Opfern von Straftaten

Zur Aufgabe, Opfern von Straftaten, Verkehrsunfällen und ggf. bei sonstigen schädigenden Ereignissen zu helfen, z. B. Tatfolgen zu mindern und bei der Durchführung staatlicher Maßnahmen zu vermeiden, dass jemand zum zweiten Mal Opfer wird. Daneben soll aber auch „vor Ort" durch z. B. Zuwendung, Verständnis und Einfühlungsvermögen zur Bewältigung von individuellen Krisensituationen beigetragen werden, um festzustellen, ob Hilfe und Unterstützung notwendig ist und professionelle Hilfsangebote bedarfsgerecht und problemorientiert vermittelt werden sollten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Opferschutzorganisationen, die im Land vertreten sind, werden bzw. wurden in den letzten fünf Jahren von der Landesregierung unterstützt (bitte Art der Unterstützung, ggf. Summe des Geldbetrages angeben, gegliedert nach Jahren)?

2. Welche Rechtsvorschriften des Landes regeln die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit mit Opferschutzorganisationen?

3. Wie viele Landesbedienstete sind im Haupt- und Nebenamt mit Opferschutz betraut?

4. Wie schätzt die Landesregierung den künftigen Bedarf an Ressourcen (personell und materiell) für den Opferschutz ein?

5. Plant die Landesregierung die Schaffung der Institution eines Opferschutzbeauftragten?

Das Ministerium der Justiz hat im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern und für Sport und dem Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. Juni 2005 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Dem Schutz von Opfern, insbesondere von Opfern von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, ist in den letzten Jahren durch verschiedene Bundesgesetze Rechnung getragen worden.

So sind insbesondere zu erwähnen: Das 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz 1986), das Gesetz zum Schutz von Zeugen bei der Vernehmung im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (Zeugenschutzgesetz 1998), das Gesetz zur strafrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs (1999) und das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten in Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz 2004). Sie haben die Stellung und den Schutz von Opfern in Ermittlungs- und Strafverfahren nachhaltig verbessert.

Weiterhin ist in diesem Zusammenhang auch auf das Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. Dezember 2001 hinzuweisen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Für den Bereich des Ministeriums der Justiz:

­ Das Ministerium der Justiz erprobt seit dem Jahr 2000 modellhaft an den Standorten Mainz und Frankenthal die Begleitung von Zeugen, die Opfer einer Straftat geworden sind. Hierzu stehen professionelle Fachkräfte der Justiz (Gerichtshelferin und Gerichtshelfer der Staatsanwaltschaft) in Frankenthal sowie die Fachkraft eines freien Trägers (Internationaler Bund) in Mainz zur Verfügung. Darüber hinaus sind die Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer bei den übrigen Staatsanwaltschaften des Landes im Rahmen der so genannten Opferhilfe für die Betreuung dieser Zielgruppe zuständig. Einen Schwerpunkt bilden hierbei Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen (so genannte Häusliche Gewalt). Die freien Träger erhalten zur Durchführung dieser Aufgaben Zuweisungen aus Geldbußen der Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie Haushaltsmittel im Weg der institutionellen Förderung. Eine Übersicht über die Zuwendungen von Geldbeträgen an gemeinnützige Einrichtungen oder an die Staatskasse in Ermittlungs- und Strafverfahren sowie in Gnadensachen veröffentlicht das Ministerium der Justiz regelmäßig im Justizblatt Rheinland-Pfalz, zuletzt für das Jahr 2004 im Justizblatt Rheinland-Pfalz 2005, S. 93. Daraus ergeben sich für das Jahr 2004 Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen im Bereich des allgemeinen Sozialwesens von rund 690 000 Euro und im Bereich Straffälligen- und Bewährungshilfe von rund 2 642 000 Euro. Allein etwa 78 500 Euro wurden beispielsweise dem Weißen Ring und etwa 317 500 Euro der Opfer- und Täterhilfe Rheinhessen e. V. zugewiesen.

­ Mit Beschluss des Ministerrates vom 15. Januar 2002 ist die „Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz" als rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet worden. Zweck der Stiftung ist die individuelle Unterstützung von Opfern von Straftaten. Zur Erfüllung des Stiftungszweckes hat das Land die Stiftung mit einem Stiftungsvermögen von 500 000 Euro (bereitgestellt im Haushalt 2002 im Einzelplan 05 ­ Ministerium der Justiz) ausgestattet. Aus den Erträgen des Stiftungsvermögens und der Stiftung zufließenden Spenden ­ in der Regel Zuweisungen von Geldauflagen aus Ermittlungs- und Strafverfahren ­ gewährt die Stiftung Zuwendungen. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung setzt die Stiftung ihre Mittel ein, „1. wenn auf andere Weise finanzielle Notlagen von Opfern von Straftaten, die in Rheinland-Pfalz wohnen oder Opfer einer Straftat geworden sind, nicht behoben oder gelindert werden können,

2. zur Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen, die Opfern individuelle persönliche Hilfe leisten oder die Opferzeugen-Betreuungsprogramme durchführen."

