Maßnahmen bei längerfristigen Erkrankungen beamteter Lehrkräfte

Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit von Lehrkräften wurden nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Dringlichkeit bearbeitet. Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit wurden nicht mit Nachdruck durchgesetzt.

Bei vorübergehend verminderter Dienstfähigkeit von Lehrkräften wurde deren Unterrichtsverpflichtung bei vollen Dienstbezügen über längere Zeiträume verringert.

Vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte waren rechtlich nicht verpflichtet, an Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit teilzunehmen.

Vorschläge für eine andere Verwendung eingeschränkt dienstfähiger Lehrkräfte waren nicht umsetzbar.

1. Allgemeines:

Ein Beamter ist vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Entsprechend dem Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung" ist von einer Ruhestandsversetzung abzusehen, wenn der Beamte seine Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erbringen kann (begrenzte Dienstfähigkeit)1). Bei Lehrkräften besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die Unterrichtsverpflichtung für einen begrenzten Zeitraum zu verringern, wenn die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit wahrscheinlich ist2).

Im Jahr 2003 wurden insgesamt 225 Beamtinnen und Beamte, davon 145 Lehrkräfte, wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt3):

Bei Lehrkräften war die Anzahl der Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit trotz des im Vergleich zu den Vorjahren deutlichen Rückgangs4) weiterhin überdurchschnittlich hoch.

Die Entscheidung, ob dauernde Dienstunfähigkeit oder begrenzte Dienstfähigkeit vorliegt, trifft für Lehrkräfte bis zur Besoldungsgruppe A 14 die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, im Übrigen das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend.

Zum Stichtag 15. März 2004 waren 226 Lehrkräfte länger als acht Wochen erkrankt, in einigen Fällen bereits ohne Unterbrechungen seit 1999. In 188 dieser Fälle waren Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit, begrenzten Dienstfähigkeit oder vorübergehend verminderten Dienstfähigkeit eingeleitet. Der Rechnungshof hat die Verfahrensabläufe und Entscheidungen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in 92 Fällen näher untersucht.

2. Wesentliches Ergebnis der Prüfung:

Meldung von Erkrankungen Schulleitungen sind verpflichtet, Erkrankungen von Lehrkräften, die länger als vier Wochen dauern oder bei denen bereits zu Beginn der Erkrankung erkennbar ist, dass dieser Zeitraum überschritten wird, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion umgehend unter Vorlage der ärztlichen Atteste zu melden5).

In vielen Fällen beachteten die Schulen die Meldepflicht nicht. Die Zeitspannen zwischen Erkrankung und Meldung betrugen zum Teil mehr als ein Jahr.

Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend hat erklärt, es werde die Schulen in geeigneter Form auf die bestehenden Pflichten zur Meldung von längerfristigen Erkrankungen hinweisen und zugleich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion anhalten, auf die Einhaltung dieser Verpflichtungen ein verstärktes Augenmerk zu richten.

Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit:

In einigen Fällen bearbeitete die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Dringlichkeit. Insbesondere die Termine für amtsärztliche Nachuntersuchungen wurden nur unzureichend überwacht. Verfahrensverzögerungen von bis zu mehreren Monaten waren die Folge.

Es gab keine Übersichten über die Zahl der Verfahren und die bereits eingeleiteten Maßnahmen. Regelmäßige Erfolgskontrollen unterblieben. Darüber hinaus wurde die Durchführung ärztlich empfohlener Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht mit dem gebotenen Nachdruck durchgesetzt.

Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend hat mitgeteilt, es habe die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion aufgefordert, die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine zügige Durchführung entsprechender Verfahren sicherzustellen.

Vorübergehend verminderte Dienstfähigkeit:

Anwendungsbereich:

Auf Antrag der Lehrkraft kann die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die Unterrichtsverpflichtung wegen verminderter Dienstfähigkeit für eine begrenzte Zeit ­ in der Regel nicht länger als für die Dauer eines halben Jahres ­ auf weniger als die Hälfte verringern, wenn die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit wahrscheinlich ist.

Bei einem darüber hinausgehenden Antrag und bei einem erneuten Antrag innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt der letztmaligen Pflichtstundenermäßigung trifft das Ministerium die Entscheidung.

Lehrkräfte erhalten während dieser Zeit volle Dienstbezüge. Die ruhegehaltfähige Dienstzeit verkürzt sich nicht.

Lediglich bei vier von 66 untersuchten Fällen blieb es bei einer einmaligen Gewährung einer Stundenermäßigung; in allen übrigen Fällen wurden Stundenermäßigungen wiederholt gewährt, teilweise bis zu fünfmal und über einen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren.

Im Hinblick auf die gesetzliche Vorgabe, bei begrenzter Dienstfähigkeit6) die Dienstbezüge im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit zu kürzen7), hat der Rechnungshof eine Begrenzung der für Lehrkräfte geltenden Sonderregelung auf längstens sechs Monate empfohlen.

Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend hat erklärt, es teile die Auffassung, dass eine einmalige Verringerung der Unterrichtsverpflichtung die Regel, eine Verlängerung die Ausnahme sein solle. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion werde darauf hingewiesen. Einer grundsätzlichen Begrenzung auf längstens sechs Monate stehe entgegen, dass von Gesundheitsämtern nicht selten die medizinische Angemessenheit oder gar Notwendigkeit einer weiteren Verringerung der Unterrichtsverpflichtung festgestellt werde. In derartigen Fällen könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine vorzeitige Vollbelastung der Betroffenen zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Disposition führe. Daher solle eine Verlängerungsmöglichkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Hierzu ist anzumerken, dass eine zeitliche Beschränkung der für Lehrkräfte geltenden Sonderregelung nicht notwendig eine Vollbelastung der Betroffenen nach Ablauf der sechsmonatigen Frist zur Folge haben muss. Soweit eine Lehrkraft nach Abschluss der Wiedereingliederungsphase weiterhin nur eingeschränkt ihre Dienstpflichten erfüllen kann, sollte auch ihre Unterrichtsverpflichtung entsprechend verringert bleiben, allerdings ­ wie bei anderen Landesbeamten auch ­ mit den Folgen einer Kürzung der Dienstbezüge im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit. Dabei darf nicht außer Acht bleiben, dass ein begrenzt dienstfähiger Beamter im Rahmen seiner Teilzeitbeschäftigung gegenüber sonstigen Teilzeitbeschäftigten schon insofern besoldungsrechtlich privilegiert ist, als er Dienstbezüge mindestens in Höhe des Ruhegehaltes beanspruchen kann, das er bei einer ­ fiktiven ­ Versetzung in den Ruhestand erhalten würde.

Plausibilitätsprüfung amtsärztlicher Gutachten Untersuchungsaufträge und amtsärztliche Stellungnahmen zur Dienstunfähigkeit oder begrenzten Dienstfähigkeit von Beamten unterlagen bislang einer Plausibilitätskontrolle durch die zentrale medizinische Verbindungsstelle9). Seit der Änderung des Landesbeamtengesetzes im Oktober 2004 werden entsprechende Untersuchungen nicht mehr durch die Gesundheitsämter, sondern durch die zentrale medizinische Untersuchungsstelle des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vorgenommen.

Gutachten zur vorübergehend verminderten Dienstfähigkeit von Lehrkräften unterlagen weder einer Plausibilitätskontrolle, noch wurden diese Fälle ­ entgegen der Anregung des Rechnungshofs ­ bei der Zentralisierung der Zuständigkeit berücksichtigt.

Das Ministerium hat erklärt, es werde diesen Vorschlag zu einem späteren Zeitpunkt prüfen. Sofern die Dienststelle eine Überprüfung für erforderlich halte, werde zeitnah die medizinische Untersuchungsstelle eingeschaltet.

Nach Auffassung des Rechnungshofs bedarf es hierzu einer rechtlichen Grundlage. Diese sollte auch eine Verpflichtung für die Einschaltung der medizinischen Untersuchungsstelle vorsehen.

Versetzung in den Ruhestand:

Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung": Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit dauerten ­ insbesondere bei Lehrkräften, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten ­ vielfach mehrere Jahre. Selbst wenn Amtsärzte die Dienstunfähigkeit bescheinigt hatten und die Gutachten auf Plausibilität überprüft worden waren, wurden die Verfahren weitergeführt, um ­ so die Begründung ­ weitere Therapiemaßnahmen abzuwarten, Gespräche mit der Lehrkraft zu führen oder weitere Fachgutachten einzuholen.

Auf die Höhe der Dienstbezüge und die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten hatte dies keinen Einfluss.

Dem Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung" könnte auch Rechnung getragen werden, wenn in geeigneten Fällen ­ entsprechend der Empfehlung der Bund-Länder-Projektgruppe „Eindämmung der Frühpensionierungen" ­ Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit im vorzeitigen Ruhestand durchgeführt würden. Nach erfolgreicher Therapie wäre eine Reaktivierung möglich11).

Nach der geltenden Rechtslage haben Ruhestandsbeamte ­ anders als aktive Beamte ­ keine Pflicht zur Erhaltung der Gesundheit, so dass ergänzend eine Regelung wie in Bayern13) erforderlich wäre. Danach können wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Beamtinnen und Beamte verpflichtet werden, an geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit teilzunehmen.

Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend hat mitgeteilt, es werde geprüft, ob und ggf. welche weitergehenden Regelungen getroffen werden könnten.

Das Ministerium der Finanzen teilt grundsätzlich die Auffassung des Rechnungshofs, dass eine dem bayerischen Beamtengesetz entsprechende ergänzende Regelung des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes sinnvoll sein könne. Vor dem Hintergrund, dass im Kalenderjahr 2003 im Lehrerbereich nur eine einzige Reaktivierung erfolgt sei, solle aber zunächst die kurz- bzw. mittelfristige Entwicklung der Anzahl der vorzeitigen Ruhestandsversetzungen abgewartet werden.

Anderweitige Verwendung:

Von der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ist abzusehen, wenn der Lehrkraft eine anderweitige Verwendung zugewiesen werden kann.

Die Gesundheitszeugnisse enthielten in der Regel Vorschläge für eine anderweitige Verwendung. In einem Fall wurden Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr und ohne besondere Anforderungen an Selbstbehauptungs- und Durchsetzungsvermögen sowie Flexibilität und Umstellungsfähigkeit empfohlen. Andere Verwendungsvorschläge waren z. B. Einsatz in der Erwachsenen.