Zwangseinweisungen

Pressemeldungen aus Nordrhein-Westfalen zufolge sollen in den vergangenen Jahren Krankenhauseinweisungen psychisch Kranker, die gegen den Willen der Betroffenen angeordnet wurden, zugenommen haben. Betroffene und Angehörige sind besorgt über die Entwicklung, insbesondere, weil psychische Erkrankungen heute viel besser behandelbar seien als vor zehn Jahren.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Auf welcher rechtlichen Grundlage kann eine Zwangseinweisung vorgenommen werden?

2. Liegen der Landesregierung Kenntnisse vor, wie viele der eingewiesenen Patienten einen gesetzlichen Betreuer hatten?

3. Wie viele Verfahren zur Einweisung ohne die Zustimmung der Patientin oder des Patienten gab es in den letzten zehn Jahren in Rheinland-Pfalz?

4. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der sozialpsychiatrische Dienst?

Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheithat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 2. März 2005 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Zwangseinweisungen können aufgrund

­ des Polizeirechts (14 Abs. 1 Satz 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes ­ POG),

­ des Betreuungsrechts (§ 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches ­ BGB; § 1846 BGB i. V. m.1908 i Abs.1 BGB; §§ 70 h, 69 f des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ­ FGG) sowie

­ des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen (§§ 11 ff. PsychKG) erfolgen.

Zu 2.: Der Landesregierung liegen keine Erhebungen vor, wie viele der insgesamt eingewiesenen Patientinnen und Patienten eine Betreuerin oder einen Betreuer haben. Sicher ist lediglich, dass diejenigen Personen, deren Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches und nach §§ 70 h, 69 f des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgt ist, eine Betreuerin beziehungsweise einen Betreuer hatten, weil die Unterbringung von diesen veranlasst worden ist.

Zur Anzahl der nach dem Betreuungsrecht eingewiesenen Personen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

Die gesetzliche Betreuung und die zwangsweise Unterbringung sollten grundsätzlich nicht in einen Kausalzusammenhang gebracht werden. Psychische Erkrankungen sind häufig episodenhaft und können ein unmittelbares Einschreiten wegen Selbst- oder Fremdgefährdung erfordern. Sobald die akute Gefährdungsphase vorüber ist, ist die Zwangsmaßnahme zu beenden. Diese Personen jeweils unter eine Betreuung zu stellen, wäre unverhältnismäßig.

In den psychiatrischen Kliniken und psychiatrischen Hauptfachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern in Rheinland-Pfalz wurden 32 686 Zugänge im Jahr 2001, 32 407 Zugänge im Jahr 2002 sowie 34 411 Zugänge im Jahr 2003 verzeichnet.

Aufgrund des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen waren 1 294 Zugänge im Jahr 2001, 1 305 Zugänge im Jahr 2002 sowie 1 447 Zugänge im Jahr 2003 zu verzeichnen.

Aufgrund des Polizei- und Ordnungsbehördengesetz waren 770 Zugänge im Jahr 2001, 712 Zugänge im Jahr 2002 sowie 601 Zugänge im Jahr 2003 zu verzeichnen.

Aufgrund des Betreuungsrechts waren 1 191 Zugänge im Jahr 2001, 1 088 Zugänge im Jahr 2002 sowie 1 025 Zugänge im Jahr 2003 zu verzeichnen. Eine Differenzierung nach der Rechtsgrundlage im Einzelnen erfolgt dabei nicht.

Die vorstehenden Zahlen wurden der Basisdokumentation Psychiatrie entnommen, die von den Krankenhäusern durchgeführt wird.

Eine Erhebung aus den Vorjahren konnte aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen.

Zu 4.: Der sozialpsychiatrische Dienst hat nach § 8 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen die Aufgabe, bei Personen, die sich aufgrund einer psychischen Erkrankung selbst Schaden zufügen oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden könnten, einen Hausbesuch durchzuführen oder die Person zu einer Beratung oder Untersuchung aufzufordern. Er kann die Person auch gegen ihren Willen untersuchen, um eine psychische Erkrankung festzustellen. Weiterhin haben Bedienstete der sozialpsychiatrischen Dienste das Recht, die Wohnung der betroffenen Person zur Abwehr einer dringenden Gefahr zu betreten. Des Weiteren hat der sozialpsychiatrische Dienst die Möglichkeit, eine Behandlungsauflage (§ 9 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen) zu erteilen.

Sollten diese präventiven Maßnahmen nicht greifen, unterrichtet der sozialpsychiatrische Dienst die für die Einleitung und Durchführung des Unterbringungsverfahrens zuständige Behörde über die von ihm getroffenen Feststellungen, sofern dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen.

Der sozialpsychiatrische Dienst soll Alternativen zu einer Unterbringung prüfen und ist deswegen nach § 14 Abs. 8 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen im Unterbringungsverfahren zu beteiligen.

Nach § 15 Absatz 6 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen kann der sozialpsychiatrische Dienst, sofern die rechtzeitige Anordnung der Unterbringung durch die zuständige Behörde nicht möglich ist, die sofortige Unterbringung einschließlich Ingewahrsamnahme und Aufhebung selbst vornehmen.

Letztlich sollen nachgehende Hilfen nach der Entlassung aus der Unterbringung mit Zustimmung der betroffenen Person in enger Zusammenarbeit zwischen der Einrichtung, der weiterbehandelnden Ärztin beziehungsweise dem weiterbehandelnden Arzt und dem sozialpsychiatrischen Dienst vorbereitet und eingeleitet werden (§ 31 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen).