Landesregierung

Diese Aussage ist als Versuch nachträglicher Legitimation zu werten. Tatsächlich folgte die Akzeptanz der Perspektive des JM, zu der die Sicherheitslage des Beschäftigten nicht originär gehörte. Dass der Mensch Schwachpunkt in einer baulich gesicherten Einrichtung sei, war zwar dem Zeugen Vocke bewusst, es blieb aber ohne Konsequenzen (6, 113). Dabei standen die Fachkräfte zumal als Inhaber der Schlüssel (8, 7 f.) Zuspitzungen direkt gegenüber. Sie waren somit als Person und in ihrem Verhalten exponiert und angreifbar.

Dass die Vertreter der Jugendhilfe die gefundene Lösung für ausreichend hielten, erklärt sich zum guten Teil aus der Annahme, dass in der Einrichtung nicht Jugendliche untergebracht würden, die in U-Haft gehörten (6, 41). Mit Blick auf die Erwartungen der Justiz an die Leistung des Projekts und die vorliegende Unerfahrenheit musste das ein Trugschluss sein. Die Jugendhilfe musste auch irrationales Verhalten von Jugendlichen, insbesondere nachts, veranschlagen (6, 104). Von ungesicherten Voraussetzungen ging die Entscheidung zur Nichteinschließung darüber hinaus aus, als die entsprechende Geeignetheit der Mitarbeiter als Ergebnis der Personalauswahl angenommen wurde (6, 48). Da beides zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht feststand, wäre es eigentlich richtig gewesen, zunächst im Zweifel auf Sicherheit zu setzen und die Entwicklung abzuwarten. Hätte man sich rechtzeitig, umfassend und nachhaltig genug über die Praxis in Schloss Stutensee informiert, hätte man ohne Zeitdruck und über förmliche Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten hinaus und unbeeinträchtigt von Befürchtungen gegenüber dem anderen Ressort das Thema Sicherheit reflektiert und darüber entschieden. Dann hätte es auf der Hand gelegen, dass man mit Nichteinschluss Sicherungsfunktionen auf das Personal verlagerte. Angesichts des tatsächlich erst am 2. September 2003 erfolgten Besuches in Schloss Stutensee bestand die Chance dazu aber zu diesem Zeitpunkt de facto nicht mehr, denn die hieraus abzuleitenden und im Heim herbeizuführenden Änderungen hätten den Starttermin des Projektes in Frage gestellt. Allein vor diesem Hintergrund waren entsprechende Ergebnisse nicht mehr zu erwarten. Die Arbeitsgruppe war konzeptionell und durch den auf ihr lastenden Zeitdruck überfordert.

Die Zeugin Staatssekretärin Dr. Lejeune bestritt zunächst, dass das JM definitiv von einem nächtlichen Einschluss der Jugendlichen ausgegangen sei. Erst auf erfolgten Vorhalt revidierte sie ihre Aussage und bestätigte, das JM sei vom nächtlichem Einschluss ausgegangen (8, 77). Nachdem sie insoweit zunächst falsch ausgesagt hatte, erklärte sie, das JM sei bis zur Tat von einem Nachteinschluss ausgegangen (8, 77), obwohl ein Nichteinschluss auch dem JM bereits ab 16. Juli, spätestens definitiv ab 6. August 2003 nachweisbar bekannt war. Sie bestätigte später die Information über den Nichteinschluss. In diesem Zusammenhang verwickelte sie sich in Widersprüche hinsichtlich der Erwartungen und Empfehlungen des JM zur generellen oder bedarfsorientierten Vornahme eines Nachteinschlusses und ihrer Informiertheit über Voraussetzungen dafür und Bereitschaft dazu, die den Schluss erlauben, dass sie entweder den Sachverhalt nicht verstanden hatte oder den UA nicht ernst nahm (8, 79, 82 bis 86). Hinzu kommt, dass ihr die entsprechende Haltung ihres Hauses nicht präsent war (8, 85). Allein aufgrund der bestätigten Informationen über die Nichtinstallation der Klingelanlage konnte sie die Beschlusslage hinsichtlich Einschluss erkennen (8, 88). Staatsminister Mertin hatte prinzipiell keine Bedenken gegen einen Nichteinschluss unter der Bedingung, dass das Betreuerzimmer verschlossen sei (8, 108), was er tatsächlich auch irrig als Kompensation des Nichteinschlusses in den Zimmern voraussetzte und sich auf entsprechende Informationen seines Hauses berief. Staatssekretärin Dr. Lejeune hätte als Beauftragte des Ministers ihr Haus darauf einstellen müssen, dass dies sichergestellt wurde, zumal Staatsminister Mertin auf Nachfrage entsprechende Konsequenzen aus der Unverschlossenheit des Betreuerbüros in der Gesamtkonstellation nicht ausschloss (8, 108). Dazu hätte sie mindestens Interesse signalisieren und auf eine Abnahme vor Projektstart hinwirken müssen, was beides aber nicht geschah.

