im Land über die Funde bei den Ökobetrieben, weil ihnen doch gerade in diesem Sektor immer die absolute Sicherheit vorgegaukelt worden ist.

Da muss man sich erst einmal die Frage stellen, wie sich eigentlich die Mehrzahl der Bevölkerung die Ökobetriebe vorstellt. Auf jeden Fall als bestens kontrollierte Betriebe in einer heilen Welt, die uns von Frau Künast ja auch immer propagiert worden ist: Hühner im Garten, Schweine, die sich in den Motten suhlen, ein paar Kühe, die sich von Gras und Heu ernähren, und eine bäuerliche Familie, die all diese Tiere mit Futter aus eigenem Anbau oder aus der umliegenden Umgebung versorgt!

(Abg. Frau Hövelmann [SPD]: Und Kinder, die singen!) Ja, das war vielleicht auch einmal so!

Doch leider hat sich durch den gesteigerten Absatz auch die Produktion verändert, denn Jahreszuwachsraten von 20 bis 30 Prozent im Biobereich sind mit den kleinen verträumten Ökobetrieben nicht mehr realisierbar. Also entstanden, angelockt durch die verstärkte Ökosubventionspolitik von Frau Künast, neue Öko- und Biobetriebe mit für die Branche völlig neuen Strukturen. Die neuen Betriebe, vor allem im Geflügelbereich, halten meistens nicht mehr den geschlossenen Futterkreislauf auf ihrem Betrieb, wie es eigentlich sein sollte, sondern kaufen für ihre Tiere Biofutter dort ein, wo es am günstigsten ist. Das wird für einen Cent mehr von Nord nach Süd, von West nach Ost gefahren oder sogar importiert, da wird immer nur hin- und herkutschiert, das ist nicht im Sinne, wie das eigentlich einmal angedacht war.

Das hat jedenfalls nichts mehr mit den Idealen früherer Tage zu tun, und das wissen auch die Bioanbauverbände. Warum wird den Verbrauchern nicht erzählt, dass sich gerade eine neue Generation von Biobetrieben entwickelt? Ich persönlich habe nichts gegen diese Entwicklung, solange sie nur legal ist.

Doch man darf den Leuten nichts vorenthalten und vorgaukeln, denn mittlerweile ist die Biobranche zu einem knallharten Wettbewerb geworden, in dem es um nichts anderes als um Geld geht. Man muss dem Verbraucher schon erklären, dass es nicht nur die alten kleinbäuerlichen Biobetriebe sind, sondern auch die Biogroßbetriebe, die ähnliche Strukturen haben wie die herkömmlichen konventionellen Betriebe. Wenn man nur das Bild von den verträumten kleinen Biobetrieben in die Öffentlichkeit trägt, so wie es die Grünen immer gern tun, dann täuscht man den Verbraucher wissentlich, und das kann nicht im Sinne des Verbrauchers sein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sich die Grünen jetzt über diese Strukturen beklagen, aber das tun sie nicht, weil sie am besten so tun, als ob sie das nicht kennen, aber insgeheim beklagen sie sich ja doch, dann muss man auch eines wissen: Die Bioanbauverbände haben ihre hohen Auflagen erst einmal gelockert. Nicht alle, aber einige! Zweitens hat die Ministerin Frau Künast die geringen EU-Anforderungen zum Maßstab ihres nationalen Biosiegels gemacht, und sie allein war es, die diese Standards abgesenkt hat, die vorher verhinderten, dass bei Bioprodukten Masse statt Klasse auf den Markt kam. Das ist Vortäuschung falscher Tatsachen, also in meinen Augen verbraucherfeindlich.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, was mich auch noch ärgert, sind zwei weitere Dinge! Dass sich die langsam schließenden Gräben zwischen den konventionellen und den ökologischen Landwirten, die übrigens sehr gut nebeneinander produzieren und leben können, sich wieder zu einer breiten Kluft geöffnet haben, ist eine schlimme Sache. Doch warum ist das passiert? Weil die Grünen hier im Land auf und ab gelaufen sind und immer gepredigt haben: Ökologisch ist gut, konventionelle Landwirtschaft schlecht! Mit dieser Debatte haben sie niemandem geholfen, nicht den Landwirten und auch nicht den Verbrauchern.

Zum zweiten kenne ich jedenfalls niemanden, der bei seinen eigenen Fehlern so oft mit den Fingern auf andere zeigt. Egal, ob Frau Künasts größtes Feindbild die konventionelle Landwirtschaft, der Bauernverband, Handelsketten und Genossenschaft oder die EU ist, nur die Ministerin selbst trifft angeblich nie die Schuld. Doch sie, die in der Verantwortung steht, versteht es vor allem, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Abwicklung des Nitrofenskandals noch einmal kurz anschauen! Die Firma Hipp hat am Anfang des Jahres Nitrofen in ihren Lebensmitteln gefunden, und bis zum 21. Mai dieses Jahres ist es nicht zu unserer verantwortlichen Bundesministerin Frau Künast vorgedrungen. Da frage ich mich, was das denn für Strukturen sind! Die Biokontrollstellen haben hier genauso versagt wie die zuständigen Kontroll- und Meldesysteme.

(Beifall bei der CDU)

Der Informationsfluss zwischen den einzelnen Stellen hat, wenn überhaupt, nur schleppend und hinter vorgehaltener Hand funktioniert. Anderthalb Jahre nach dem BSE-Skandal hat es Frau Künast trotz vollmundiger Ankündigungen nicht geschafft, ein verbessertes Kontroll- und Meldewesen für staatliche Behörden aufzubauen, in dem die ganze Produktionskette mit vor allem vor- und nachgelagerten Produktionsstufen der Landwirtschaft erfasst wird. Wie viel Zeit braucht sie denn noch? Anscheinend waren das ja nur leere Versprechungen, denn sonst wäre es wohl nicht so weit gekommen. Hierfür trägt nur eine die Verantwortung, das ist die Bundesministerin Frau Künast.

