Die pädagogische Arbeit muss über Verwahrung hinaus Perspektiven vermitteln

Insbesondere ist eine professionelle Beurteilung der Flucht- und Eskalationsgefahr anhand lebensgeschichtlicher und zukunftsorientierter Risikofaktoren geboten.

Die pädagogische Arbeit muss über Verwahrung hinaus Perspektiven vermitteln. Ein engmaschiges tagesfüllendes Betreuungsangebot entfaltet aggressionshemmende Wirkung. Die Voraussetzungen hierfür sind im Vorfeld sicherzustellen. Entscheidend ist, nur Personal einzusetzen mit Fähigkeiten und Erfahrung zur Bewältigung der umfassenden und komplexen Aufgaben. Einschlägige Berufserfahrung ist dabei unabdingbar. Entsprechenden Anforderungen müssen Betriebserlaubnis und Qualitätssicherung gerecht werden. Es wurde als erforderlich dargestellt, neue oder neu eingesetzte Fachkräfte zunächst mehrere Wochen lang nicht alleine Betreuungen übernehmen zu lassen, sondern sie intensiv einzuarbeiten. Die Arbeit muss in professioneller Distanz erfolgen, um Beobachtungs- und Bewertungsaufgaben zuverlässig gerecht werden zu können, Beeinflussungsstrategien gewachsen zu sein und vorausschauende Gefahrenbewertung betreiben zu können.

Die Notwendigkeit, Personal zu schützen, steigt mit dem Grad des Abschlusses der Einrichtung nach außen. Bauliche Sicherungsmaßnahmen machen pädagogische Sicherungs- und Ausbruchsvermeidungsbeiträge nicht entbehrlich, die durch rechtzeitiges Erkennen von Risiken und durch nachhaltige Einbindung aller Beteiligten und Betroffenen oder Perspektiveröffnung geleistet werden. Unbeschadet dessen bedarf es unverzichtbar eines zuverlässigen Personalschutzes, der ohne Infragestellung pädagogischer Arbeit in Form geeigneter personeller Besetzung und Vernetzung sowie zuverlässiger Notfallvorkehrungen geboten ist. Wenn man auf baulich-technische Sicherheit nicht verzichten will oder kann, steht das Personal nach mehrfacher Experteneinschätzung dem erheblichen Freiheitsdrang Jugendlicher im Weg. Deshalb müssen insbesondere die Erzieher geschützt werden, primär in der besonders kritischen Nachtzeit.

Sicherheitsvorkehrungen sind nicht isoliert und separiert zu gestalten, sondern in das Einrichtungskonzept zu integrieren. Bauliche Sicherheit und Arbeitsumfeld müssen harmonieren. Äußere Sicherheitselemente können zu zusätzlichem inneren Sicherungsbedarf führen. Vorkehrungen zur Sicherheit der Fachkräfte und Maßnahmen baulicher Entweichungssicherheit müssen dabei aufeinander abgestimmt sein mit Blick auf vor allem nächtliche Gefährdung des Personals, das in Kontakt zu den Jugendlichen tritt. Hier wurden ein doppelt besetzter Nachtdienst, zuverlässige personelle Kommunikationsstrukturen und mobile, alarmauslösende Elemente als Selbstverständlichkeiten dargestellt, ebenso ein möglicher Einzeleinschluss nachts.

In der Anhörung wurde die Notwendigkeit einer wirksamen und nachhaltigen Qualitätssicherung betont, die auf die pädagogische Fundierung des Projekts und die Wahrung der Sicherheitsbelange achten muss. Die öffentliche Jugendhilfe muss ihrer Qualitätssicherungsaufgabe nach SGB VIII gerecht werden und ihre Prüfungs- und Beratungsfunktion wahrnehmen. Es ist nicht vertretbar, einen erstmaligen Betrieb eines UHV-Projekts quasi sich selbst zu überlassen. Dies gilt zumal, wenn der öffentliche Jugendhilfeträger das Projekt initiiert, den Träger auswählt, bei der Konzeption beteiligt ist, weil er dadurch besondere Verantwortung übernimmt.

Begleit- und Wirkungsforschung und Dokumentation sind von Anfang an unabdingbare Bestandteile der Arbeit in einem gerade neu etablierten UHV-Projekt. Der Einsatz psychologischen Fachpersonals wurde als empfehlenswert dargestellt.

