Ausländerfeindliche, rechtsextremistische und antisemitische Aktivitäten in Rheinland-Pfalz

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Vergehen (rechtsextremistische, ausländerfeindliche, antisemitische) gegen welche strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Vorschriften sind der Landesregierung im März und April 2005 bekannt geworden (mit der Bitte um genaue Auflistung der Zeitpunkte, der jeweiligen Tatorte, Anzahl der Tatverdächtigen, Zugehörigkeit zu einer rechtsextremistischen Partei und/oder Organisation, einschlägig bekannt bzw. vorbestraft, Wohnort)?

2. Wie viele der Vergehen unter Frage 1 sind von welcher Polizeidienststelle aufgeklärt worden?

3. Welche Aktivitäten haben welche rechtsextremistischen Gruppierungen, Kameradschaften, Parteien (Reps, NPD, DVU) und/ oder Einzelpersonen wo in Rheinland-Pfalz wann durchgeführt?

4. Wie beurteilt die Landesregierung die quantitative Entwicklung der rechtsextremistischen Aktivitäten im Vergleich zur Anzahl der Straftaten im März und April 2004 sowie qualitative Veränderungen der Aktivitäten bzw. logistischen Strukturen?

5. Welche besonderen Aktivitäten von Rechtsextremisten und/oder Neonazis gibt es an welchen Schulen und wie wurde von wem darauf reagiert?

6. Welche Gruppierungen und Einzelpersonen aus Rheinland-Pfalz und aus anderen Bundesländern haben an den Demonstrationen der Rechtsextremisten am 1. Mai in Frankenthal und Worms teilgenommen und wie war der Verlauf der Demonstrationen?

Das Ministerium der Justiz hat im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport und dem Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 17. Mai 2005 wie folgt beantwortet:

Zu den Fragen 1 und 2:

Die Polizei hat im Zeitraum 1. März bis 30. April 2005 zwei relevante Bedrohungssachverhalte und ein Körperverletzungsdelikt registriert: 30./31. März 2005 Pirmasens (Hasskriminalität/fremdenfeindlich motiviert)

Zwei griechische Gastwirte erhielten ein mit dem Pseudonym „Der Orden" unterzeichnetes Schreiben mit dem Inhalt „Wir werden Euch langsam töten, Ihr werdet grausam sterben".

Unter gleichem Pseudonym ging im „Naturfreundehaus Pirmasens-Niedersimten" ein Brief mit folgendem Wortlaut ein: „Wenn Ihr jemals Kanaken bedient, brennen wir Euer Heim nieder, wenn es am besten besucht ist".

Beide Straftaten konnten bislang nicht aufgeklärt werden.

9. April 2005 Landau (Konfrontation/politische Einstellung)

Auf dem Hauptbahnhof kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der linksextremistischen und rechtsextremistischen Szene, wobei ein Jugendlicher der linksextremistischen Szene mit einem Teleskopschlagstock so verletzt wurde, dass eine ambulante Behandlung im Krankenhaus erforderlich war.

Tatverdächtig sind zwei männliche Heranwachsende aus Landau und Steinfeld. Zu beiden Tatverdächtigen liegen polizeiliche Erkenntnisse im Bereich der Allgemeinkriminalität vor; ein Tatverdächtiger hat zudem polizeiliche Erkenntnisse im Phänomenbereich Staatsschutz.

Zudem ist bei der Staatsanwaltschaft Trier ein Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Staatsangehörigen iranischer Herkunft wegen versuchten Totschlags u. a. anhängig. Der in Trier lebende Beschuldigte stürzte am 12. April 2005 in der Innenstadt von Saarburg ohne ersichtlichen Grund auf einen in Deutschland lebenden irakischen Staatsangehörigen und stach mit den Worten „Ich bringe dich um!" mit einem Messer auf diesen ein. Der Beschuldigte konnten von einem Passanten überwältigt werden. Der Geschädigte erlitt eine Schnitt-/Risswunde an der linken Wange. Der Beschuldigte gab als Tatmotiv an, den Geschädigten für „einen dreckigen Juden" gehalten zu haben; er hasse Juden. Gegen den Beschuldigten, der unter einer paranoiden halluzinatorischen Psychose leidet, ist ein Unterbringungsbefehl nach § 126 a StPO ergangen.