(Beifall bei der CDU)

Über diese ganzen Schwächen kann auch nicht das von der Bundesregierung eingebrachte Verbraucherinformationsgesetz hinwegtäuschen, denn in diesem Künast-Gesetzentwurf, der sich im Bundesrat nicht durchgesetzt hat, sind keine Informationsverpflichtungen für Betriebe an Behörden vorgesehen. Doch gerade das ist der entscheidende Punkt!

Wenn es unsachgemäße oder kriminelle Handlungen mit oder an Lebensmitteln gibt, müssen diese doch schnell aufgedeckt oder bestraft werden. Wen hätte Frau Künast denn mit einem Verbraucherinformationsgesetz informieren wollen, wo sie doch nichts gewusst hat? Das passt doch alles überhaupt nicht zusammen!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, effektiven Verbraucherschutz hätte, wie von der CDU schon lange gefordert, eine Verschärfung der vorhandenen Lebensmittelgesetze und des Bedarfsgegenstandsgesetzes beziehungsweise des Produktionssicherheitsgesetzes gebracht. Wir, die CDU, lassen jedenfalls nicht locker, vorbeugende Verbraucherschutzpolitik voranzutreiben.

Wir kümmern uns auch um landwirtschaftlich konventionelle und ökologische Betriebe, das ist uns dabei ganz egal, (Beifall bei der CDU) wobei mir die alteingesessenen kleinbäuerlichen Ökobetriebe Leid tun, weil auf deren Rücken nämlich Politik gemacht worden ist. Deswegen muss auf diese Ökobetriebe, die momentan eine wirtschaftlich besonders schwierige Lage haben, auch ein besonderes Augenmerk gelegt werden, genauso wie auf die in den letzten anderthalb Jahren vernachlässigten konventionellen landwirtschaftlichen Betriebe.

Wenn jetzt gleich von den Grünen noch einmal jemand aufsteht, das kann ja sein, werden sie hier bestimmt noch sagen, dass wir gegen ökologischen Landbau sind und wir den alten Popanz aufbauen.

Das muss ich sowieso erst einmal zurückweisen, weil, Frau Mathes, Sie hier ja eben immer die alte Leier abgespielt haben. Sie haben gesagt, Agrarwende fortführen, das ist ja alles toll, und schuld sind noch die Kriminellen und was weiß ich nicht alles. Man muss aber auch einmal agieren und nicht reagieren!

Ihre Ministerin hat nur agiert.

(Abg. ­ Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Dr. Kuhn: Als nächster Redner erhält das Wort Herr Staatsrat Dr. Knigge.

Staatsrat Dr. Knigge: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Brumma erwähnte vorhin, dass der Lebensmittelverbrauch Vertrauenssache sei. Ich möchte dieses Stichwort aufgreifen und sagen, dies sehe ich in zwei Richtungen so: Einmal ist der Lebensmittelverbrauch natürlich ein ganz wichtiger Faktor für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Ich glaube, wenn wir über Prävention im Gesundheitswesen sprechen, dann sind die Lebensmittelversorgung und das Angebot gesunder Lebensmittel ganz wichtige Faktoren, um die Prävention von uns allen zu verbessern.

Lebensmittelverbrauch hat aber auch einen eminent wirtschaftlichen Faktor, auch dies erleben wir in diesen Tagen wieder. Ganze Branchen leiden, wenn solche Nitrofenrückstände, Rückstände anderer Unkrautvernichtungsmittel oder was auch immer in Lebensmitteln festgestellt werden. Da werden bäuerliche Existenzen zerstört und wirtschaftliche Existenzen ruiniert, und auch dies ist wichtig zu beachten. Wenn wir über gesundheitlichen Verbraucherschutz sprechen, dann hat das eine eminent gesundheitliche Dimension, aber eben auch eine eminent wirtschaftliche Dimension. Ich glaube, wir sind gut aufgestellt in Bremen, um uns beiden Dimensionen zu stellen. Ich bedanke mich zunächst für das Lob, das hier für das Krisenmanagement ausgesprochen worden ist, aber Krisenmanagement ist, glaube ich, nur eine Sache, so wichtig Krisenmanagement auch in solchen Krisensituationen ist.

Ich habe nicht nur die aktuelle Krise mit dem Nitrofen in Bremen hautnah erlebt, sondern ich habe auch die Krise auf Bundesebene erlebt. Das hat mich beispielsweise den letzten Sonntag mit einer Dienstreise nach Berlin gekostet. Ich habe gesehen, wie inzwischen auch das Krisenmanagement zwischen dem Bund und den Ländern ganz konkret organisiert ist. Ich muss sagen, das hat mich wirklich beeindruckt, wie alle Länder, unabhängig von parteipolitischer Orientierung, hier mit dem Bund zusammengewirkt haben, am letzten Sonntag, aber auch mit Telefonschaltkonferenzen, die auch gestern wieder stattgefunden haben aufgrund der aktuellen Ereignisse in Mecklenburg-Vorpommern. Hier hat sich ein vorbildliches Netz an Zusammenarbeit zwischen den Fachbehörden entwickelt.

Ich finde es auch bemerkenswert, was sich auf europäischer Ebene unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hier entwickelt hat. Wir gehören etwas zu den Leidtragenden, was die personellen Folgen dieses Systems anbelangt. Wir bekommen inzwischen Schnellwarnmeldungen en masse.