Insgesamt ist es kontraproduktiv, einen Dualismus zwischen Jugendhilfe und Justiz aufzumachen und Verantwortlichkeiten separierend zuzuordnen, also z. B. Sicherheit und Pädagogik einander gegenüberzustellen. Einrichtungen und Projekte zur Untersuchungshaftvermeidung sind Einrichtungen und Projekte sui generis, mit originärem Auftrag und originären Anforderungen an integrierte Verantwortung, integriertes Arbeiten und integrierte Lösungen. Das sind die Maßstäbe, die für das UHV-Projekt in Rheinland-Pfalz hätten gelten müssen. An ihnen wird auch die künftige Arbeit gemessen.

2. Erkenntnisse: Die Geschichte des Projekts erklärt sein Scheitern

Die Übereinkunft des damaligen Justizministers Peter Caesar und der damaligen Sozialministerin Ursula Hansen vom 14. März 1988 hatte sich bei Heimunterbringung statt Untersuchungshaft als Kriterium für die Wahl der Einrichtung neben den Möglichkeiten von Bildung und Erziehung auf die nach Lage des Falles erforderlichen Sicherungen und Vorkehrungen verständigt, die ein Entweichen unwahrscheinlich machten (4, 5). Als Arbeitsgrundlage war dies ein Fortschritt gegenüber der vormals ungeklärten Sachlage und für diesen Zeitpunkt angemessen und ausreichend.

Allerdings war die Umsetzung schon wenig später als gescheitert anzusehen (4, 25).

Fehlentwicklungen: Blockaden und vertane Chancen erzeugten Stillstand

Insbesondere lag das an veränderten Einstellungen und Erwartungen ab 2002/2003, an veränderten Einstellungen bei den Einrichtungsträgern mit der Folge gewandelter Konzeptionen nach dem neuen SGB VIII und anderer Ziel- und Zielgruppenvorstellungen (4, 62), die die Aufnahmebereitschaft minderten (4, 12), vor allem aber an veränderten Erwartungen der Justiz, die zu109

Hinweis der Landtagsverwaltung:

Die erste Ziffer der Verweisung bezeichnet die jeweilige Sitzung des Untersuchungsausschusses UA 14/1, die nachfolgenden Ziffern verweisen auf die jeweilige/n Seite/n des Protokolls.

Drucksache 14/4120 Landtag Rheinland-Pfalz - 14. Wahlperiode nehmend die fast ausschließlich offenen Angebote ablehnte und praktisch nur noch geschlossene Unterbringung nachfragte (4, 6, 11). Das widersprach dem Angebotsprofil (4, 10) und entzog der Vereinbarung bereits Anfang der 90er-Jahre praktisch die Grundlage. In der realen Umsetzung wurde diese somit bereits 1992 als gescheitert angesehen (4, 11, 13, 63).

Eine Empfehlung für Mühlkopf ergab sich aus der Erfahrung nicht

Als problematisch war damals das Jugendheim Mühlkopf einzuordnen, fiel es doch Mitte der 90er-Jahre durch gehäufte Entweichungen in Verbindung mit Straftaten auf (4, 64). Das war nicht der einzige Kritikpunkt. Jedenfalls wurden Mitte 1996 deutliche Versäumnisse beim Träger und der Aufsicht durch das LJA festgestellt (5, 21), auch wenn sich der Zeuge Staatssekretär Dr. Auernheimer daran nicht erinnern wollte (5, 16) und dies für irrelevant für die Standortentscheidung 2003 ansah (5, 21). Eine Empfehlung als Standort für das UHV-Projekt konnte sich daraus nicht ergeben. Es gab also in Rheinland-Pfalz praktisch kein Heim mehr, das zur Aufnahme von Jugendlichen zur UHV entsprechend den Anforderungen der Justiz bereit war und als geeignet angesehen wurde (4, 63, 94). Angesichts der Auslastung auch benachbarter UHV-Einrichtungen wie Schloss Stutensee in Baden-Württemberg wurde es also notwendig, in Rheinland-Pfalz selbst ein neues Angebot zu schaffen, das geeignet war, den vorhandenen Bedarf zu decken, und sicherstellte, dass der Auftrag des JGG nicht leer lief.

