Qualität des öffentlichen Personenverkehrs verbessern/Fahrgastrechte im rheinland-pfälzischen Nahverkehr stärken

I. Der Landtag stellt fest: Moderne Verkehrsangebote im öffentlichen Personenverkehr müssen zuverlässig, schnell, gepflegt und barrierefrei sein. Zur Verbesserung des Angebotes gehört auch, die Rechtsposition der Fahrgäste zu verbessern. Dies gilt besonders in Fragen der Entschädigung, wenn Verkehrsleistungen ausfallen, Bus und Bahn sich verspäten oder die Leistung nur in mangelhafter Qualität erbracht wird.

Die Stärkung der Fahrgastrechte von Kundinnen und Kunden gegenüber den Verkehrsunternehmen ist ein wichtiges verbraucherpolitisches Ziel und gleichzeitig ein geeignetes Instrument der Qualitätssteigerung im öffentlichen Personennahverkehr.

Die Deutsche Bahn AG (DB) hat als wichtigste Anbieterin im öffentlichen Verkehr nach andauernder Kritik an der Zuverlässigkeit und Qualität im Schienenverkehr im Oktober des vergangenen Jahres eine Kundencharta eingeführt. Sie gilt allerdings nur für den Fernverkehr, obwohl über 90 % aller Kundinnen und Kunden öffentlicher Verkehrsmittel mit Nahverkehrsmitteln unterwegs sind.

Die darin festgehaltenen Selbstverpflichtungen seitens der DB AG sind aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausreichend.

Notwendig ist eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene, um angemessene Rechte der Fahrgäste im öffentlichen Linienverkehr mit Bussen, Zügen, Straßenbahnen und Schiffen sowie im Luftverkehr innerhalb eines einheitlichen Rechtsrahmens zu erreichen.

Wichtige Bausteine eines verbesserten Verbraucherschutzes bei Verkehrsdienstleistungen sind auch die Initiativen der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und der Bundesregierung mit unabhängigen Schlichtungsstellen. Die vom Bundesverbraucherschutzministerium finanzierte Schlichtungsstelle Mobilität beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) kümmert sich verkehrsträgerübergreifend um Streitfälle im öffentlichen Personenfernverkehr, die Einrichtung in Nordrhein-Westfalen um Streitfälle im öffentlichen Nahverkehr.

Auch in Landeskompetenz können wesentliche Schritte zur Verbesserung der Fahrgastrechte und zur Qualitätssteigerung des öffentlichen Personennahverkehrs eingeleitet werden.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. die Rechte der Kundinnen und Kunden im rheinland-pfälzischen öffentlichen Personennahverkehr zu stärken. Sie soll dabei insbesondere

­ gemäß dem nordrhein-westfälischen Vorbild die Einrichtung einer neutralen und verkehrsträgerübergreifenden Schlichtungsstelle Mobilität auf Landesebene für Bus- und Bahnkundinnen und -kunden unterstützen,

­ gemeinsam mit den Verkehrsverbünden, den Verkehrsunternehmen und den Fahrgastverbänden in Rheinland-Pfalz eine Kundencharta entwickeln, welche die Fahrgastrechte im ÖPNV verbessert,

­ ein Kundinnen-/Kundenbarometer entwickeln und prüfen, ob es zu einem System der Qualitätsbewertung nach schleswig-holsteinischem Muster weiterentwickelt werden kann (Bonuszahlungen bei guten Bewertungen, Maluszahlungen bei schlechten Bewertungen),

­ nach Schweizer Vorbild eine Kundinnen-/Kundenbeteiligung bei der Aufstellung der Nahverkehrsfahrpläne herbeiführen,

­ dem Landtag alle zwei Jahre einen Bericht über die Qualitätsentwicklung im öffentlichen Personennahverkehr auf Schienen und Straßen vorlegen,

2. die Bundesregierung gemeinsam mit den anderen Bundesländern dabei zu unterstützen, dass verbesserte Fahrgastrechte in einem bundeseinheitlichen Rahmen geregelt werden können,

3. in Zusammenarbeit mit den Einsenbahnunternehmen in Rheinland-Pfalz dafür zu sorgen, dass Verspätungsursachen technischer Art an Gleiskörpern oder Signaleinrichtungen schnellstmöglich beseitigt werden.

Begründung:

Während sich in vielen anderen Ländern Europas wie Holland, Großbritannien und der Schweiz Fahrgäste bereits auf gesetzlich normierte Rechte im Verkehr stützen können, besteht in Deutschland immer noch der dringende Bedarf nach einheitlichen verkehrsträgerübergreifenden und einklagbaren Kundinnen-/Kundenrechten.

Die zum 1. Oktober 2004 eingeführte Kundencharta der DB AG ist völlig unzureichend und deshalb zu Recht starker Kritik ausgesetzt. Die dadurch gewährten Entschädigungen sind unzureichend, zu bürokratisch geregelt und werden bei einer ganzen Reihe von Ausschlusskriterien, wie z. B. großzügig ausgelegter Fremdeinwirkungen, erst gar nicht gewährt.

Auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sieht die Notwendigkeit, Fahrgäste in ihren Rechten zu stärken. Sie hält die freiwilligen Vereinbarungen, zu welchen sich die DB AG bereit erklärt hat, für nicht ausreichend und verlangt eine gesetzgeberische Regelung dieser Verpflichtungen. Darüber hinaus fordert sie die Einführung einer „Qualitäts-Charta", welche den Verbraucherinnen und Verbrauchern kundenfreundliches Reisen zusichert. Mit ihrem Verordnungsvorschlag über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im internationalen Eisenbahnverkehr hat sie den Handlungsbedarf bei den Fahrgastrechten signalisiert.

Eine bundeseinheitliche Regelung ist unverzichtbar, damit kein rechtlicher Flickenteppich entsteht. Deshalb ist die Landesregierung aufgefordert, den eingeleiteten Prozess zur Gestaltung bundes- und verkehrsträgerübergreifender Regelungen zu unterstützen.

Besonderer Handlungsbedarf besteht im Bereich des Personennahverkehrs, der von der Kundencharta der DB nicht berücksichtigt wird, aber die größte und beständigste Einnahmequelle der DB darstellt. Den Fahrgästen im Nahverkehr müssen rechtsverbindliche bzw. gesetzlich geregelte Rechte zugesprochen werden. Gerade die zahlreichen Pendlerinnen und Pendler sind als Dauerkundinnen und Dauerkunden von Qualitätsmängeln am meisten betroffen. Deshalb sollten ein reibungsloser Reiseverlauf und vor allem Pünktlichkeit eine Selbstverständlichkeit sein.

Weil sogar nach Einschätzung der Landesregierung rund 50 % der Verspätungen auf Mängel an den Schienenwegen zurückzuführen sind, ist sie gefordert, gemeinsam mit den Eisenbahnunternehmen für die Beseitigung von Verspätungsursachen im Eisenbahnverkehr zu sorgen.

Die Nachfrage nach Unterstützung durch die Schlichtungsstelle Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, an die sich seit ihrer Gründung im Jahr 2001 über 8 600 Bus- und Bahnnutzerinnen/-nutzer gewandt haben, verdeutlicht die Notwendigkeit der Einrichtung einer solchen Institution auch in Rheinland-Pfalz. Die Schlichtungsstelle greift die Beschwerden der Verbraucherinnen und Verbraucher auf und fördert die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten. Sie lässt allerdings bewusst auch den Rechtsweg offen, um die Kunden nicht in ihren Rechten zu beschneiden.

Ebenfalls in Nordrhein-Westfalen wurde der Qualitätsbericht entwickelt. Damit sollen zum einen die Entwicklung der ÖPNV-Qualität dokumentiert und zum anderen die notwendigen Informationen zur Verbesserung des ÖPNV insgesamt geliefert werden. Schwerpunkt des Qualitätsberichtes sind die Verspätungen im SPNV und die Möglichkeiten zu deren Reduzierung.

Ein Kundinnen-/Kundenbarometer misst die Zufriedendheit der Fahrgäste mit den einzelnen Bestandteilen der ÖPNV-Angebote. Es kann als Grundlage dienen zu dem in Schleswig-Holstein eingeführten System der Qualitätsbewertung durch die ÖPNVKundinnen/-Kunden. In Schleswig-Holstein erhalten die Verkehrsunternehmen bei guten Noten durch die Qualitätstesterinnen und Qualitätstester einen finanziellen Bonus, bei schlechten Benotungen ist ein Malus fällig. Die Zuschüsse, die das Land für den Schienenpersonennahverkehr gewährt, können damit um fünf Prozent höher oder niedriger ausfallen als vereinbart. Die Vereinbarkeit eines solchen Systems mit den geltenden Verkehrsverträgen in Rheinland-Pfalz soll geprüft werden. Beim Abschluss neuer Verträge kann eine vergleichbare Regelung von vornherein Vertragsbestandteil werden.

Die Kundinnen-/Kundenbeteiligung bei der Erstellung der Fahrpläne ist ein in der Schweiz übliches Verfahren. Die so genannte „Vernehmlassung" wird in der Regel zu jedem Jahresfahrplan vom Bundesamt für Verkehr durchgeführt ­ auch hierbei geht es um die Nutzung der Fahrgastkompetenzen ­, um die Fahrpläne im ÖPNV kundinnen-/kundenfreundlicher zu gestalten. Der nordhessische Verkehrsverbund NVV hat das Konzept kürzlich versuchsweise übernommen, unter http://www.nvv.de/ Fahrplan_Netz/Fahrplanentwuerfe/Fahrplanentwuerfe.html können die Kundinnen und Kunden Stellung nehmen.

Letztlich sind pünktliche und gepflegte Busse und Züge ein wesentliches Attraktivitätsmerkmal des öffentlichen Personenverkehrs. Kundinnen-/Kundenrechte sollten nicht ausschließlich als Kostenfaktor, sondern wie das damit verbundene Beschwerdemanagement als wichtiges Marketinginstrument begriffen werden. Dies wird vor allem vom marktbeherrschenden Schienenverkehrsanbieter Deutsche Bahn AG noch nicht im notwendigen Maß erkannt.

Weil die Verkehrspolitik aus ökonomischen und ökologischen Gründen ein Interesse an möglichst vielen und zufriedenen Fahrgästen im öffentlichen Verkehr mit Bussen und Bahnen haben muss, ist der Gesetzgeber aufgefordert, die Rechtsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken und damit die Kundinnen-/Kundenzufriedenheit im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr zu erhöhen.