Jugendamt

Dieser Vermerk ist sowohl mit einem handschriftlichen als auch kursiv gedruckten Zusatz versehen, der lautet: „Zu einem späteren Zeitpunkt wird diese Forderung auf eine Klingel in einem Zimmer neben dem Dienstzimmer reduziert." 414)

Den Vermerk ohne den besagten Zusatz hatte die Zeugin Frau Krückels zunächst im Entwurf der Zeugin Frau Eisele als der zuständigen Referentin innerhalb des Landesjugendamts vorgelegt und mit ihr abgestimmt 415). Der Vermerk mit Zusatz ist der Aussage der Zeugin Frau Krückels zufolge den mit der Angelegenheit befassten Referaten im Sozial- und Justizministerium zugeleitet worden, ohne dass sich von einer Seite Widerspruch geregt hätte 416). Tragender Aspekt für den angebrachten Zusatz war der Aussage der Zeugin Frau Krückels zufolge, dass dem Charakter der Gruppe als einer Einrichtung der Jugendhilfe auch in Abgrenzung zur Untersuchungshaft Rechnung getragen werden sollte 417).

Der Aussage des Zeugen Pandel zufolge hätte das Ministerium der Justiz einen nächtlichen Einschluss der Jugendlichen zwar für sinnvoll erachtet und hatte auch einen anders lautenden Vorschlag unterbreitet; von einer Intervention sei dennoch im Hinblick auf die Formulierung des Rahmenkonzepts abgesehen worden, nach der freiheitsentziehende Maßnahmen nur insoweit in Betracht kommen, als sie nach den Regeln der Jugendhilfe sozialpädagogisch begründet sind, was auch mit der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 2 Satz des Jugendgerichtsgesetzes korrespondiere, der besagt, dass die Unterbringung nach den Regeln des Heims zu erfolgen hat418). Ungeachtet der insoweit widersprüchlich gebliebenenAussagen hinsichtlich des konkreten Zeitpunkts, zu dem definitiv festgestanden hat, dass ein genereller nächtlicher Einschluss der Jugendlichen nicht erfolgen würde, haben die Bekundungen der Zeugen ergeben, dass auf einen Nachteinschluss in Kenntnis und auch mit Billigung der an der Umsetzung des Projekts beteiligten Ministerien und des Landesjugendamts wie in Stutensee verzichtet worden war.

d) Weitere Sicherungsvorkehrungen baulicher Art

Der von der Zeugin Frau Stein zur Zusammenfassung der Ergebnisse der Sitzung vom 16. Juli 2003 gefertigte Vermerk bezeichnet als anstehende Maßnahmen auch mehrere baulich zu verwirklichende Sicherungsmaßnahmen, wie die Sicherung aller Fenster einschließlich der Maueröffnungen mit Glasbausteinen durch Gitter, die Absicherung der Oberlichter der Türen durch Stahlrahmen mit Blecheinsatz, Türschließanlangen mit so genannter Insassenschließung, Brandschutztüren sowie zuletzt verschiedene Maler- und Verputzarbeiten 419). Zugleich sind in dem Vermerk für eine Brandschutzanfrage und einen Antrag auf Nutzugsänderungen Fristen vorgesehen 420).

Zu dem Punkt „Türschließanlagen mit Insassenschließung per Drehknopf in den Zimmern" hatte die Zeugin Frau Stein in ihrem Vermerk noch ergänzend ausgeführt, dass die Zimmer von außen mit einem Schlüssel abschließbar sind, die Jugendlichen den Schlüssel erhalten, diese sich nachts einschließen können, jedoch nicht von außen in den Zimmern eingeschlossen werden421). Der Zeuge Gutmann hat in seiner Vernehmung zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass der Begriff der „Insassenschließung" im Strafvollzug mit einer festen Bedeutung besetzt und im Ergebnis vergleichbar ist mit einer sich an der Türinnenseite befindenden Klinke und einem an der Außenseite angebrachten Knauf, der einen Zutritt von außen nur für das Personal ermöglicht 422) .

Ein solches System ist der Aussage des Zeugen Gutmann zwar angeregt, sei jedoch von Seiten der Heimleitung nicht weiter aufgegriffen worden. Der Zeuge Gutmann hatte ferner eine Erneuerung der veralteten Türschließanlage empfohlen 423). Bestätigt wird dies durch die Aussage der Zeugin Frau Stein, die in ihrer Vernehmung von einer einvernehmlichen Vereinbarung sprach, nach welcher die „Zimmertüren der Jugendlichen mit Türschließanlagen" versehen werden sollten 424) .

Nach dem Vermerk der Zeugin Frau Stein war für Ende September eine weitere Besichtigung durch das Justizministerium vorgesehen 425). Diese war in der Folge auf den 9. Oktober 2003 verlegt worden 426).

414) 6. Sitzung, Protokoll S. 39.

