Ernennungspraxis bei Richterinnen und Richtern auf Probe in Rheinland-Pfalz

§ 12 Abs. 2 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes bestimmt, dass Richterinnen und Richter auf Probe spätestens fünf Jahre nach ihrer Einstellung auf Lebenszeit zu ernennen sind. Diese Vorschrift legt eine zwingende, nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Höchstdauer des Dienstes als Proberichterin und -richter fest und sichert damit die richterliche Unabhängigkeit. Gleichwohl wird offenbar in nicht wenigen Fällen diese gesetzliche Höchstdauer erheblich, zum Teil sogar um Jahre, überschritten.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen (absolut und prozentual) ist in den vergangenen Jahren 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 die Fünfjahresfrist nach § 12 Abs. 2 DRiG überschritten worden (bitte aufschlüsseln nach Angabe des konkreten Dienstalters der betroffenen Proberichterinnen und -richter und nach Geschlecht)?

2. Wie viele Proberichterinnen und -richter sind aktuell im Justizdienst des Landes Rheinland-Pfalz von dieser Probelmatik betroffen und wie viele sollen im Jahr 2005 zu Richterinnen und Richtern auf Lebenszeit ernannt werden?

3. Welche Gründe gibt es für diese ­ vor dem Hintergrund der zwingenden gesetzlichen Vorgaben durchaus problematische ­ Ernennungspraxis?

4. Kommt aus Sicht des Ministeriums der Justiz dem Einverständnis der Richterin oder des Richters auf Probe mit dem Hinausschieben ihrer/seiner Ernennung rechtliche Bedeutung zu?

Wenn ja, wie wird diese Auffassung begründet?

5. Weshalb erfolgt angesichts der hinreichend langen Frist des § 12 Abs. 2 Satz 1 DRiG keine rechtzeitige Ausschreibung der erforderlichen Anzahl von Planstellen durch das Ministerium der Justiz?

6. Welche rechtlichen und tatsächlichen Nachteile existieren durch die derzeitige Ernennungspraxis für Proberichterinnen und Proberichter?

7. Ab wann soll diese Ernennungspraxis geändert werden?

Das Ministerium der Justiz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 4. März 2005 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Das Amt eines Richters oder Staatsanwalts im statusrechtlichen Sinne fordert spezifische fachliche und persönliche Fähigkeiten, die während des Probedienstes entwickelt und festgestellt werden sollen und die Voraussetzung für die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit oder (unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) zum Staatsanwalt sind. § 13 DRiG schafft die Grundlage dafür, dass der Richter auf Probe sich möglichst vielseitig und unabhängig von seiner Zustimmung mit der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis sowie der Tätigkeit der Gerichtsverwaltung vertraut machen kann. Nach fünfjähriger Probezeit gewährt § 12 Abs. 2 DRiG dem Richter auf Probe einen Anspruch auf lebenslängliche Ernennung als Richter oder Staatsanwalt. Diese Vorschrift gibt keinen Anspruch auf ein Amt bei einem bestimmten Gericht oder einer bestimmten Staatsanwaltschaft. Zeiten der Beurlaubung ohne Bezüge ­ Hauptanwendungsfall ist die Elternzeit ­ werden in die Fünfjahresfrist nicht eingerechnet. Der Dienstherr kann dem Ernennungsanspruch zum Beispiel entgegenhalten, dass die gesundheitliche Eignung (Verdacht einer dauerhaften Dienstunfähigkeit) noch nicht geklärt ist.

Im Einzelplan 05 sind ausreichend Planstellen ausgebracht, um den Ernennungsanspruch innerhalb der Frist des § 12 Abs. 2 DRiG zu erfüllen. Die Planstellen sind bedarfsgerecht (Geschäftsanfall, flexibler Personaleinsatz bei Änderung des Geschäftsanfalls usw.) den Gerichten und Staatsanwaltschaften zugewiesen. Freie Planstellen für Richter und Staatsanwälte auf Lebenszeit sind gemäß § 2 LRiG auszuschreiben und unter Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese zu vergeben. Das Auswahlverfahren einschließlich der amtsärztlichen Untersuchung dauert durchschnittlich drei bis sechs Monate. Die Ernennungspraxis im Lande hat gezeigt, dass bestimmte Standorte wie zum Beispiel Mainz oder Koblenz besonders begehrt sind. Auf an diesen Standorten ausgeschriebene Planstellen gibt es in der Regel mehrere Bewerberinnen und Bewerber. Im Hinblick auf den Grundsatz der Bestenauslese mussten Richterinnen oder Richter auf Probe, bei denen die Fünfjahresfrist abgelaufen war, häufig hinter dienstjüngeren, aber leistungsstärkeren Mitbewerberinnen oder Mitbewerbern zurückstehen. Richterinnen und Richter auf Probe, die in der Regel aus persönlichen Gründen eine Lebenszeitanstellung nur an einem bestimmten Gericht oder einer bestimmten Staatsanwaltschaft anstreben, bewerben sich zumeist ­ auch nicht hilfsweise ­ auf andere freie Planstellen. Die Justizverwaltung ist bemüht, den Vorstellungen der Richterinnen und Richter auf Probe hinsichtlich ihrer Lebenszeitanstellung möglichst Rechnung zu tragen. Von „Zwangsernennungen" auf freien Planstellen nach Ablauf der Fünfjahresfrist oder anderen dienstrechtlichen Maßnahmen wurde in der Vergangenheit abgesehen, auch wenn die Frist des § 12 Abs. 2 DRiG teilweise deutlich überschritten war.

