Jugendstrafanstalt

Ungeachtet dessen ist er seiner Aussage nach darauf bedacht gewesen, die Räumlichkeiten der Gruppe auch wohnlich zu gestalten, um das Projekt bewusst von Verhältnissen einer Jugendstrafanstalt abzugrenzen 513). Im Hinblick auf etwaiges Gefahrenpotenzial oder Verletzungsrisiko sollten ­ so der Zeuge Teufel weiter ­ nur diejenigen Gegenstände entfernt werden, die in einem spontanen Aggressionsausbruch als Waffe hätten eingesetzt werden können 514).

b) Auf den Tag der offenen Tür vom 4. Oktober 2003 folgte am 9. Oktober 2003 eine weitere Einrichtungsbesichtigung in Rodalben.

In ihrer Vernehmung bekundete die Zeugin Frau Krückels, sie habe im Rahmen des stattfindenden Rundgangs durch die Räumlichkeiten festgestellt, dass sowohl der Messerblock als auch das Klangspiel und die Papierkörbe unverändert noch vorhanden gewesen waren 515). Daraufhin habe sie den Zeugen Teufel erneut aufgefordert, den Messerblock zu entfernen und künftig unter Verschluss zu halten, was dieser ihr auch zugesagt habe 516).

Dass sich der Messerblock auch am Tag des 9. Oktober 2003 noch in der Küche befand und auch von der Zeugin Krückels moniert wurde, wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen Gutmann, der bekundet hat, er habe dem Zeugen Teufel gegenüber mitgeteilt, dass der Messerblock dort nichts zu suchen habe 517). Diese Rüge ­ so der Zeuge Gutmann weiter ­ habe die Zeugin Frau Krückels noch während des Rundgangs aufgegriffen und in einer sich an die Besichtigung anschließenden Gesprächsrunde nochmals unter Einbeziehung auch anderer verletzungsgeeigneter Gegenstände thematisiert 518) .

Auch die Zeugen Pandel, Frau Strohkendl und Frau Porr bekundeten übereinstimmend, der Zeuge Teufel sei anlässlich der Einrichtungsbesichtigung am 9. Oktober 2003 von der Zeugin Frau Krückels zur Beseitigung des Messerblocks aufgefordert worden519). Diese waren ebenso wie die Zeugin Frau Krückels davon ausgegangen, dass der Zeuge Teufel den Messerblock angesichts der ihm obliegenden Aufgabe und der von ihm zu tragenden Verantwortlichkeit auch tatsächlich entfernen würde520). Vor diesem Hintergrund war Anlass für eine nochmalige Überprüfung nicht gesehen worden, auch und gerade unter Berufung auf die Abgrenzung der Verantwortungs- und Aufgabenbereiche 521).

c) An dem am 18. November 2003 in der Einrichtung stattfindenden Fortbildungs- und Begegnungstag hatten die Zeuginnen festgestellt, dass sich der Messerblock nicht mehr in der Küche befand, sondern in einem Zimmer unter Verschluss gehalten wurde 522). Das Klangspiel war jedoch ebenso wenig entfernt worden wie die Papierkörbe, was von den Zeuginnen Frau Eisele und Frau Krückels gegenüber dem Zeugen Teufel nochmals moniert wurde 523).

Von der Androhung von Konsequenzen und einer Fristsetzung zur Abhilfe war abgesehen worden, um die auf Kooperation angewiesene Beratungsfunktion im partnerschaftlichen Miteinander nicht zu beeinträchtigen524). Darüber hinaus gewann die Zeugin Frau Krückels wegen des nunmehr entfernten Messerblocks auch den Eindruck, dass von einer sich verbessernden Konsequenz im Handeln ausgegangen werden könne, wie auch der gesamte Fortbildungs- und Begegnungstag in ihrer Wahrnehmung deutlich gemacht habe, dass das Personal sicherheitsgefährdende Aspekte mit Sensibilität zur Kenntnis nahm 525). Ungeachtet dessen war von der Zeugin Frau Krückels Gesprächsbedarf mit Träger und Heimleitung gesehen worden, der zeitnah nach dem 18. November 2003 hätte umgesetzt werden sollen 526).

2. Würdigung

Der wiederholte Hinweis von Mitarbeitern des Landesjugendamtes gegenüber der Heimleitung auf gefährliche Gegenstände und das Drängen darauf, diese zu entfernen bzw. unter Verschluss zu nehmen, belegt, dass das Landesjugendamt im Rahmen seiner Beratungsfunktion den Fragen der Sicherheit sowohl der untergebrachten Jugendlichen ­ was zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört ­ als auch darüber hinaus der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung zu Recht. Die Trägerautonomie lässt es aber auch in diesem Bereich ganz weitgehend nicht zu, der Heimleitung konkrete Weisungen zu erteilen, die unmittelbar durchsetzbar wären, oder an die im Falle der Nichtbeachtung unmittelbare Konsequenzen geknüpft werden könnten. Der Ausschuss empfiehlt allerdings, grundlegende Hinweise an die Einrichtung auch nach einem Besuch schriftlich zu fixieren und dem Einrichtungsträger zur Beachtung zuzuleiten.

Dies sollte seitens des Landesjugendamtes zumindest dann geschehen, wenn einem Hinweis nicht unmittelbar Folge geleistet wird oder im Einzelfall ­ etwa im Hinblick auf zeitliche Abläufe ­ nicht unmittelbar Folge geleistet werden kann.

3. Meldung des Personals an das Landesjugendamt

a) Betriebserlaubnis und Bedeutung von Meldepflichten

Die Betriebserlaubnis enthält den „Allgemeinen Hinweis", dass der Wechsel der Leitungs- und Betreuungskräfte unverzüglich zu melden ist und zusätzlich Meldepflichten zum 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres bestehen, wobei letztere auf gesetzlicher Grundlage beruhen 527).

Die Meldepflichten dienen der Aussage der Zeugin Frau Eisele zufolge dazu, dem Landesjugendamt eine Kontrolle über das beschäftigte Einrichtungspersonal zu ermöglichen, für welches das Landesjugendamt zu prüfen hat, ob es formal den Kriterien des Fachkräftegebots der Jugendhilfe entspricht 528). Vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachkräftegebots besteht für das Landesjugendamt nach Aussage der Zeugin Frau Eisele auch keine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, ob ein Sozialpädagoge, ein Erzieher oder ein Sozialarbeiter eingestellt wird 529). Die Prüfung der persönlichen Eignung obliegt nach Aussage der Zeugin Frau Eisele demgegenüber dem Träger.

b) Fortbildungs- und Begegnungstag in der Einrichtung am 18. November 2003

Am 18. November 2003 fand auf Initiative des Landesjugendamts in der Einrichtung des Jugendheims ein Fortbildungsund Begegnungstag statt. Aus Sicht des Landesjugendamts hatte dieser Tag dazu gedient, sich einen persönlichen Eindruck und Überblick über das Personal zu verschaffen und bei diesem Fortbildungsbedarf sowie die jeweiligen Erwartungen zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt waren von den vorgesehenen 8,5 Stellen insgesamt 7,5 Stellen besetzt 531).

Nach dem Willen des Landesjugendamts hätte der Fortbildungs- und Begegnungstag bereits einige Wochen vor dem 18. November 2003 stattfinden sollen, was sich jedoch als nicht durchführbar erwiesen hatte, nachdem der Träger ebenfalls auf Anregung des Landesjugendamts für das Einrichtungspersonal die Absolvierung eines länger dauernden Anti-Gewalt-Trainings vorgesehen hatte 532).

Im Rahmen dieser am 18. November 2003 stattfindenden Veranstaltung hatten die Zeuginnen Frau Krückels und Frau Eisele ihren ­ ursprünglichen ­ Einlassungen zufolge erstmals festgestellt, dass das in der Gruppe eingesetzte Personal von den ihnen zuvor gemeldeten Personen abwich.

Die Zeuginnen Frau Krückels und Frau Eisele hatten ursprünglich bekundet, dass die Personalbögen dem Landesjugendamt am Tag des 18. November 2003 noch nicht komplett vorgelegen hätten; vollständige Kenntnis über das Betreuungspersonal hätten sie ­ nach der damaligen Einlassung der Zeuginnen ­ erst durch eine von dem Jugendheim übersandte Übersicht erhalten, aus der dann letztlich hervorgegangen sei, wer für die Teilnahme an dem Fortbildungs- und Begegnungstag konkret vorgesehen gewesen war.

Nach ursprünglicher Darstellung der Zeugin Frau Krückels seien dem Landesjugendamt zum 18. Oktober 2003 insgesamt sieben Beschäftigte gemeldet gewesen; für zwei dieser Mitarbeiter, deren Einstellung zum 1. beziehungsweise 16. Oktober 2003 erfolgte und unter denen sich auch die später zum Opfer gewordene Christina Knoll befand, hätten noch die Personalbögen gefehlt, die erst in dem Termin am 18. November 2003 ausgehändigt worden seien535). Der Personalbogen habe zudem auch noch für eine weitere Mitarbeiterin gefehlt, deren Einstellung jedoch erst zum 1. November 2003 erfolgt war 536). Ausweislich der Akten ist jedenfalls der Personalbogen von Christina Knoll am 4. November 2003 bei dem Landesjugendamt eingegangen und dort auch von der Zeugin Frau Krückels abgezeichnet worden. Sitzung, Protokoll S. 4; 10. Sitzung, Protokoll S. 116 f. November 2003 wird bestätigt durch die Aussage der Zeugen Teufel und Vocke. Der Zeuge Teufel, der vor seiner Vernehmung bei dem Zeugen Vocke Nachfrage gehalten hatte, bekundete, die vollständigen, mit Personalbögen versehenen Unterlagen seien bereits am 15. Oktober 2003 an das Landesjugendamt versandt worden 538). Auf Nachfrage erklärte der Zeuge Teufel, er habe den Zeugen Vocke im Vorfeld seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss gebeten, nachzuforschen, wann die Personalbögen dem Landesjugendamt zugeleitet wurden, woraufhin der Zeuge Vocke ihm mitgeteilt habe, es sei der 15. Oktober 2003 gewesen 539). Der Zeuge Vocke sagte aus, er glaube sich daran erinnern zu können, dass der Personalbogen von Frau Christina Knoll nach dem 1. Oktober 2003 an das Landesjugendamt versandt worden sei.