Mit Konfrontation statt Kooperation hielt die Landesregierung Entwicklungen auf

Trotz endlicher Verankerung eines Auftrages in der Koalitionsvereinbarung von 1996 (4, 2) standen der Realisierung grundsätzliche und nachhaltige politische Differenzen zwischen den für Justiz und für Jugendhilfe zuständigen Ministerien entgegen, die weder die Koalition ausräumte, noch der Ministerpräsident bereinigte. Die Sicherung des Strafverfahrens und die Erziehung junger Menschen wurden als sich entgegenstehende Wertprioritäten angesehen, die nicht zusammenzuführen schienen (4, 6). In der Zeugenvernehmung wurde insoweit von Dauerauseinandersetzungen gesprochen. Damit wurden Ergebnisse blockiert und es ging Zeit verloren, statt sie zur Entwicklung neuer Konzepte zu nutzen. Die Jugendhilfeeinrichtungen wollten die Unterbringung nach ihren Regeln offen durchführen, die Justiz war nicht bereit, Angebote ohne geschlossene Settings anzunehmen (4, 25). Dem entsprachen die Positionen der Ministerien. Die Differenzen gingen so weit, dass sogar die praktisch alleinige Unterbringungsmöglichkeit Schloss Stutensee vom Jugendhilfeministerium wegen gefängnisähnlichen Charakters kritisiert wurde (4, 13), während das Justizministerium (JM) diese als vorbildlich empfand. Das JM nahm ideologisch völlig unterschiedliche Auffassungen der beteiligten Ressorts über das, was notwendig ist, wahr (4, 77). Die Diskussion mutete uferlos an, die Angelegenheit erschien verfahren (4, 78).

Eine UHV-Landeseinrichtung wurde verhindert (Vertane Chancen I, 1996)

So blieb der Vorstoß von Staatsminister Caesar aus 1996 chancenlos, eine Landeseinrichtung zur Vermeidung von Untersuchungshaft zu schaffen. Vordergründig wies diesen das für Jugendhilfe zuständige Ministerium mit dem Hinweis auf Kostengründe zurück (4, 18, 29), tatsächlich maßgeblich war aber hierfür die grundsätzliche Abneigung von Staatsministerin Götte und ihres Ministeriums gegen geschlossene Heimplätze zur Vermeidung von Untersuchungshaft und ihr ausschließliches und unnachgiebiges Bestehen auf offenen Angeboten (4, 64), obwohl Staatsminister Caesar seinerseits gar keinen „Kinderknast" im Sinne einer Justizvollzugsanstalt anstrebte, sondern es ihm wie auch seinem Nachfolger Staatsminister Mertin primär auf bauliche Elemente zur Gewährleistung höherer Entweichungssicherheit ankam (4, 94, 98). Aber die Fronten waren verhärtet, Ideologie und Dogmen machten eine Annäherung nicht möglich (4, 95). Das nahm auch Staatsminister Mertin so wahr (4, 96). So scheiterte das Projekt Landeseinrichtung, wo dies doch zunächst die einzige Alternative angesichts der ebenfalls geschlossene Plätze ablehnenden freien Träger war. Staatsministerin Götte lehnte ein geschlossenes Landes-Heim zur UHV auch öffentlich ab (4, 2). Sie hielt die Forderung danach übereinstimmend mit der Meinung ihres Hauses (4, 8, 10) für populistisch. Für sie war nach Presseberichten ein solches Heim als Jugendgefängnis anzusehen (4, 3). Die freien Träger waren ohnehin nicht bereit, die geforderten geschlossenen Plätze zu schaffen. Das entsprach der Haltung der Staatsministerin (4, 28, 43). Die Positionen waren unvereinbar.

Dem für Jugendhilfe zuständigen Ministerium fiel es aufgrund seiner federführenden Zuständigkeit leicht, Initiativen des JM abzuwehren, schließlich kam nur eine Einrichtung der Jugendhilfe in Betracht, auch wenn es sich um einen öffentlichen Träger handelte. Das JM konnte die Einrichtung also nicht in eigener Regie etablieren. Darin bestand ein zentrales Blockadeinstrument des Jugendhilfe-Ministeriums, das auch ausgiebig genutzt wurde. Gerade ein Landesprojekt hätte die Möglichkeit geboten, ein eigenes Konzept ohne Einflussnahme von dritter Seite zu entwickeln. Die damit verbundenen Vorteile konnten jedoch wegen Uneinigkeit der Ministerien nicht genutzt werden. Diese Chance wurde somit vertan.

