Chemikalienverordnung; Schwierigkeiten für kleine und mittelständische Unternehmen

EU-Kommissionsvizepräsident und Industriekommissar Günter Verheugen und EU-Umweltkommissar Stavros Dimas haben die Ergebnisse einer unter der Federfühung von KPMG durchgeführten Untersuchung über die Auswirkungen der REACH-Chemikalienverordnung vorgestellt. Die Ergebnisse der Studie seien „verkraftbar", auf die Bedenken kleiner und mittlerer Unternehmen hin müssten aber Unterstützungsmaßnahmen erarbeitet werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass kleine und mittlere Unternehmen wegen ihrer begrenzten finanziellen Ressourcen durch REACH besonders tangiert werden?

2. Sieht die Landesregierung durch die Auswirkungen von REACH Einschränkungen des jährlichen Umsatzes und der Produktpalette in den Unternehmen, um die Kosten für die Registrierung zahlreicher Stoffe aufzufangen?

3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die nicht gegebene Möglichkeit der Weitergabe von Kosten an die Weiterverarbeiter der Stoffe zu einer starken Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalisierten Markt führen und die Auslagerung von Produktfertigungen verstärken wird?

4. Wie groß schätzt die Landesregierung die Zahl der durch REACH zur Aufgabe gezwungenen kleineren und mittleren Unternehmen ein und wie beurteilt sie die dadurch eintretenden Strukturveränderungen im Bereich der chemischen Industrie in Rheinland-Pfalz?

Das Ministerium für Umwelt und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 13. Juni 2005 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung: Rheinland-Pfalz ist der Chemiestandort Deutschlands. Änderungen im Chemikalienrecht sind daher für Rheinland-Pfalz von besonderer Bedeutung. Die Landesregierung ist sich dieser Verantwortung ­ gerade auch im Hinblick auf die Arbeitsplätze in der chemischen Industrie ­ bewusst. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es ein einheitliches europäisches Chemikalienrecht geben muss. Die neue europäische Chemikalienverordnung ist notwendig, um faire Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa zu schaffen. Sie ist notwendig, um die bestehenden europäischen Regelungen im Chemikalienrecht abzulösen. Diese haben sich zum größten Teil als vollzugshemmend, zu bürokratisch und als innovationshemmend erwiesen. Die Neuregelungen sind aber auch notwendig, um möglichst schnell alle sicherheitsrelevanten Daten der auf dem Markt befindlichen Stoffe für Menschen und Umwelt zu erhalten.

Die Diskussion im europäischen Chemikalienrecht dreht sich nicht mehr um das „Ob", sondern nur noch um das „Wie". Ziel muss ein europäisches Chemikalienrecht sein, das durch hohe Umwelt- und Gesundheitsstandards Arbeitnehmer und Verbraucher schützt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf dem internationalen Markt berücksichtigt und innovative Entwicklungen fördert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage 2488 des Abgeordneten Jürgen Creutzmann (FDP) wie folgt:

Zu Frage 1: Die derzeit vorliegenden Gutachten zur neuen europäischen Chemikalienverordnung lassen den Schluss zu, dass sich die Regeln des derzeitigen Verordnungsentwurfs unterschiedlich auf große bzw. kleine und mittlere Unternehmen auswirken werden.

Kleine und mittlere Unternehmen können aufgrund ihrer meist geringen finanziellen Ressourcen und ihrer schwächeren Marktposition durch die neue europäische Chemikalienverordnung besonders tangiert werden. Dies gilt vor allem im Bereich der anfallenden Testkosten. Die Registrierung vieler Stoffe in kurzer Zeit kann gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen zu finanziellen Engpässen führen. Im Einzelfall können diese Kosten bis zu 20 Prozent des jährlichen Umsatzes ausmachen ­ so die Studie der KPMG vom 9. Mai 2005.

Zu den Fragen 2 bis 4: Die deutschen Unternehmen verfügen über Daten, die im Rahmen der Selbstverpflichtung des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) erhoben werden. Das verschafft ihnen einen Vorteil gegenüber anderen europäischen Firmen. In welchem Umfang darüber hinaus Kosten tatsächlich anfallen, hängt von der weiteren Ausgestaltung der europäischen Chemikalienverordnung ab.

Die Marktstrukturen im Chemiebereich lassen nicht zwingend eine Umlage der Kosten durch Preisanpassungen auf die Weiterverwender der Stoffe und den Endverbraucher zu. Darüber hinaus sind Veränderungen in der Produktpalette der Unternehmen, aber auch Auswirkungen auf die abnehmenden Unternehmen nicht auszuschließen. Zu diesen Ergebnissen kommt auch die KPMGStudie.

Genauere Angaben über die Zahl der von diesen Entwicklungen möglicherweise negativ betroffenen Unternehmen lassen sich zurzeit nicht machen.

Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass der Aufwand der Unternehmen aus der neuen europäischen Chemikalienverordnung in einem ausgewogenen Verhältnis zum Nutzen steht, auch um die nachteiligen Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Dies setzt ein praxistaugliches und effizient gestaltetes Registrier- und Prüfverfahren voraus. Dazu gehört unter anderem, dass durch eine Vorregistrierung der Stoffe eine Prioritätenliste nach Sicherheitsaspekten aufgestellt wird. Die einzelnen Stoffe sollen anhand ihrer Priorität bewertet und analysiert werden. Notwendig ist auch ein höherer Expositionsbezug der in der Registrierung geforderten Daten. Der Umfang der Daten muss stärker vom Verwendungszweck des Stoffes und dem bestehenden Risiko abhängig gemacht werden und nicht ­ wie im derzeitigen Entwurf ­ allein von der Höhe der jährlichen Produktionsmenge. Es ist erforderlich, sowohl an der Einführung von Expositionskategorien weiterzuarbeiten als auch den derzeit diskutierten OSOR-Ansatz „One Substance ­ One Registration (Eine Substanz ­ eine Registrierung)" unter Wahrung des Betriebsgeheimnisses weiterzuverfolgen.