Führung der Amtsbezeichung „Ortsbürgermeister"

Nach § 64 Absatz 3 GemO führt der Bürgermeister der Ortsgemeinde die Amtsbezeichnung „Ortsbürgermeister". Auch ist die Bezeichung „Bürgermeister der Gemeinde XY" erlaubt.

In der Lebenswirklichkeit des Landes Rheinland-Pfalz werden jedoch auch die Ortsbürgermeister immer wieder als „Bürgermeister" bezeichnet.

In den jüngsten Tagen wurde einem Ortsbürgermeister einer rheinhessischen Gemeinde von der Staatsanwaltschaft Mainz eine Ermittlung wegen Amtsmissbrauchs angedroht, da er in seinem Briefkopf die Bezeichung „Gemeinde XY ­ Der Bürgermeister ­" verwandt hatte.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Ist ihr die Wahrnehmung bekannt, dass in der Lebenswirklichkeit des Landes Rheinland-Pfalz in fast allen Ortsgemeinden des Landes die Ortsbürgermeister auch als Bürgermeister von der Bevölkerung bezeichnet und angesprochen werden?

2. Ist ihr bekannt, dass die Anrede Bürgermeister anstelle der Anrede Ortsbürgermeister nachweislich auch im Schrifttum vieler Behörden, der Privatwirtschaft und anderer öffentlicher und privater Stellen erfolgt?

3. Ist sie bereit, diese Situation anzuerkennen und daraus ggf. gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen und eine Änderung der GemO dahin gehend zu beantragen, dass die Amtsbezeichnung „Ortsbürgermeister" durch die Bezeichnung „Bürgermeister" ersetzt wird?

4. Ist sie bereit zu veranlassen, dass im konkreten Fall die Androhung von Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs von der zuständigen Staatsanwaltschaft zurückgenommen wird, da weder die Schwere dieser Zuwiderhandlung zu erkennen ist, noch ein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht?

5. Können Aussagen darüber gemacht werden, in wie vielen anderen Ortsgemeinden ebenso verfahren wird wie im konkreten Fall und ob seitens der Landesregierung beabsichtigt ist, solche ggf. zu ermittelnden Fälle ebenfalls durch die Staatsanwaltschaften verfolgen zu lassen?

6. Mit welchem geschätzten Kostenaufwand für solche Ermittlungen und sich anschließende Verfahren müsste gerechnet werden?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 wie folgt beantwortet:

Nach der Gemeindeordnung wird die Bezeichnung „Bürgermeister" einheitlich in allen Gemeindetypen für das entsprechende Organ verwendet (§ 28 Abs. 1 Satz 1 GemO). Dagegen führen die Bürgermeister je nach Art der Gemeinde folgende gesetzliche Amtsbezeichnungen:

Ortsgemeinde, Stadt Stadtbürgermeister § 64 Abs. 3 Satz 2 Die Verwendung einer Amtsbezeichnung ist keine Pflicht einer Bürgermeisterin bzw. eines Bürgermeisters; bei Verwendung ist jedoch die mit der Ernennung übertragene Amtsbezeichnung zu verwenden.

Davon zu unterscheiden ist die im Schriftverkehr einer Ortsgemeinde unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Möglichkeit, in einem Briefkopf nicht den Amtsinhaber durch Amtsbezeichnung und Namen als Absender zu benennen, sondern die Funktion „Bürgermeister", sofern erkennbar wird, dass es sich um das Organ einer Ortsgemeinde handelt. Denkbare Alternativen enthält die Verwaltungsvorschrift zu § 28 der Gemeindeordnung. Die Organbezeichnung „Gemeinde XY ­ Der Bürgermeister ­" darf in dieser Ausgestaltung aus dem vorgenannten Grund in Ortsgemeinden nicht verwendet werden.

Anlass für die strafrechtliche Prüfung durch die Staatsanwaltschaft Mainz war indessen, dass der Beschuldigte in reinen Privatschreiben ­ also nicht: bei Verwendung offizieller Gemeindebriefbögen, von denen die Staatsanwaltschaft keine Kenntnis hatte ­ dem Namen die Amtsbezeichnung „Bürgermeister" hinzufügte und dies auch auf der Homepage der Gemeinde Nierstein tat.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1.: In welcher Form Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister von den Bürgerinnen und Bürgern sowie von sonstigen privaten Stellen angesprochen oder angeschrieben werden, ist für die Rechtsfrage der richtigen Amtsbezeichnung ohne jeden Belang. Weder besteht für die Bevölkerung und die Wirtschaft eine Verpflichtung zur Verwendung der korrekten Amtsbezeichnung, noch kann die Amtsbezeichnung als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Vielfach dürfte deshalb der Organbegriff „Bürgermeister" angewendet werden.

Zu 2.: Wegen der Benutzung einer unzutreffenden Amtsbezeichnung durch private Stellen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Bei Schreiben von Behörden sind nur wenige Fälle bekannt, die nach einer ersten Prüfung durch Rückgriff auf die Angaben des Absenders entstanden sind.

Zu 3.: Bei der nächsten Novelle der Gemeindeordnung wird die Notwendigkeit einer Änderung der Amtsbezeichnung für das Organ „Bürgermeister" in die Prüfung einbezogen.

Zu 4.: Die Landesregierung greift grundsätzlich nicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ein. Da die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Straftat entsprechend dem Legalitätsprinzip (§ 152 Absatz 2 Strafprozessordnung) verpflichtet ist, strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen, bestand dafür auch keinerlei Grundlage.

Das Ermittlungsverfahren, das im Übrigen wegen „Missbrauchs von Amtsbezeichnungen", nicht wegen „Amtsmissbrauchs" geführt worden ist, hat die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich mit Verfügung vom 19. Oktober 2004 gemäß § 153 Absatz 1 der Strafprozessordnung ohne weitere Ermittlungen eingestellt, weil die Schuld des Beschuldigten als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung mehr besteht, nachdem das Ministerium des Innern und für Sport nachdrücklich auf das künftig korrekte Führen der Amtsbezeichnung eines Ortsbürgermeisters hingewiesen hat.