Der Verzicht auf nächtlichen Einschluss der Jugendlichen war der erste massive Schritt gegen die Binnensicherheit. Den Grund hierfür hatte die Standortentscheidung gelegt. Pädagogische Argumente durften nicht höher bewertet werden als Sicherheitsbelange, besonders nicht zu Beginn eines Projekts, das noch nicht auf Erfahrung gründete. Fehlendes Sicherheitsbewusstsein und mangelnde Abstimmung führten dazu, dass diese Fehlentscheidung möglich wurde. Zeitdruck, falsche Prioritäten, mangelnde politische Führung und mangelnde Ergebniskontrolle verhinderten notwendige Korrekturen. Bei Nachteinschluss wäre der Überfall auf Frau Knoll so nicht möglich gewesen. Bei Nachteinschluss könnte sie heute noch leben. In beiden Ministerien fehlte ein angemessenes Sicherheitsbewusstsein.

Notfalltechnik und Hilfestrukturen mussten aus dem Nichteinschluss folgen

Durch den Verzicht auf den nächtlichen Einschluss kam Alarmierungsmöglichkeiten und zuverlässigen Hilfestrukturen zum Schutz des Betreuungspersonals besondere Bedeutung zu, damit auf Gefährdungssituationen schnell und wirksam reagiert werden konnte.

Potenzielle Gefährdungen nicht nur von untergebrachten Jugendlichen, sondern auch für die Betreuer waren wenigstens dem LJA (6, 11) durchaus bewusst. Angesichts der zur Standortentscheidung Mühlkopf geäußerten Bedenken wegen des zu befürchtenden hohen Aggressionspotenzials (6, 14) war zu erwarten, dass hieraus Konsequenzen zum Schutz der Fachkräfte zu ziehen sind.

Mochte die gewählte Lösung, bestehend aus Vorrangschließung der Betreuer für die Zimmer, verbunden mit telefonischer Informationsmöglichkeit der Bereitschaftskräfte der übrigen geschlossenen Gruppen in anderen Räumlichkeiten der Einrichtung und einer Hintergrundbereitschaft mit Leitungsfunktion aus dem Betreuerzimmer mit Blick auf die Sicherheit der Jugendlichen gerade noch vertretbar sein, hinsichtlich des Personalschutzes der Betreuer selbst war sie es nicht (6, 17, 31). An derartigen Schutzbedarf dachte man auch im LJA offenbar nicht (6, 17), unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Sicherheit der Mitarbeiter soll es nicht gegeben haben (6, 19). Das erklärt sich daraus, dass das JM auf die äußere bauliche Sicherung fixiert war und ansonsten hinsichtlich der obwohl auch für die Entweichungssicherheit relevanten Binnensicherheit nur Anregungen geben, sich auf neue Diskussionen aber nicht einlassen wollte. LJA sowie MASFG hielten verhaltensbezogene Sicherheitsvorkehrungen für das Betreuungspersonal in Verantwortung des Trägers für ausreichend (6, 26, 40, 47), ohne allerdings deren Vorliegen eingehend und nachhaltig zu prüfen. Insoweit brachte der Nachtdienst statt der ursprünglich auch mit Zustimmung der Zeugin Porr für das MASFG (6, 55) sogar nur vorgesehenen Nachtbereitschaft (6, 32) nur relativ mehr Sicherheit, nicht jedoch für die eingesetzte Betreuungsperson. Für sie wäre ein Einschluss mit Ruffunktion ­ wie ursprünglich vorgesehen ­ die sichere Lösung gewesen.