Zu Frage 3: In den Monaten März und April 2005 fanden wiederholt Veranstaltungen rechtsextremistischer Gruppierungen und Parteien statt.

In der überwiegenden Anzahl handelte es sich um kleinere Veranstaltungen ohne oder mit nur geringer Außenwirkung. In diesem Zusammenhang erscheinen für den in Rede stehenden Zeitraum folgende Veranstaltungen von Bedeutung:

5. März 2005, Zweibrücken

12. März 2005, An der am 5. März 2005 vom „Nationalen Widerstand Zweibrücken" unter dem Motto „Schluss mit den 26. März 2005 BRD-Reformen ­ Ein neues System bietet neue Möglichkeiten" durchgeführten Versammlung nahmen 35 Personen teil. 45 Personen des linksextremistischen Spektrums versuchten die Versammlung zu stören.

Die Polizei stellte mehrere Schlag- und Wurfgegenstände sicher, sprach 32 Platzverweise aus und führte sechs Ingewahrsamnahmen durch. Eine Person wurde durch einen Flaschenwurf verletzt.

An einer erneuten, störungsfrei verlaufenen Versammlung des gleichen Veranstalters am 12. März 2005 nahmen etwa 35 Personen teil. In der darauf folgenden Nacht kam es in Zweibrücken vor einer von der linksextremistischen Szene genutzten Gaststätte zu Körperverletzungsdelikten zum Nachteil zweier Personen des rechtsextremistischen Spektrums. Aufgrund dessen wurde offensichtlich eine weitere ebenfalls störungsfrei verlaufene Demonstration des „Nationalen Widerstandes Zweibrücken" am 26. März 2005 unter dem Motto „Gegen linke Gewalt und Polizeiwillkür" mit ca. 70 bis 80 Teilnehmern durchgeführt.

10. März 2005 Koblenz ­ NPD/JN Rheinland-Pfalz Verteilung von strafrechtlich nicht relevanten Flugblättern mit den Themenüberschriften „Ja zur Bildungsoffensive und raumorientierter Volkswirtschaft! Nein zu Jugendarbeitslosigkeit und Globalisierung" an Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Wirtschaft (vgl. die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2359 ­ Landtagsdrucksache 14/4033).

15. März 2005 Betzdorf/Westerwald

In den Abendstunden des 15. März 2005 brachten bisher unbekannte Personen mehrere Flugblätter mit unterschiedlicher rechtsextremistischer Thematik an einem anlässlich einer Schulelternbeiratssitzung im Schulhof der „Geschwister-Scholl-Realschule" in Betzdorf/Westerwald abgestellten Pkw an. Ferner wurden an verschiedenen Gebäudeteilen der „Geschwister-Scholl-Realschule" und der unweit entfernten „Bertha-vonSuttner-Realschule" mehrere Aufkleber des rechtsextremistischen „Wikinger-Versand" sowie NPD-Aufkleber „Ein Herz für Deutschland" festgestellt (vgl. die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2359). Die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft ergab, dass bei einem der Flugblätter mit dem Aufdruck „Schröder, Du Dieb" der Anfangsverdacht einer Beleidigung des Bundeskanzlers vorliegt. Die übrigen Flugblätter und Aufkleber wurden als strafrechtlich nicht relevant bewertet.

19. März 2005 Bad Dürkheim-Hardenberg ­ REP-Jugend Bad Dürkheim Vortragsveranstaltung mit Funktionären aus dem REP-Landesvorstand und dem Bundesvorstand. Die Veranstaltung mit ca. 40 Teilnehmern hatte keine Außenwirkung.

