Sozialhilfe

Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung hat sich mittlerweile auf Länder- und Bundesebene etabliert. Auch eine Vielzahl von Kommunen erstellt regelmäßig Berichte, um die Situation im örtlichen Bereich zu erfassen und so eine fundierte Basis für Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu erhalten. Hinzu kommen Berichte von Verbänden und Kirchen sowie eine Vielzahl von Publikationen zum Thema Armut. Dennoch ist der Begriff der Armut in Wissenschaft und Politik nach wie vor nicht unumstritten. Es hat sich jedoch im Wesentlichen ein Konsens über die Inhalte herausgebildet. Danach werden zwei Basiskonzepte der Armut, nämlich die absolute und die relative Armut, unterschieden.

Absolute und extreme Armut

Als absolut arm gilt, wer seine grundlegendsten Bedürfnisse in Bezug auf Nahrung, Kleidung, Wohnung und Gesundheit nicht befriedigen kann. Es handelt sich um einen Mangelzustand, der es nicht erlaubt, die physische Existenz dauerhaft zu sichern. Die Armutsgrenze ist hier identisch mit der Summe der zur Erhaltung der physischen Existenz notwendigen Güter und Dienstleistungen.1) Menschen, die physiologische Grundbedürfnisse nicht decken können, sind im schlimmsten Fall vom Tod durch Hunger, Erfrieren oder heilbare Krankheiten bedroht. 2)

Aufgrund der sozialstaatlichen Vorkehrungen in Deutschland wird allgemein angenommen, dass absolute Armut eher ein Phänomen der dritten Welt ist. Die Inanspruchnahme von Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung garantiert das sozioökonomische Existenzminimum. So weist auch der zweite Armutsbericht des Landes Rheinland-Pfalz zu Recht darauf hin, dass bei uns niemand von menschenunwürdiger Armut betroffen ist, der das Hilfesystem in Anspruch nimmt. Die grundlegenden Bedarfe von Hilfesuchenden werden durch verschiedenartige Sozialleistungen gedeckt. Im Vordergrund stehen dabei die bedarfsorientierten Leistungen Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Leistungshöhe von Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung soll eine Lebensführung erlauben, die der Würde des Menschen entspricht.

Jeder Bürgerin und jedem Bürger steht ein gesetzlicher Anspruch auf diese Leistungen zu. Auch Ausländerinnen und Ausländer, die in Rheinland-Pfalz leben, können Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung haben.

Im Sinne dieser Definition ist die absolute Armut bei uns überwunden. Tatsächlich kann sich aber das Problem der absoluten Armut auch in Rheinland-Pfalz in einer abgewandelten Form zeigen, nämlich als extreme Armut. Extreme Armut tritt auf, wenn die Inanspruchnahme von existenzsichernden Transferleistungen verweigert wird, obwohl entsprechende, nicht gedeckte Bedarfe bestehen. Extreme Unterversorgung trotz bestehender sozialstaatlicher Ansprüche ist ein reales Problem, das sich in der Regel der statistischen Erfassung entzieht. Sie kann sich insbesondere bei Wohnungslosen, Straßenkindern oder Ausländern beziehungsweise Ausländerinnen zeigen, die sich illegal im Land aufhalten.

Relative Armut Relative Armut bezieht sich auf einen Mangel an Mitteln, die zur Sicherung des Lebensbedarfs eines Menschen notwendig sind.

Maßgebend ist der jeweils geltende soziale und kulturelle Standard einer Gesellschaft. Relative Armut bedeutet, dass diese Standards unterschritten werden. Während sich der absolute Armutsbegriff am physischen Existenzminimum orientiert, bezieht sich der relative Armutsbegriff immer auf zu definierende gesellschaftliche Mindeststandards. Er erlaubt Aussagen über gesellschaftliche Ungleichheit und Ausgrenzung. Zur Messung von relativer Armut wird überwiegend auf

­ den Lebenslagenansatz,

­ die Sozialhilfeschwelle und

­ die relative Einkommensarmut zurückgegriffen.

Lebenslagenansatz

Der Lebenslagenansatz versucht die Mehrdimensionalität von Armut zu erfassen, indem er neben Einkommen und Vermögen auch auf Bildung, Erwerbsstatus, Gesundheit, Wohnsituation, Familiensituation und soziale Netzwerke abstellt. Werden die Handlungsspielräume eines Menschen eingeschränkt und eine gleichberechtigte Teilhabe ausgeschlossen, so liegt in den jeweiligen Lebenslagen Unterversorgung vor. Aufgrund seiner Breite und der verschiedenartigen Interpretationen dieses Begriffs ist der Lebenslagenansatz nur schwer zu operationalisieren. Zur Darstellung der Vielschichtigkeit von Armut ist es gleichwohl notwendig, mit Hilfe dieses Ansatzes auf die Vielzahl der von Armut betroffenen Lebenslagen einzugehen. Nur so kann die Lebenswirklichkeit der Betroffenen transparent gemacht werden.

1) Udo Neumann, Markus Hertz „Verdeckte Armut in Deutschland", 1998, Seite 13.

2) Richard Hauser in „Fachlexikon der sozialen Arbeit".