Ich frage die Landesregieurng 1 Wie viele solcher offenen Szenen gibt es derzeit

Dabei halten sich Drogenabhängige in der Öffentlichkeit auf, sind im Besitz von Betäubungsmitteln, verschaffen sich oder anderen Besitz von Betäubungsmitteln. Auch werden diese Plätze von Drogenhändlern aufgesucht, um Drogen abzusetzen bzw. mit ihnen zu handeln. Eine solche Örtlichkeit wirkt anziehend auf die Szene. Neben den straf-, ordnungsrechtlichen und hygienischen Auswirkungen werden solche Örtlichkeiten von der sonstigen Wohnbevölkerung gemieden, Wohnqualität, Wohnwert und Attraktivität in diesem Umfeld sinken.

Ich frage die Landesregieurng:

1. Wie viele solcher offenen Szenen gibt es derzeit bzw. gab es in den letzten zehn Jahren im Land, wo sind bzw. waren deren Standorte?

2. Seit wann sind diese existent?

3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung wann getroffen, um den schädlichen Auswirkungen der offenen Drogenszenen zu begegnen?

4. Wird nach den Erkenntnissen der Landesregierung an diesen Plätzen auch mit Heroin und anderen, so genannten harten Drogen gehandelt bzw. werden diese dort konsumiert?

5. Existieren Anweisungen an die Polizei, nicht gegen Personen vorzugehen, die lediglich Betäubungsmittel in geringen Mengen zum Eigenbedarf besitzen?

6. Auf welche Ursachen führt die Landesregierung die Bildung dieser offenen Drogenszenen im Land zurück?

7. Plant die Landesregierung, ggf. in welcher Art und Weise, die Bildung der offenen Drogenszenen künftig zu verhindern?

Das Ministerium des Innern und für Sport hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. August 2005 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung: Kennzeichen offener Rauschgiftszenen ist, dass der Missbrauch illegaler Betäubungsmittel nicht verdeckt, sondern bewusst in aller Öffentlichkeit erfolgt. Offene Rauschgiftszenen befinden sich vielfach in zentraler Lage der Innenstädte und bieten den Beteiligten als Anlaufstelle und Sammelplatz günstige Voraussetzungen.

Nach der Studie „Beschaffungskriminalität Drogenabhängiger" 1) wird Drogenkonsum durchschnittlich zu einem Drittel durch direkte oder indirekte Beschaffungskriminalität finanziert, sodass offene Drogenszenen in der Regel einen erheblichen Anstieg derartiger Delikte nach sich ziehen.

Im Zuge der steigenden Kriminalitätsbelastung dieser Bereiche verbunden mit einem hohen Maß an Belästigung bzw. Aggressivität gegenüber Anwohnern, Geschäftsbetreibern, Reisenden usw. wird das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigt.

Von offenen Drogenszenen deutlich zu unterscheiden sind so genannte Kontakt- bzw. Verkaufsszenen. Dort findet in der Regel kein öffentlicher Konsum statt. Weiterhin sind Belästigungen und aggressives Verhalten sowie direkte und indirekte Beschaffungskriminalität nicht im selben Ausmaß wie bei offenen Szenen zu verzeichnen.

Die Projektstudie „Offene Szene" 2) kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei offenen Drogenszenen um die (nachvollziehbare) Weiterentwicklung von Kontakt- bzw. Verkaufsszenen handelt.

Für polizeiliche Maßnahmen gegen Kontakt- bzw. Verkaufsszenen gelten im Übrigen die nachfolgenden Aussagen:

Bei der Rauschgiftkriminalität handelt es sich um Kontrollkriminalität, das heißt, das Ausmaß der registrierten Fälle hängt davon ab, inwieweit es der Polizei gelingt, das geschlossene Verhältnis zwischen Rauschgifthändlern und Konsumenten zu durchbrechen.

Niemand aus diesen Personengruppen hat ein Interesse daran, Anzeige zu erstatten. Die Polizei muss sich ihre Informationen über den illegalen Rauschgifthandel auch in diesem Umfeld grundsätzlich selbst besorgen. Bei der Umsetzung von Maßnahmen gilt, dass die Erhöhung des Kontrolldrucks häufig mit einem Verdrängungseffekt einhergeht.

Teil der polizeilichen Strategie zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität ist es, möglichst frühzeitig gegen sich ausprägende Kontakt- und Verkaufsszenen vorzugehen und die Ausbildung offener Drogenszenen zu verhindern.

Die Beantwortung der Anfrage umfasst nicht aktuell laufende polizeiliche Maßnahmen im Bereich von Kontakt- bzw. Verkaufsszenen, weil dies den Abschluss der Ermittlungen gefährden könnte.

Zu Fragen 1, 2 und 4: Offene Rauschgiftszenen, auf die die in der Vorbemerkung beschriebenen Kriterien zutreffen, gibt es in Rheinland-Pfalz nicht.

Überall dort, wo Rauschgifthändler bzw. -konsumenten in Rheinland-Pfalz in öffentliche Bereiche drängten und sich Kontakt- bzw. Verkaufsszenen zu etablieren versuchten, ist es der Polizei gelungen, entsprechend zu intervenieren. Damit ist die Entstehung offener Drogenszenen verhindert worden.

Über Anzahl und Örtlichkeiten polizeilicher Maßnahmen in öffentlich zugänglichen Bereichen führt die Polizei keine Statistiken.