Der Verzicht darauf führte zum Nachtdienst. Die Zeugin Porr erklärte dessen Einrichtung mit der Praxis in Stutensee (6, 55), obwohl die Umsetzung im Heim Mühlkopf demgegenüber unzureichend war. Selbst wenn die Behauptung von Frau Krückels stimmen sollte, beim Besuch vom 2. September 2003 in Schloss Stutensee nichts über den die dortige Nachtdienstpraxis auslösenden Angriff auf eine Betreuerin erfahren zu haben, drängt sich die Frage auf, wie man es für unbedenklich halten konnte, eine Berufsanfängerin mehreren besonders auffälligen Jugendlichen ohne wirksame Schutz- und ohne sichere Hilfevorkehrungen auszusetzen. Wenn die Außenwelt zu schützen war, musste das erst recht für das unmittelbare Umfeld gelten. Dies war nur dann zu bestreiten, wenn man der Jugendhilfe ein Leistungspotenzial zugestand, das man ihr bezüglich der Verhinderung von Entweichungen aber dann auch hätte zutrauen müssen. Aber das war kein Thema der Justiz, daran dachten die Vertreter des JM erst gar nicht, die Vertreter der Jugendhilfe waren tendenziell geneigt, die Leistung von Jugendhilfemaßnahmen zu überschätzen, zumal wenn ansonsten die Gefahr bestand, Positionen preiszugeben und die Tür zu Einflussnahmen tatsächlich oder auch vermeintlich zu Lasten der pädagogischen Arbeit zu öffnen. Dass es hier darum gar nicht ging, konnte angesichts dieser Zusammenhänge nicht deutlich werden. Auch hier schlug die Annahme der Jugendhilfeseite durch, in die Einrichtung gelangten Jugendliche, die eigentlich nicht in U-Haft gehörten (6, 41).

Das kann auch erklären, wenn auch nicht rechtfertigen, dass es zu der ursprünglich am 16. Juli 2003 vorgesehenen Beschaffung eines mobilen Alarmierungsgerätes für die Betreuer nicht kam (6, 51), die die dort beschlossene Alarmklingel vom Betreuerzimmer zum Hauptgebäude ergänzen sollte. Die Umsetzung des Auftrages, betreffend Alarmklingel („ggf. mit Mobilteil") war entsprechend dem Ergebnisvermerk des MASFG dem Heimträger zugeordnet und durch „Bestellung"zu erledigen (6, 51, 65; 7, 54 f.). Verworfen worden war nach Angabe der Zeugin Porr ein PNA-Gerät, vorgeschlagen von Frau Krückels, als Beitrag zum Personenschutz nach dem Vorbild von Schloss Stutensee, weil die Arbeitsgemeinschaft dies in der bestehenden Konstellation für nicht erforderlich hielt (6, 60, 62). Die Zeugin Eger erinnerte sich an die Darstellung eines solchen Geräts als Möglichkeit, vorgeschlagen von Herrn Gutmann, allerdings ohne weitere Diskussion (8, 39 f.). Dabei gab das kleinere Format der Einrichtung den Ausschlag, die räumliche Problematik wurde vernachlässigt (6, 61 f., 103), begleitet von Selbstüberschätzung der Einrichtung hinsichtlich der Wirkung ihrer Arbeit (6, 103). Schon dieser Verzicht war keinesfalls mit den „Erfahrungen, die wir hatten," zu rechtfertigen, wie das die Zeugin Porr versuchte, denn eigene Erfahrungen lagen ja gar nicht vor (6, 60). Insbesondere nicht erklärlich ist, dass der Besuch in Schloss Stutensee am 2. September 2003 nicht als Anlass dazu genutzt wurde, diese Fehleinschätzungen nachträglich zu korrigieren. Die dortige Praxis hätte ohne Infragestellung des Starttermins übernommen werden können, auch wenn der Besuch primär der Klärung der Nachtdienstfrage diente. Die Chance, das hiesige bis dahin gefundene Konzept kritisch zu reflektieren, blieb ungenutzt. Dadurch wurde nicht im Zweifel für, sondern ohne Zweifel gegen die Sicherheit entschieden, ohne zwingende oder auch nur akzeptable Begründung.