Während zu Beginn der Stiftungstätigkeit einige Zuwendungsanträge abgelehnt werden mussten, weil die Straftaten vor der Errichtung der Stiftung lagen, hat sich das Bild zwischenzeitlich gewandelt. Durch die Intensivierung der Zusammenarbeit insbesondere mit dem Weißen Ring, den Frauenhäusern und den Polizeidienststellen hat sich die Stiftung nunmehr etabliert. In knapp 60 Fällen haben sich Bürgerinnen und Bürger in ihrer Notlage an die Stiftung gewendet. Mit der Auszahlung von insgesamt rund 37 000 Euro hat die Stiftung in vielen Fällen ­ annähernd der Hälfte der Zuwendungsanträge der letzten Zeit konnte stattgegeben werden ­ Verbrechensopfer materiell unterstützt. Damit ist gleichzeitig ein wichtiger Beitrag für die Verarbeitung und Bewältigung des erlittenen Unrechts geleistet worden.

Für den Bereich des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend:

Die Opferschutzorganisationen, die durch das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend in den Jahren 2000 bis 2005 gefördert wurden, sowie die Höhe der Personal- bzw. Sachkostenzuschüsse ergeben sich aus der Anlage.

Zu Frage 2: Die Zusammenarbeit mit Opferschutzorganisationen ist landesgesetzlich nicht geregelt; sie erfolgt auf freiwilliger Basis. Rechtsvorschriften des Landes, die die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit regeln, gibt es ­ mit Ausnahme der haushaltsrechtlichen Bestimmungen der §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung ­ nicht.

Zu Frage 3: Für den Bereich des Ministeriums der Justiz:

Aus dem Bereich der Justizverwaltung nehmen elf Bedienstete Aufgaben der Opferhilfe neben ihren sonstigen hauptberuflichen Tätigkeiten wahr.

Die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz handelt durch ihren dreiköpfigen, ehrenamtlich tätigen Vorstand. Im Ministerium der Justiz erledigen zwei Mitarbeiter unentgeltlich die Aufgaben der Geschäftsstelle der Stiftung. Der Umfang der Aufgaben ist im Vergleich zu den Hauptaufgaben dieser Mitarbeiter unbedeutend; die Inanspruchnahme ist durch einen Vermerk im Haushaltsplan zugelassen.

Zudem sind auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte im Rahmen der einschlägigen Vorschriften der Strafprozessordnung ­ ergänzt durch Bestimmungen der bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ­ insbesondere etwa bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder Straftaten im Bereich der Gewalt in engen sozialen Beziehungen in entsprechenden Verfahren mit Fragen des Opferschutzes befasst.

Für den Bereich des Ministeriums des Innern und für Sport: Grundsätzlich ist die Aufgabe des Opferschutzes auch Teil der polizeilichen Alltagsarbeit. Hier gilt es, ein angemessenes Verhalten im Umgang und in der Erstbetreuung der Opfer zu gewährleisten und die Folgen des Ereignisses, ob Straftat oder Verkehrsunfall, für den Betroffenen gering zu halten. Weil die Polizei für Opfer regelmäßig der erste und häufig auch der einzige Ansprechpartner ist, obliegt diese Aufgabe zunächst jeder Polizeibeamtin und jedem Polizeibeamten im Rahmen des täglichen Dienstes.

Die Polizei ist verpflichtet, Geschädigten im Rahmen der Anzeigenerstattung das „Merkblatt über die Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren" auszuhändigen. Dieses Merkblatt enthält neben Informationen über die Rechte von Geschädigten/Verletzten im Strafverfahren auch Informationen über Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz sowie Adressen der entsprechenden öffentlichen Stellen, wie z. B. des Landesversorgungsamtes, des Weißen Rings e. V., der Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz oder der Verkehrsopferhilfe e. V.

Der Thematik „Opferschutz" wird innerhalb der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit zunehmend Bedeutung beigemessen. So stand u. a. der am 15. November 2004 von der „Leitstelle Kriminalprävention" (Ministerium des Innern und Sport) in Stromberg ausgerichtete Landespräventionstag 2004 unter dem Thema „Opferschutz/Opferhilfe". Am 22. März 2005 führten das Polizeipräsidium Rheinpfalz und der Weiße Ring e.V. die Kooperationsveranstaltung „Tag des Kriminalitätsopfers" durch.

Das in Rheinland-Pfalz erarbeitete „Interdisziplinäre Kooperationskonzept zur Unterstützung der Opfer von Menschenhandel" sowie das „Rheinland-Pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen" verpflichten auch die Polizei, im vermehrten Maße zum Opferschutz und zur Wahrung der Opferrechte im Strafverfahren beizutragen.

Zu Frage 4: Für den Bereich der Justiz ist die Zahl der betreuten Personen in den zurückliegenden Jahren konstant geblieben. Eine Ausweitung ist derzeit nicht erkennbar; im Bedarfsfall erscheint jedoch eine flexible Reaktion möglich. Im Polizeibereich ist das Landeskriminalamt beauftragt, die Erforderlichkeit einer landeseinheitlichen Konzeption „Opferschutz/Opferhilfe" zu prüfen. Inwiefern sich aus dem Prüfergebnis Bedarf für personelle oder materielle Entscheidungen ergibt, ist derzeit noch nicht zu beurteilen. Aus Sicht des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend dürfte der zukünftige Bedarf an Ressourcen für den Opferschutz tendenziell allerdings eher steigen.

Zu Frage 5: Ein dringender Bedarf zur Prüfung der Schaffung der Institution eines Opferschutzbeauftragten wird derzeit angesichts der vielfältigen Maßnahmen zur Stärkung des Opferschutzes in den verschiedenen Ressorts der Landesregierung nicht gesehen.