Die Zeugin Frau Krückels bekundete, dass die Anwesenheit von Christina Knoll jedenfalls erst am 18. November 2003 von ihr registriert worden sei.

Darüber hinaus hatte das Jugendheim die Beschäftigung auch einer Hauswirtschaftskraft in der Gruppe vorgesehen, die an dem Studientag ebenfalls hätte teilnehmen sollen, obgleich das Landesjugendamt sich zuvor dafür ausgesprochen hatte, dass das Erziehungspersonal den Alltag mit den Jugendlichen vollständig gestaltet und diese Aufgabe nicht teilweise an eine Hauswirtschaftskraft delegiert wird 542).

c) Würdigung

Die Beschäftigung qualifizierten Personals ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren einer Einrichtung der Jugendhilfe zur Untersuchungshaftvermeidung. Die Qualifikation der Mitarbeiter hat auch unmittelbar Bedeutung für den Grad an Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Jugendlichen. Zu Recht enthält die Betriebserlaubnis für das Jugendheim Mühlkopf vom 1. Oktober 2003 daher die Nebenbestimmung, wonach die Betreuung der Jugendlichen durch ausreichend qualifiziertes Personal (fachliche und persönliche Eignung) sicherzustellen ist.

Die Überprüfung dieser Vorgabe durch das Landesjugendamt ist aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben jedoch nur eingeschränkt möglich. Sie beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob das beschäftigte Einrichtungspersonal formal den Kriterien des Fachkräftegebots der Jugendhilfe entspricht. Die Prüfung der persönlichen Eignung obliegt demgegenüber dem Träger der Einrichtung. Diese Unterscheidung ist wesentlich und im Ergebnis der Trägerautonomie geschuldet. Vor diesem Hintergrund ist es für die Beurteilung des konkreten Falles auch ohne Belang, dass einzelne Personalbögen von der Einrichtung erst mit deutlicher Verzögerung dem Landesjugendamt zugeleitet wurden. Die Einstellung der Christina Knoll wäre zu Recht nicht beanstandet worden, da sie formal die Kriterien des Fachkräftegebots der Jugendhilfe erfüllt hat. Diese Frage muss getrennt werden von der Beurteilung, ob ihr durch Verantwortliche der Einrichtung vorgegebener Einsatz zur Nachtzeit vertretbar war (dazu sogleich unten unter B. XIV. 6.). Unabhängig davon sollte es aber in der Regel so sein, dass die Einrichtungen ihre Personalbögen zeitnah, d. h. möglichst in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Einstellung, dem Landesjugendamt übersenden, damit die Einhaltung der formalen Kriterien effektiv überprüft werden kann.

4. Die Rekrutierung des Personals durch die Einrichtung im Kontext der Beratung durch das Landesjugendamt

a) Betriebserlaubnis

Die von dem Landesjugendamt erteilte Betriebserlaubnis enthält die Bedingung, dass „die Betreuung der Jugendlichen durch ausreichend qualifiziertes Personal (fachliche und persönliche Eignung)" sicherzustellen ist 543) .

Die Bestimmung knüpft hinsichtlich der fachlichen Eignung an das Fachkräftegebot der Jugendhilfe an, nach welcher der Träger gehalten ist, Fachpersonal einzustellen 544). Die Aufnahme dieser für das Personal geltenden Anforderungen war dabei in der Motivation erfolgt, einen Merkposten zur Verdeutlichung der Verantwortung des Trägers zu formulieren 545). Die Festschreibung der Qualifikation des Personals korrespondierte zugleich mit der zugrundeliegenden Konzeption, nämlich

­ neben baulicher ­ auch pädagogische Geschlossenheit in Form eines eng strukturierten Alltags umzusetzen, wozu es engmaschiger Betreuung und intensiver pädagogischer Betreuung bedurfte 546).

538) 6. Sitzung, Protokoll S. 108.

539) 6. Sitzung, Protokoll S. 108.

540) 6. Sitzung, Protokoll S. 116 f.

541) 10. Sitzung, Protokoll S. 99.

542) 6. Sitzung, Protokoll S. 7.

543) 7. Sitzung, Protokoll S. 22.

544) 6. Sitzung, Protokoll S. 4.

545) 6. Sitzung, Protokoll S. 23.

546) 6. Sitzung, Protokoll S. 5 f.