Das Fehlen des wenigstens ggf. vereinbarten Mobilteils wirkte sich verhängnisvoll aus, weil daran im Konfliktfall direkte Hilfeaktivierung scheiterte. Bezeichnend ist insbesondere, dass keine Vergewisserung der Umsetzung dieser vorgesehenen Maßnahme erfolgte, was einerseits damit zusammenhängen kann, dass noch nicht einmal der Charakter dieses Punktes zwischen Auftrag laut Sitzungsprotokoll (6, 65) oder Vorschlag nach Auffassung des Zeugen Teufel (6, 100) geklärt war. Auch der Zeuge Vocke wollte das Ergebnis des Termins am 16. Juli 2003 nicht als definitive Vorgabe ansehen, weder hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Punktes Alarmklingel, von ihm als „einfach zu bedienende Notrufmöglichkeit" interpretiert (6, 112), noch bezüglich der verbindlichen Anschaffung einer mobilen Anlage (6, 112). In seinen Augen handelte es sich um „Vorschläge als Diskussionsgrundlage" (6, 111), deren Umsetzung gestaltbar nach Dafürhalten war. Jedenfalls sei ein mobiles Gerät ausdrücklich nicht gefordert worden (6, 102). Das entsprach der Zurückweisung des Begriffs Vorgaben durch die Zeugin Krückels (6, 26). Nach Aussage des Zeugen Holitzner war eine Notrufeinrichtung mit einem Mobilteil mit Ruftaste „vorgesehen" (7, 49). An anderer Stelle sagte er aus, es seien klare Aufgaben verteilt worden (7, 53).

Zusätzlich wirkte sich das Aufgaben- und Zuständigkeitsverständnis der Jugendhilfebehörden aus, demzufolge das Fachreferat des MASFG seine Aufgabe in der Erstellung der Rahmenkonzeption „auf mittlerem Abstraktionsniveau" sah, nicht aber die Praxis unmittelbar dazu zählte (6, 60), während das LJA seine Aufgaben in Beratung sah, aber nicht in Ausübung von Aufsicht. Dementsprechend wusste Frau Porr über die Umsetzung des Sitzungsdokuments nichts, sie machte es auch vor Ort nicht mehr zum Thema und hielt den Träger für verantwortlich (6, 65).

Dass tatsächlich nur eine technisch anspruchslose, aber bedien- und zeitaufwendige Lösung mit stationärem Telefon, nur mit Kurzwahl zu den anderen Gruppen im Dienstzimmer verwirklicht wurde, hat ihre Erklärung neben mangelnder terminologischer Verbindlichkeit sowohl zu Geräteart wie tatsächlicher Beschaffungsverpflichtung darüber hinaus auch darin, dass wenigstens nach Auffassung des Zeugen Vocke der Starttermin die rechtzeitige Umsetzung der am 16. Juli festgelegten Maßnahmen erforderte (6, 112),unddieser stand mit dem 1. Oktober2003 fest. Priorität gehörte also der rechtzeitigen statt der optimalen Lösung.