19. März 2005 Bekond/Kreis Trier ­ NPD-Kreisverband Trier Parteiveranstaltung mit ca. 45 Teilnehmern in der gemeindeeigenen Grillhütte. Die Veranstaltung hatte keine Außenwirkung.

30. März 2005 Worms ­ „Kameradschaft Kurpfalz" Einwurf von Flugblättern einer „Kameradschaft Kurpfalz" an der Berufsbildenden Schule Wirtschaft in Worms (vgl. die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2359).

Zu Frage 4: Für die Monate März und April 2005 hat die Polizei bislang 63 Straftaten gegenüber 57 Straftaten im Vergleichszeitraum 2004 für den Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität ­ rechts ­" registriert. Deliktisch ist die Zunahme auf einen Anstieg in den Bereichen Verwendung von Kennzeichen und Verbreiten von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen zurückzuführen, die auch den zahlenmäßigen Schwerpunkt bilden. Als modus operandi ragen Farbschmierereien (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) heraus.

In jüngster Zeit ist auch in Rheinland-Pfalz innerhalb des linksextremistischen Spektrums eine verstärkte Gewaltbereitschaft gegenüber der rechtsextremistischen Szene erkennbar. Der Aufruf der Szene gegen die Neonaziaufmärsche in Frankenthal und Worms mit dem Titel „Heraus zum 1. Mai! Strike out! Naziaufmärsche abräumen!" ist hierbei bezeichnend. Eine Verschärfung der bestehenden Abneigungen und Konflikte sowie eine Fortführung gewalttätiger Konfrontationen und Übergriffe, vor allem im Rahmen von linken und rechten demonstrativen Veranstaltungen, sind nicht auszuschließen.

Zu Frage 5: Für die Monate März und April 2005 ist der Schulaufsichtsbehörde Folgendes bekannt: Der Schulleitung der Grundschule Remagen bot am 15. April 2005 ein Akademiker im Rentenalter an, eine Arbeitsgemeinschaft mit Kindern leiten zu wollen. Nachforschungen ergaben, dass er der rechtsextremen Szene zuzuordnen ist. Die Schulaufsicht wurde umgehend informiert und warnte ihrerseits die Schulen der Regionen vor Kontakten mit der Person. Am Eleonoren-Gymnasium und an der Berufsbildenden Schule III in Worms sind Flugblätter mit rechtsradikalem Hintergrund aufgetaucht. Dies wurde an den Schulen zum Anlass genommen, das Thema Rechtsradikalismus im Unterricht aufzugreifen. Auch an der Diesterweg-Hauptschule in Worms gab es ähnliche Schreiben. Die Schülerinnen und Schüler wurden davor gewarnt und darauf hingewiesen, sich auf nichts einzulassen.

Am 19./20. April 2005 wurden an verschiedenen Schulen im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie in deren Umfeld Aufkleber mit volksverhetzendem Inhalt festgestellt; ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet.

Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 3 sowie die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2359 verwiesen.

Zu Frage 6: Demonstration am 1. Mai 2005 in Frankenthal Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration der rechtsextremistischen Szene, die nach Angaben des Veranstalters unter dem Motto: „1. Mai ­ Tag der deutschen Arbeit. Globalisierungswahn stoppen!", durchgeführt wurde, war der amtsbekannte NPDAngehörige Christian Hehl aus Mannheim. An der Demonstration haben ca. 180 bis 200 Personen teilgenommen.

Als Redner hatte das „Aktionsbüro Rhein-Neckar" auf seiner Internetseite angekündigt: Ralph Tegethoff/NW, Lars Käppler/BW, Klaus-Jürgen Menzel/SN und Marcel Wöll/HE.