Zu Frage 1: In den Jahren 2000 bis 2004 wurden insgesamt 182 Richterinnen und Richter auf Probe zur Richterin bzw. zum Richter auf Lebenszeit ernannt oder in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Staatsanwältin oder Staatsanwalt übernommen. In 132 Fällen (72,5 %) endete das Auswahlverfahren innerhalb der Fünfjahresfrist, in 25 Fällen erfolgte die Ernennung sogar vor oder mit Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist von drei Jahren (§ 10 Abs. 1 DRiG). Insgesamt 50 Auswahlverfahren dauerten länger als fünf Jahre, wobei die Überschreitung in 19 Fällen (10,5 %) unter fünf Jahren und sechs Monaten lag, und in 31 Fällen (17,0 %) die Lebenszeiternennung nach diesem Zeitraum noch nicht erfolgt war. Die Einzelheiten zu den Ernennungen nach mehr als fünfjähriger Probezeit ergeben sich aus der beigefügten Tabelle.

Zu Frage 2: Am 1. März 2005 befinden sich insgesamt fünfzehn Proberichterinnen und Proberichter im rheinland-pfälzischen Justizdienst, deren Berufung in das Richterverhältnis ­ unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 2 Satz 2 DRiG ­ mehr als fünf Jahre zurückliegt. Drei von ihnen werden in den nächsten Tagen bzw. Wochen ihre Ernennungsurkunden erhalten. Im Jahre 2005 werden bedarfsgerecht Planstellen ausgeschrieben, um den Ernennungsanspruch nach § 12 Abs. 2 DRiG zu erfüllen. Die Bewerbungssituation und der Ausgang der förmlichen Auswahlverfahren bleibt abzuwarten.

Zu Frage 3: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Gründe sind erfolglose Bewerbungen, Zuwarten auf eine Planstelle an einem bestimmten Gericht oder einer bestimmten Staatsanwaltschaft sowie gesundheitliche Einschränkungen.

Zu Frage 4: Es liegt nicht im Belieben einer Richterin oder eines Richters auf Probe, die Annahme einer Planstelle als Richter oder Staatsanwalt unbeschränkt hinauszuschieben.

Zu Frage 5: Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu 1 und 3 wird verwiesen. Planstellen werden bedarfsgerecht ausgeschrieben.

Zu Frage 6: Richter auf Probe haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie Richter auf Lebenszeit. Sie genießen sachliche Unabhängigkeit, sind aber in ihrer persönlichen Unabhängigkeit ­ Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit ­ nicht in gleicher Weise wie im Richteramt auf Lebenszeit abgesichert. Sie können ohne ihre Zustimmung bei einem Gericht, einer Behörde der Gerichtsverwaltung oder bei der Staatsanwaltschaft verwendet werden. Nach Ablauf von vier Jahren ist allerdings eine Entlassung aus dem Proberichterverhältnis nicht mehr möglich (§ 22 Abs. 1 und 2 DRiG). Soweit das Richterrecht keine besonderen Vorschriften enthält, gelten für sie die Bestimmungen des Beamtenrechts über Beamte auf Probe entsprechend, insbesondere hinsichtlich der Versorgung. Die Dauer der Probezeit kann sich bei Personalentscheidungen auswirken, die auf das allgemeine Dienstalter abstellen.

Dieses berechnet sich nach dem Zeitpunkt der Lebenszeiternennung.

Zu Frage 7: Die im Landesrichtergesetz vorgeschriebene Vergabe von Planstellen in einem förmlichen Auswahlverfahren unter Anwendung des Grundsatzes der Bestenauslese soll auch bei Lebenszeiternennungen beibehalten werden. Im Justizhaushalt sind ausreichend Planstellen ausgebracht, die auch bedarfsgerecht ausgeschrieben werden. Persönliche Umstände sollen im Rahmen des Möglichen und Zulässigen auch weiterhin bei Lebenszeiternennungen Berücksichtigung finden. Zwangsernennungen auf freien Planstellen, Zuweisung einer staatsanwaltschaftlichen statt der begehrten richterlichen Planstelle oder andere dienstrechtliche Maßnahmen sollen auch künftig möglichst vermieden werden.