Das Projekt „esd" wurde voreingenommen blockiert (Vertane Chancen II, 2001)

An unterschiedlichen Positionen von Justiz- und Jugend- bzw. später Sozialministerium scheiterte auch die Bereitschaft des Vereins für Erziehungshilfen und sozialpädagogische Dienste (esd), Plätze zur UHV einzurichten.

Von Anfang bis Herbst 2001 führte das JM Gespräche mit dem esd, als deren Ergebnis ein Konsens erzielt wurde (4, 56), der aber wegen Federführung des für Jugendhilfe zuständigen Ministeriums nicht alleine zu realisieren war. Das JM favorisierte das esdProjekt (4, 65). Aber nach Auffassung des esd schien es im für Jugendhilfe zuständigen Ministerium nicht gewollt zu sein (4, 65). Grund waren Vorbehalte gegen die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen trotz politisch gewollter Entweichungssicherheit gemäß Koalitionsvereinbarung. Gespräche, die im JM zu Einigung geführt hatten, wurden mit dem Sozialministerium als schwierig empfunden (4, 60). Im SWR nannte esd-Vorstand Anne Lipps am 25. Mai 2004 zwei Nachtbetreuungen und einen nächtlichen Einschluss als auch für den Personalschutz wichtige Konzeptbestandteile und vermutete, dass das Konzept nicht akzeptiert wurde, weil man (vermeintlich zu sehr) auf Sicherungsmaßnahmen Wert gelegt habe, obwohl dies konzeptionell untermauert worden sei.

Daran scheiterte das esd-Projekt im Ansatz, obwohl es eine vielversprechende Möglichkeit war, freie Trägerschaft und Sicherheitsbewusstsein in unbefangener Konzeption zu verbinden. Es war der andere Denkansatz, der die Vorstellungen des esd inkompatibel mit den Anforderungen des MKJFF, später MASFG, machte. Auch diese Chance wurde nicht genutzt und das hatte wesentlich dieses Ministerium zu verantworten. Es war bezeichnend, dem esd schon aufgrund seines Tätigkeitsschwerpunktes Straffälligenhilfe Kompetenz, Eignung und Erfahrung für das Projekt abzusprechen und diese bei einem Träger der Jugendhilfe, wie später geschehen, ohne weiteres vorauszusetzen (5, 62). Die Vernehmung von Frau Porr machte klar, dass das esd-Projekt gar nicht eingehend geprüft worden war, zumindest wurden fehlende Schul- und Ausbildungsangebote einfach angenommen, ohne dies zu verifizieren (5, 63). Das esd-Projekt scheiterte an Voreingenommenheit des Jugendhilfe-Ressorts.

Ein konsensuales Konzept zur UHV war der Landesregierung also noch immer nicht möglich (4, 50).

Die Wende zur Entweichungssicherheit beseitigte die Konflikte nicht

Nachdem die Koalitionsvereinbarung des Jahres 1996 mit ihrem Auftrag, Heimplätze zur UHV in ausreichender Zahl zu schaffen, vor dem Hintergrund der inhaltlichen Differenzen leergelaufen war (4, 2, 65), leitete die Koalitionsvereinbarung 2001 mit ihrem Bekenntnis zur Schaffung baulich entweichungssicherer Plätze in Einrichtungen der Jugendhilfe einen abrupten, unvorbereiteten, politisch motivierten Kurswechsel ein (4, 2, 27), den Staatsministerin Dreyer als Paradigmenwechsel bezeichnete (4, 102). Dieser stellte kein Ergebnis von Entwicklungen oder wirklich geänderter Überzeugungen, sondern eine politische Absichtserklärung dar. Unüberwundene fachliche Konflikte wurden zwar negiert oder kaschiert (4, 43), aber standen dem noch immer entgegen, auch wenn die Zeugen Glöckner und Staatssekretär Dr. Auernheimer in der Zeugenvernehmung etwas anderes glauben machen wollten (4, 27, 46).