Auf der gleichen Internetseite hatten sich neben NPD-Verbänden folgende Gruppen für eine Teilnahme angekündigt: Bürgerinitiative für ein besseres Deutschland, Kameradschaft Bergstraße, Kameradschaft Hockenheim/Schwetzingen, Kameradschaft Kurpfalz, Kameradschaft Worms, Freundeskreis Rhein-Neckar, Aktionsgruppe Bergstraße, Nibelungensturm Odenwald, Kameradschaft Stuttgart, Aktionsbüro Saar, Freie Nationalisten Rhein-Main, Kameradschaft Rastatt, Kameradschaft Lichtenau, Kameradschaft Karlsruhe, Aktionsgruppe Württemberg, Einsatzkräfte aus dem Rheinland, Nationaler Widerstand Zweibrücken, Kameradschaft Sturmfront, Freie Nationalisten Ostalb.

Aufgrund mitgeführter Fahnen und Transparente ist außer der NPD/JN von einer gesicherten Beteiligung der Kameradschaft Kurpfalz und der Kameradschaft Karlsruhe auszugehen.

Bereits vor Beginn des Aufzuges kam es auf der geplanten Aufzugsstrecke zu einer Sitzblockade durch ca. 80 Personen des linksextre mistischen Spektrums. Aufgrund dieser Lageentwicklung wurde der Aufzug über eine Alternativstrecke bis zum ersten Kundgebungsort geführt. Auch hinsichtlich dieser Alternativstrecke gab es Bestrebungen von Gruppen der linksextremistischen Szene, zu demAufzug der Rechtsextremisten vorzudringen. Die Polizei konnte dies jedoch verhindern. 23 Personen der linksextremistischen Szene, die vor allem aus dem südwestdeutschen Raum und der Rhein-Neckar-Region, aber auch aus dem übrigen Bundesgebiet kamen, wurden in Gewahrsam genommen.

Am Bahnhof warfen Personen der linksextremistischen Szene Flaschen und Feuerwerkskörper gegen Kräfte der Polizei und des BGS.

Die Störerzahl des linksextremistischen Spektrums wird auf ca. 300 Personen geschätzt.

Ein Rechtsextremist wurde in Gewahrsam genommen, weil er sich getarnt in einer Gruppe der linksextremistischen Szene aufhielt und einem Platzverweis der Polizei keine Folge leistete. Seitens der Teilnehmer des rechtsextremistischen Aufzuges kam es, abgesehen von einer Beleidigung gegenüber einem Polizeibeamten, zu keinen weiteren Störungen.

Demonstration am 1. Mai 2005 in Worms Anmelder der Demonstration, die nach Angaben des Veranstalters unter dem Motto „Schluß mit der Ausplünderung des deutschen Volkes! Wir sind nicht das Sozialamt der Welt" durchgeführt wurde, war der amtsbekannte Lars Käppler aus Baden-Württemberg.

An der Demonstration beteiligten sich ca. 180 Personen, die zum größten Teil kurze Zeit zuvor an der Demonstration in Frankenthal teilgenommen hatten. Personen der linksextremistischen Szene versuchten vor und während des Aufzugs, diesen zu verhindern. So wurde u. a. die Wegstrecke des Aufzugs von etwa 300 Personen des linksextremistischen Spektrums mehrmals blockiert. Angehörige der linksextremistischen Szene hatten sich in der Innenstadt aufgeteilt und attackierten die eingesetzten Polizeikräfte vor, während und nach der Demonstration massiv mit Stein- und Flaschenwürfen. Hierbei wurden insgesamt 17 Polizeibeamtinnen und -beamte leicht verletzt sowie 23 Einsatzfahrzeuge beschädigt. Die Polizei nahm insgesamt 15 Personen des linksextremistischen Spektrums fest bzw. in Gewahrsam. Gegen weitere 20 Personen wurden Platzverweise für den Bereich der Stadt Worms ausgesprochen. Straftaten der rechtsextremistischen Szene wurden nicht festgestellt.