415) 6. Sitzung, Protokoll S. 39.

416) 6. Sitzung, Protokoll S. 39.

417) 6. Sitzung, Protokoll S. 32.

418) 6. Sitzung, Protokoll S. 80; 8. Sitzung, Protokoll S. 78. Zuvor war der Stand der baulichen Umsetzung im Rahmen weiterer Sitzungen in der Einrichtung am 16. August und 4. September 2003 abgefragt worden 428).

Im Zeitpunkt der Einrichtungsbegehung am 9. Oktober 2003 waren die baulichen Maßnahmen ­ mit Ausnahme einer Bereichsabschlusstür, die sich in der Anlieferung befand, eines Glassteinfeldes, das aus Brandschutzgründen der Veränderung bedurfte, und des rauchdichten Abschlusses der Zimmertüren ­ umgesetzt 429). Die Erledigung dieser noch ausstehenden Maßnahmen war im zeitlichen Kontext der ersten Belegung der Gruppe am 28. Oktober 2003 der Aussage des Zeugen Gutmann zufolge nachgeholt worden 430). Einige andere bauliche, jedoch nicht unmittelbar sicherheitsrelevante Arbeitsvorgänge, wie das Verlegen von Fliesen, waren bis zur Eröffnung des Projekts noch nicht fertig gestellt 431). VIII. Konzeption des Nachtdienstes und Personalsicherheit

1. Entwicklung und Inhalt der Konzeption

Die Frage der Personalbesetzung und der Organisation des Nachtdienstes war thematischer Mittelpunkt der Arbeitssitzung vom 6. August 2003. An dieser teilgenommen hatten ­ neben den Zeugen Teufel und Vocke ­ die Zeuginnen Frau Porr, Frau Strohkendl, Frau Krückels und Frau Eger.

Der Träger hatte hinsichtlich der Personalausstattung zunächst die Vorstellung, mit 6,5 Fachkräften und einer Hauswirtschaftskraft zu arbeiten und ­ insbesondere aus finanziellen Gründen ­ statt eines Nachtdienstes lediglich eine Nachtbereitschaft einzurichten 432) .

a) Nachtdienst

Nach Diskussion der in Betracht kommenden Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Nachtdienst und Nachtbereitschaft ist vereinbart worden, die weiteren Beratungen zu diesem Punkt zunächst zurückzustellen, um sich einen Überblick insbesondere über die Konzeption des Heinrich-Wetzlar-Hauses in Stutensee zu verschaffen 433).

Zu diesem Zweck hatte am 2. September 2003 ein Informationsbesuch in der Einrichtung Schloss Stutensee stattgefunden, an dem die Zeugin Frau Krückels und die Zeugen Teufel und Vocke teilnahmen. Der Zeuge Weiss, der Leiter der Einrichtung Schloss Stutensee, informierte dabei über die Personalbesetzung zur Nachtzeit, die neben einer pädagogischen Fachkraft in der Nachtbereitschaft zusätzlich aus einer weiteren nicht pädagogisch ausgebildeten Person im Nachtdienst besteht, die sich beide jeweils gegenseitig über ein Funkgerät mit „Totmannstellung" verständigen können 434). Hintergrund für die Einrichtung einer solchen Doppelbesetzung zur Nachtzeit war ein sich im Jahr 1991 ereignender Angriff auf eine Mitarbeiterin, die sich seinerzeit alleine in Nachtbereitschaft befunden hatte, worüber der Zeuge Weiss die Zeugin Frau Krückels sowie die Zeugen Teufel und Vocke ebenfalls informierte 435). In seiner Vernehmung hat der Zeuge Weiss ferner mitgeteilt, dass aushilfsweise auch studentische Hilfskräfte für den Nachtdienst eingesetzt werden, die ­ nach entsprechender Anleitung durch einen der regulären Nachtdienstmitarbeiter ­ ihren Dienst in der Nacht zunächst noch gemeinsam mit der anwesend bleibenden Nachtwache verrichten und sich der Nachtdienst erst später als im Dienstplan eigentlich vorgesehen schlafen legt 436).

Als Ergebnis ihres Besuchs hielt die Zeugin Frau Krückels in einem von ihr verfassten Vermerk vom 4. September 2003

Folgendes fest: „Die Dienstplangestaltung sieht vor: 16.00 bis 24.00 Uhr Dienst, anschließend Nachtbereitschaft von 24.00 bis 7.00 Uhr (= 1,75 Stunden), daran anschließend wieder Gruppendienst von 7.00 bis 13.00 Uhr. Zusätzlich sind wechselweise zwei langjährig tätige Mitarbeiter ohne Fachausbildung, jedoch langjährig tätig, im Nachtdienst von 22.00 bis 7.00 Uhr jeweils eine Woche lang eingesetzt.