Der bevorstehende Starttermin wird dazu geführt haben, dass sogar während weiterer Einrichtungsbesuche nach dem 16. Juli und vor und kurz nach dem 1. Oktober 2003 über die defizitären Alarmierungsvorkehrungen hinweggesehen wurde. Nach Aussage der Zeugin Eger war die Mitarbeitersicherheit schon am 6. August kein Thema mehr (8, 42), systematische Nachfragen seien nur vom JM hinsichtlich der baulichen Maßnahmen erfolgt (8, 43). Nach Aussage des Zeugen Teufel hatte zumindest das LJA am 9. Oktober 2003 die vorhandene Ausrüstung mit Telefon im Dienstzimmer sehen können (6, 102), woraus er schloss, die geschaffene Ausstattung sei, da unbeanstandet, so in Ordnung. Die Zeugin Stein wusste über das Vorhandensein eines Mobilteils keine Aussage zu treffen (6, 75). Der Zeuge Gutmann wollte Einrichtungsleiter Teufel am 9. Oktober 2003 danach gefragt haben, hatte sich aber mit der Antwort zufrieden gegeben, die Anschaffung stehe bevor (7, 65; 10, 90).

Der Zeugin Porr war am 9. Oktober 2003 bezüglich der Sicherheit nichts aufgefallen (6, 53). Die Ergebnisse des 16. Juli 2003 waren ihr bekannt, mit der Umsetzung hatte sie sich aber auch vor Ort nicht beschäftigt (6, 66) und das fehlende Mobilteil daher nicht bemerkt. Das begründete sie damit, dass dies kein Punkt der Betriebserlaubnis sei, also in die Trägerverantwortung falle (6, 69). Nach Aussage des Zeugen Teufel erfolgte auch beim Ganztagstermin am 18. November 2003 keine Thematisierung (6, 101).

Der Zeuge Gutmann sprach von einem Hilfsmittel für die praktische Arbeit, originär für den Notfall im Nachtdienst war das Mobilteil für ihn gar nicht gedacht (7, 64). So weit, wie nach dem Vorbild Stutensee zu erwarten, dachte also auch das JM nicht.

Unter Alarmklingel oder Notrufmöglichkeit (6, 72) war allerdings schon an sich etwas anderes zu verstehen, als zur Verfügung stand. Die Öffnung der Beschaffung des Mobilteils durch den Zusatz ggf. war der entscheidende Schwachpunkt der Gesprächsergebnisse vom 16. Juli, wobei ungeklärt blieb, welcher Fall zur Anschaffung des Mobilteils führen sollte und welcher nicht, und ob die Umsetzung dem authentisch entsprach. Ein Mobilteil einer Alarmklingel musste mehr darstellen als ein schnurloses Telefon als Zusatzausstattung oder Bestandteil einer Hauptstelle, wie dies die am 16. Juli anwesende Zeugin Stein interpretierte (6, 72). Derartige Unverbindlichkeiten waren unangemessen und dokumentieren die festgestellte Überforderung der ministeriellen und landesamtlichen Arbeitsebene bei der Projektumsetzung. Dass diese Überforderung nicht kompensiert wurde, lag an der mangelnden Erfahrung der Einrichtung und der fehlenden Kompetenz ihrer Leitung, was auch dem MASFG nachträglich bewusst wurde (6, 44), nachdem man dies zuvor nicht geprüft hatte.