Nach den dem Landeskriminalamt vorliegenden Erkenntnissen ging die Polizei in den vergangenen Jahren gegen nachfolgend beschriebene Kontakt- bzw. Verkaufsszenen erfolgreich vor: Zeitlicher Schwerpunkt Präsidialbereich Städte bzw. Gemeinden Kontakt- bzw. Verkaufsszene für: Mitte der 90er Jahre Koblenz Koblenz, Andernach, Cannabisprodukte (Haschisch), Heroin.

Im Zusammenhang mit synthetischen Drogen bildeten in den vergangenen Jahren einige so genannte Großdiskotheken besondere Brennpunkte. Die Polizei begegnete solchen Entwicklungen mit intensiven Kontrollen und Ermittlungen, die unter anderem zur vorübergehenden Schließung von Diskotheken führten.

2) Fachhochschule Villingen-Schwenningen, Hochschule für Polizei, 1995.

Zu Frage 3: Die Landesregierung hat vor allem im Zuge der polizeilichen Organisationsreform 1993 und deren -modifizierung 1997 beachtliche organisatorische Maßnahmen ergriffen. Dabei sind in allen 14 Polizeidirektionen Fachkommissariate zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingerichtet worden.

Die steigenden Zahlen im Bereich der Rauschgiftkriminalität sind in erster Linie auf die intensiven und erfolgreichen Ermittlungen dieser Organisationseinheiten zurückzuführen.

Um die Bildung offener Rauschgiftszenen bereits im Ansatz zu verhindern, verfährt die Polizei nach dem Rahmenkonzept „Fakultativer Maßnahmenkatalog zur Verhinderung der Bildung offener Rauschgiftszenen".

In jedem Fall muss aber berücksichtigt werden, dass die Polizei die Entwicklung in bestimmten Bereichen eine Zeit lang beobachten muss, bis hinreichende Beweise gesichert sind. Denn oft verfügt die Polizei bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt über entsprechende Hinweise, die zur Zerschlagung der Szene aber noch nicht ausreichen.

Darüber hinaus hat die Landesregierung ein adäquates Hilfesystem entwickelt, um der Bildung offener Szenen auch mit sozialpolitischen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Das aus Landesmitteln geförderte Fachkräfteprogramm „Aufsuchende Sozialarbeit/Psychosoziale Begleitung" ist ein Beleg dafür.

Zielsetzung dieses niedrigschwelligen Hilfeangebots ist es, den Kontakt zu Drogenabhängigen herzustellen, um Angebote der Überlebenshilfe zu vermitteln (z. B. Übernachtungsmöglichkeiten, Wasch- und Essensgelegenheiten) und letztlich Betroffene zu motivieren, weiterführende, stabilisierende Angebote der Suchtkrankenhilfe (z. B. Substitutions- oder Entwöhnungsbehandlungen) in Anspruch zu nehmen.

Mit dem Projekt „Cleantime ­ Drogenhilfe sofort" ist in Mayen-Kürrenberg 1997 eine niedrigschwellige stationäre Übergangseinrichtung für Drogenabhängige eingerichtet worden, die jährlich von etwa 150 Betroffenen genutzt wird. Das Projekt bietet sozial desintegrierten Drogenabhängigen, die mit anderen Maßnahmen der Drogenhilfe nicht erreicht werden können, eine unbürokra tische und schnelle Aufnahme und eine Stabilisierung in einem abstinenten sozialtherapeutischen Rahmen. Im Jahr 2004 konnten nach einer durchschnittlichen Verweildauer von 50 Tagen rund 36 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner in eine Fachklinik zur Entwöhnungsbehandlung oder in das betreute Wohnangebot der Drogenhilfe vermittelt werden.

Schließlich ist die Entzugsbehandlung Drogenabhängiger ausdifferenziert und verbessert worden. Zwischenzeitlich stehen in Andernach und Klingenmünster insgesamt 40 Plätze für einen qualifizierten Entzug Drogenabhängiger zur Verfügung.

Zudem wurde, ebenfalls mit erheblicher Unterstützung durch das Land, seit 1990 die Zahl der stationären Behandlungsplätze in Fachkliniken für eine Entwöhnungsbehandlung Drogenabhängiger von 158 auf 436 Plätze im Jahr 2004 erhöht.

Die genannten Maßnahmen sind damit Beleg für eine erfolgreiche Sicherheitsarbeit und die seit Jahren richtigen Schwerpunktsetzungen der Landesregierung.

Für die Herausbildung von Kontakt- bzw. Verkaufsszenen existiert keine wissenschaftlich abgesicherte Erklärung.

Die Entstehung dürfte unter anderem durch eine günstige Infrastruktur und einfache Erreichbarkeit für ortsfremde Personen begünstigt sein.

Zu Frage 7: Auch künftig werden Entwicklungen, die auf eine offene Angebots- bzw. Verkaufsszene hindeuten, dazu führen, dass die Polizei in Absprache mit anderen Beteiligten die am jeweiligen Einzelfall orientierten und geeigneten Maßnahmen ergreift, sodass es ­ wie in der Vergangenheit auch ­ nicht zur Ausbildung offener Drogenszenen kommt.

Dabei werden regelmäßig auch präventive polizeiliche Maßnahmen zu berücksichtigen sein. Hierzu zählen unter anderem Informations- und Aufklärungsveranstaltungen für Eltern, Lehrer, Erzieher, Ausbilder und Anwohner gefährdeter Bereiche. Die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ordnungsämtern und den örtlich zuständigen Bauämtern, aber auch Schulen, Vereinen und der Drogenhilfe hat sich bisher als Erfolg bringend erwiesen.