Arbeitgeber

Je kleiner die Betriebe, desto höher ist im Durchschnitt die wöchentliche Arbeitszeit. Dienstleistungsbetriebe haben die längsten Arbeitszeiten im Branchenvergleich: Über 50 % liegen bei 40 Wochenstunden und mehr. Dafür ist Flexibilisierung vergleichsweise wenig verbreitet. Größere Unternehmen sind schon weiter als kleinere. Je größer die Mitarbeiterzahl,desto höher ist der Anteil der Betriebe, in denen zumindest eine Form der Arbeitszeitflexibilisierung praktiziert wird. So geben beispielsweise 68 Prozent der Unternehmen mit 20 bis 199 Beschäftigten, 85 Prozent der Betriebe mit 200 bis 999 Beschäftigten und sogar 93 Prozent der großen Unternehmen mit über 1 000 Mitarbeitern an, ihre Arbeitszeiten flexibilisiert zu haben.

Von den Unternehmen mit bis zu 19 Beschäftigten setzen zwar immerhin über 50 Prozent, im Vergleich zu den größeren Betrieben jedoch deutlich weniger auf flexible Arbeitszeiten. Neben der Tatsache, dass der betriebliche Alltag gerade in vielen kleineren Betrieben auch ohne formalisierte Formen der Arbeitszeitgestaltung durchaus flexibel ablaufen dürfte, ist nicht auszuschließen, dass hier vielfach auch unzureichende Informationen über die Möglichkeiten der betrieblichen Arbeitszeitflexibilisierung ausschlaggebend sind ­ vor allem, was die etwas komplexer zu handhabenden Instrumente der Arbeitszeitflexibilisierung anbelangt.

Je kürzer die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit ist, desto häufiger wird offensichtlich versucht, dies durch mindestens eine Form der Arbeitszeitflexibilisierung zu kompensieren: Weit über 80 Prozent der Unternehmen, in denen eine Vollzeitkraft weniger als 36 Stunden pro Woche arbeitet, nutzen wenigstens ein Instrument der Arbeitszeitflexibilisierung. Von den Betrieben mit vertraglichen Wochenarbeitszeiten von über 42 Stunden gibt indessen fast die Hälfte an, dass sie keine Form der Arbeitszeitflexibilisierung einsetzen.

Dabei ist die Arbeitszeit in kleineren Betrieben durchschnittlich höher als in größeren.

Auch die Zahlen des DIHK belegen, dass bei den Dienstleistungen der Anteil der Betriebe mit Arbeitszeiten von wöchentlich 40 Stunden und mehr am größten ist.Die optimale Arbeitszeitstrategie kann im Detail immer nur auf betrieblicher Ebene entwickelt und keinesfalls zentral vorgegeben werden. Die Unternehmen sollten weiterhin nach kreativen und passgenauen Lösungen zur individuellen Arbeitszeitflexibilisierung suchen. Es ist prinzipiell sinnvoll, die Belegschaft in diesen Prozess einzubeziehen. Denn Betriebe, die sich bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeiten auch an den Wünschen ihrer Mitarbeiter orientieren, haben zugleich im schärfer werdenden Wettbewerb um qualifizierte Kräfte bessere Chancen.

Angesichts des sich abzeichnenden ­ demografie- und abwanderungsbedingten ­ Mangels an qualifizierten Fachkräften sollte hier der Fokus auf einer noch stärkeren Arbeitszeitflexibilisierung liegen. Denn eine flexible Arbeitszeitgestaltung kann dazu beitragen, das vorhandene Fachkräftepotenzial besser auszuschöpfen bzw. qualifizierte Arbeitnehmer aus anderen Regionen anzuziehen.

Die Arbeitszeitgestaltung in kleineren und häufig nicht tarifgebundenen Betrieben ist indessen seltener eine Frage des Dürfens, sondern spiegelt möglicherweise auch fehlende Informationen des Betriebs hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten und Chancen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung wider. Gleichwohl gehen schon jetzt in vielen Klein- und Kleinstbetrieben die betrieblichen Abläufe ohne eine formalisierte Form der Arbeitszeitflexibilisierung, aber deshalb nicht unbedingt weniger flexibel vonstatten. Der DIHK wird der Frage nachgehen, inwieweit hier in kleinen Unternehmen noch ein Aufklärungsbedarf in Sachen Arbeitszeitgestaltung gegeben ist. Denn der Einsatz der individuell optimalen Arbeitszeitstrategie rechnet sich für einen Betrieb in Euro und Cent ­ und darf deshalb nicht an etwaigen Informationsdefiziten scheitern."

Nach Ansicht des DIHK zahlt sich eine individuell passende Arbeitszeitstrategie für das einzelne Unternehmen aus. Kammern, Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften seien gefordert, etwaige Informationsdefizite auf Seiten der Betriebe und der Mitarbeiter aufzudecken und gegebenenfalls zu schließen.