Bei der Besichtigung der Räume ist festzustellen, dass die Nachtbereitschaft über ein räumliches Ensemble mit Büro, Schlafbereich und eigenem Sanitärbereich, der zum Flur hin abschließbar ist, verfügt. Der jeweilige Nachtdienst hält sich im Mittelbereich der Gruppe, d. h. im Essensraum, auf.

Als Besonderheit weist Herr Weiss darauf hin, dass grundsätzlich in der Nacht das Zimmer eines Jugendlichen von dem Mitarbeiter nicht alleine betreten wird. Soweit der Jugendliche einen Hilfebedarf signalisiert, der das Betreten des Zimmers erforderlich macht, wird der Nachtdienst die Nachtbereitschaft hinzuziehen, und das Zimmer wird zu zweit betreten.

Diese Regelung wurde getroffen, nachdem eine Mitarbeiterin von einem Jugendlichen mit einer Billardkugel niedergeschlagen worden war."437)

Mit diesem Wissen wurden die Beratungen über die Konzeption des Nachtdienstes im Jugendheim Mühlkopf am 4. September 2003 in einem weiteren Termin in der Einrichtung fortgesetzt. Neben der Zeugin Frau Porr, unter deren federführender Moderation dieses Gespräch stattfand, waren anwesend: die Zeugin Frau Strohkendl, die Zeugin Frau Krückels, der Zeuge Dietrich in Vertretung der Zeugin Eger sowie die Zeugen Teufel und Vocke 439) .

Die Berichterstattung hinsichtlich der bei der Besichtigung der Einrichtung Schloss Stutensee gewonnenen Erkenntnisse hatte überwiegend die Zeugin Frau Krückels wahrgenommen.

In ihrer Vernehmung gab die Zeugin Frau Krückels an, dass sie den von ihr gefertigten Vermerk in der Sitzung nicht verlesen habe und auch die Möglichkeit bestehe, dass sie den zur Einrichtung eines Nachtdienstes führenden Vorfall unerwähnt gelassen habe. Die Zeugin Frau Strohkendl, der das Protokoll über die Besichtigung der Einrichtung Schloss Stutensee nicht zugeleitet worden war, konnte sich in ihrer Vernehmung weder an ein von der Zeugin Frau Krückels mitgeteiltes besonderes Vorkommnis in Stutensee erinnern noch daran, dass die dort zur Nachtzeit eingesetzten Personen über ein Funkgerät mit „Totmannstellung" verfügen 442). Nach Aussage des Zeugen Dietrich sind bei dem Gespräch auch Möglichkeiten technischer Sicherung thematisiert worden, an deren Einzelheiten er sich jedoch nicht mehr erinnern konnte.

Die Zeugin Frau Porr gab unter Bezugnahme auf die am 16. Juli 2003 geführten Gespräche an, dass in dem Beratungsprozess alle Beteiligten jedenfalls im Ergebnis zu der Auffassung gelangt seien, dass die übrigen der im Termin am 16. Juli 2003 vereinbarten Sicherheitsvorkehrungen ausreichend, aber auch notwendig seien.

Eine federführend verantwortliche Dokumentation und einheitliche Protokollierung von Verlauf und Ergebnis der Arbeitssitzung vom 4. September 2003 zu dem Zweck der späteren Information und Verifizierung durch die Beteiligten hatte nicht stattgefunden. Stattdessen fertigten die an der Sitzung Teilnehmenden jeweils eigene Vermerke. Nach Auffassung des Zeugen Vocke habe dem Sozialministerium die Aufgabe der Protokollführung oblegen. Der Zeuge bekundete weiter, ein Protokoll habe er nicht bekommen, wobei er davon ausgegangen sei, dass die Protokolle dem Träger wie auch dem Zeugen Teufel zugeleitet würden. Auch die Zeugin Frau Krückels bekundete, dass sie das Ergebnisprotokoll des Sozialministeriums nicht kenne. Die Zeugin Frau Strohkendl hat in diesem Zusammenhang betont, dass die wichtigsten Ergebnisse der Gespräche dadurch dokumentiert wurden, dass am Ende der Gesprächsrunde alle mit der Leistungsbeschreibung einverstanden waren; die Leistungsbeschreibung sei damit das Ergebnis des Gesprächs450).

Im Rahmen der sich anschließenden Verhandlungen war im Ergebnis jedenfalls einvernehmlich festgelegt worden, dass für die Gruppe im Jugendheim Rodalben eine pädagogische Fachkraft im Nachtdienst eingesetzt wird, die ­ in Anbetracht der für das Aufsichtspersonal gerade zur Nachtzeit bestehenden, gesteigerten Gefahrenlage ­ die Möglichkeit haben sollte, die Nachtbereitschaften der beiden anderen bereits vorhandenen geschlossenen Gruppen im Krisenfall hinzuzuziehen. Zudem sollte ein Hintergrunddienst mit Leitungskompetenz eingerichtet werden, um in Krisensituationen eine kurzfristige Intervention sicherstellen zu können.