Ein fachliches Einvernehmen zwischen JM und MASFG bestand jedenfalls noch im Mai 2002 ausdrücklich nicht (4, 34). Demzufolge war die davon abweichende Einschätzung von Staatsministerin Dreyer voreilig, falsch (4, 105) und verhängnisvoll, weil von nicht existenten Voraussetzungen ausgehend.

Der mit Übernahme der Jugendhilfe-Zuständigkeit durch Sozialminister Gerster 2001 platzgreifende politische Richtungswechsel (4, 57) prägte sich nach Wahrnehmung des JM noch auf der Expertentagung im Februar 2002 nicht aus (4, 57), vielmehr schien die Fachebene bei der alten Linie zu bleiben (4, 60). Noch im Juli 2001 hatte das JM allgemein gehaltene Antworten des MASFG (4, 56) zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung beanstandet. Dabei wird eine Rolle gespielt haben, dass Beweggründe und Ziele des unter Staatsminister Gerster betriebenen Kurswechsels nicht definiert und vermittelt worden waren (5, 39). Bemühungen zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung 2001 mussten zudem kompromisshaft sein, galt es doch, freie Träger für das Projekt zu gewinnen. Nach den eigenen Vorstellungen alleine war keine Lösung möglich. Das war der politische Preis dafür, dass die Landeseinrichtung, auch aus Kostengründen, nicht verwirklicht und selbst das Projekt des freien Trägers esd verworfen worden war.

Zeitdruck war als Qualitätsrisiko eine Konstante des UHV-Projekts

Die neue Lage, geschaffen durch die Koalitionsvereinbarung 2001 und die Festlegung von Sozialminister Gerster auf deren Umsetzung, brachte auch mit sich, dass nach der jahrelangen Blockade ein vom Zeugen Gilles als „wahnsinnig" bezeichneter (7,58) Erwartungs- und damit verbunden ein Zeitdruck entstand, die gewollten Plätze nunmehr zügig zu realisieren (4, 29). Diesem setzte sich die politische Führung bereits damals selbst aus mit dem Ziel, bis Mitte der Legislaturperiode das Projekt starten zu können (4, 51). Das war ein sehr bedenklicher Versuch, zuvor vertane Zeit aufzuholen, zumal damit Risiken in Form von qualitativen Abstrichen verbunden waren. Das UHV-Projekt hätte wesentlich bessere Startchancen und Erfolgsbedingungen gehabt, wäre seine Vorbereitung gründlich, überlegt und umfassend angegangen worden, statt durch Blockade Entwicklungen aufzuhalten und Fortschritte zu verhindern. So hätten Bedingungen und Anforderungen bereits im Vorfeld umfassender und kompetenter, auch unabhängig analysiert und präziser sowie konkreter bestimmt werden können, als dies geschah. Dass dies auch eigentlich notwendig gewesen wäre, war auf der Expertenanhörung im Februar 2002 deutlich geworden und musste dem MASFG wenigstens bewusst sein (4, 30). Unter den rheinland-pfälzischen Bedingungen standen die Vorzeichen für das UHV-Projekt im Lande also schlecht. Staatsministerin Dreyer hatte es in der Hand, aber unterließ es, dies zu korrigieren. Eine Korrektur des Zeitplans erfolgte gleichwohl nicht.

Die Kleine Lösung war keine Lösung, das Rahmenkonzept nur Minimalkonsens

Der politische Kurswechsel dokumentierte sich nach der Einigung auf die sog. Kleine Lösung mit sechs baulich gesicherten Plätzen in einer Jugendhilfeeinrichtung eines erfahrenen Trägers ­ ohne Definition des Begriffes Erfahrenheit (5, 65) ­ als Ergebnis zunächst einer Arbeitsgruppe, sodann eines Staatssekretärsgesprächs vom 13. August 2002 in einer Rahmenkonzeption. In Verbindung damit war schon eine Zeitschiene zum Start des Projektes Mitte 2003 (4, 57; 5, 65, 69) festgelegt worden. Gemessen an den jahrelangen Auseinandersetzungen bestand somit unverhältnismäßig wenig Zeit zur Konzipierung und Realisierung des Projektes. Der Zeuge Glöckner sah in der Rahmenkonzeption „nichts Genaues festgelegt", es hätte „alles Mögliche" herauskommen können (4, 72). Mit dieser Aussage charakterisierte er das Format des Textes, seine Qualität und Bedeutung treffend.