Es dokumentiert eine krasse Naivität, trotz unterlassener Bereitstellung eines Mobilteils noch von ausreichend erhältlicher Hilfe zu sprechen (6, 60). Das konnte nur dann der Fall sein, wenn man sich die bemerkenswert naive Vorstellung des Zeugen Teufel zu eigen machte, es werde zunächst nichts Großes passieren, und wenn, dann sei es immer noch möglich, vom Büro, unbeeinträchtigt durch evtl. Vorfälle, Hilfe zu erbitten (6, 100). Die Kräfte der anderen Gruppen waren Bereitschaftskräfte, standen also nicht ad hoc parat, sondern mussten erst geweckt werden (6, 104).

Das ganze Vorgehen krankte daran, dass hier wie im Übrigen kein einheitliches Protokoll für alle als verbindliche Aufgabenliste und zur Ergebniskontrolle fixiert wurde (8, 47; 10, 82). Das wäre vom federführenden MASFG zu erwarten gewesen, auch wenn diese Federführung für den Zeugen Dietrich nicht erkennbar war (8, 48). Dies war kein systematisches, kontrolliertes und integriertes Arbeiten (8, 49). Die Umsetzung von Aufgaben blieb den als zuständig angesehenen Stellen überlassen.

Für Staatsministerin Dreyer war die Nichtanschaffung des Mobilteils lapidar ein „negativer Eindruck" (8, 113). Sie verwies auf die Verantwortung der Einrichtung und rechtfertigte damit auch das unkritische Vertrauen des LJA (8, 117). Dabei hätte sie ihr Haus auf besondere Aufmerksamkeit beim UHV-Projekt einstellen müssen.

Die Nichtinstallation einer direkten zuverlässigen Alarmierungsmöglichkeit machte eine zweite, entscheidende Lücke des UHVProjekts für die Personalsicherung aus. Aus falschem Zuständigkeits- und Verantwortungsverständnis und aufgrund unprofessionellen Vorgehens unterblieb die Sicherstellung der Umsetzung vorgesehener Maßnahmen. Das Bestehen einer autonomen mobilen Alarmierungsmöglichkeit hätte im Idealfall den Überfall auf Frau Knoll abwenden, wenigstens aber auch bei einfachster Ausführung noch Herbeirufung von Hilfe ermöglichen können. Alle Beteiligten mussten nicht mit einem Überfall der erfolgten Art rechnen, um ein Mindestmaß an Personalschutz zu realisieren statt ein Höchstmaß an Leichtfertigkeit und Nachlässigkeit in einer Form zu beweisen, die Leben aufs Spiel setzte. Das hätte Christina Knoll das Leben bewahren oder retten können. So wie geschehen durfte man das Projekt nicht starten lassen.

Fehlverhalten: Die Landesregierung unterließ wirksame Qualitätssicherung

Nach der Rahmenkonzeption sollte das LJA Einrichtungen mit geschlossenen Plätzen und Gruppen intensiv in fachlichen, rechtlichen und Einzelfall bezogenen Fragen beraten. Die Vertreterinnen des LJA betonten zwar nachdrücklich ihre Beratungsaufgabe nach dem SGB VIII. Der tatsächliche Beratungsbedarf des Heims, seiner Leitung und seiner Fachkräfte wurde aber nicht im Vorfeld ermittelt, sondern erst nachträglich erkannt (6, 31), weil zuvor falsch eingeschätzt. Deshalb war die Beratung inhaltlich mangelhaft und setzte zu spät ein. Darüber hinaus war sie methodisch falsch und dadurch unwirksam. Die Zeugin Porr kannte keinen Auftrag an sie zur Information über die Binnensicherheit (10, 54). Auch Staatssekretär Dr. Auernheimer hatte sich hierüber nicht informiert (10, 43). Beratungs- und Verfahrensmängel dokumentieren Führungsmängel, welche die Wahrnehmung dieser Aufgabe ganz der operativen Ebene nach deren Ermessen ermöglichte und den vorgegeben Rahmen als nicht ausreichend verdeutlichten (10, 5 f.). Das war eine schwerwiegende Fehlentscheidung.