486) Siehe „Individuell und flexibel. Wettbewerbsfaktor Arbeitszeitgestaltung. Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensbefragung. Herbst 2004", S. 22 (Vorlage EK 14/2-108). Zu den politischen Forderungen des DIHK siehe unten unter dem Punkt „Arbeitsrecht".

Betriebliche Initiativen

Die Anhörung in der Kommission in der 18. Sitzung am 13. Januar 2005 ergänzte die Angaben der DIHK-Studie unter anderem durch konkrete betriebliche Beispiele. Auf wesentliche Aspekte, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (vor allem durch Teilzeit) sowie die Beschäftigung älterer Mitarbeiter (Lebensarbeitszeitkonten) betreffen, wurde bereits oben unter 4.1.5 (Frauen) und

(ältere Beschäftigte) eingegangen.

Die Vertreter der SCHOTT AG gaben an, die tarifliche Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden in Deutschland sei innerhalb des Weltkonzerns die geringste. Gleichzeitig seien die Arbeitskosten im Konzernvergleich in Deutschland und innerhalb Deutschlands in Mainz am höchsten. Dies betreffe selbst die einfachsten Tätigkeiten. Auch die fixen Gehaltsbestandteile seien in Deutschland im Verhältnis zu den variablen Bestandteilen höher als in den USA oder Asien. Für den Arbeitgeber sei es attraktiv, variable Bestandteile beispielsweise an den Unternehmenserfolg zu koppeln. In Deutschland habe SCHOTT deshalb das Weihnachtsgeld in einem bestimmten Korridor vom Unternehmenserfolg abhängig gemacht.

Auf der anderen Seite ist Deutschland laut SCHOTT AG führend bei den flexiblen Arbeitszeitsystemen und -kulturen. Diese Flexibilität und hohe Produktivität trügen dazu bei, die hohen Arbeitskosten auszugleichen. 488) Dies sichere Arbeitsplätze.

Die Flexibilität der Arbeitszeit werde erreicht durch Arbeitszeitkorridore und durch Arbeitszeitkonten. Damit könnten Überstundenzuschläge eingespart werden. Die SCHOTT AG wolle ein Stück weit weg von der Erfassung der Anwesenheit und hin zu mehr Ergebnisorientierung. In Mainz arbeiteten bereits 700 außertarifliche Mitarbeiter in der so genannten Vertrauensarbeitszeit, ohne Erfassung der Arbeitszeit. Die Führung erfolge über ein Zielvereinbarungssystem, kombiniert mit variabler Vergütung. Dies solle auch im Tarifbereich versucht werden. Teilzeit werde grundsätzlich befristet beziehungsweise auf gegenseitigen Widerruf vereinbart. 490) Die Vertreter der SCHOTT AG würden es begrüßen, wenn die Möglichkeiten zur Befristung erweitert würden.

Im Rahmen einer Sozialauswahl bei Beschäftigungsabbau sei es für den Arbeitgeber kaum möglich, auf Leistungsträger Rücksicht zu nehmen. Es sollte überlegt werden, nach dem Beispiel Italiens die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer definierten Abfindung zu ermöglichen.

Das Werk der SCHOTT AG in Mainz ist ferner ein gutes Praxisbeispiel für funktionierende Telearbeit: 493) Telearbeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer ausschließlich oder zumindest zeitweise an einem Arbeitsplatz außerhalb der zentralen Betriebsstätte arbeitet.

Nach der Definition der Vertreter der SCHOTT AG beschreibt der Begriff der Telearbeit „Formen der Bildschirmarbeit mit PC, Notebook etc., bei denen die Arbeit mittels Informations- und Kommunikationstechnologien mit gewisser Regelmäßigkeit außerhalb des Betriebes (zu Hause oder im Außendienst) erbracht wird." Dabei wird zwischen folgenden Arten von Telearbeit unterschieden:

a) alternierende Telearbeit (häufigste Form bei Großunternehmen),

b) mobile Telearbeit (Außendienst),

c) isolierte Teleheimarbeit (z. B. freie Mitarbeiter),

d) Satellitenbüros (BMW ­ München),

e) Nachbarschaftsbüros (verschiedene Firmen oder Selbständige),

f) Telecenter (Anmieten von Büros).

Eine Voraussetzung für den effizienten Einsatz von Telearbeit ist, dass der Arbeitnehmer mit seinem Unternehmen problemlos Informationen austauschen kann. Die oben unter 5.1.1 zitierte Studie des DIHK 495) ergab, dass das Instrument der Telearbeit nur in Dienstleistungsbetrieben (zwölf Prozent) und Industrieunternehmen (neun Prozent) in nennenswertem Ausmaß genutzt wird, im Handel bzw. auf dem Bau dagegen nur eine geringe bzw. gar keine Rolle spielt (vier bzw. ein Prozent). Mit Ausnahme der Bauwirtschaft hat sich der Anteil der Unternehmen, die Telearbeitsplätze anbieten, in allen Wirtschaftszweigen im Vergleich zum Jahr 2000 jedoch jeweils mehr als verdoppelt.